Mit Kampfgeist und Humor durch die Krise

Wirtschaftsstandort
11.05.2022

Die Salm-Gruppe betreibt eines der beliebtesten Bierlokale Wiens. Dass sie alle Welt mit Brauerei-Anlagen beliefert, ist aber kaum bekannt. Obwohl die Pandemie dem bald 100 Jahre alten Leitbetrieb schwer zusetzte, hält er mit Sparsamkeit, Eigenmitteln und technischer Weiterentwicklung dem Gegenwind stand.
Schulungsbrauerei Salm

Essen und trinken müssen die Leute immer – mit diesem Spruch konnten sich Gastro-Betriebe meist selbst in Krisenzeiten beruhigen. Doch seit Corona wirken solche Beruhigungspillen nicht mehr unbedingt. Jetzt kommt es nicht mehr nur darauf an, dass die Leute essen und trinken müssen, sondern auch, wo sie es dürfen oder wollen: mit Freunden im Lokal oder zu Hause auf der Couch?
Die Salm-Gruppe rund um das Salm Bräu, eines der bekanntesten Wiener Bierlokale und ein österreichischer Leitbetrieb, hat diese Krise voll erwischt. Salm betreibt nicht nur mit dem erst 2019 eröffneten „Stöckl im Park“ eine zweite eigene Gasthausbrauerei, sondern verkauft auch innovative Brauanlagen in die ganze Welt. Walter Welledits, der das Unternehmen 1978 von seinem Vater übernommen hat und noch heute, im Alter von 88 Jahren, gemeinsam mit seinem Sohn die Geschäfte führt, sagt: „Die Pandemie hat Gewinner und Verlierer gebracht. Für uns ist sie eine ziemliche Katastrophe.“ Salm erlitt laut Welledits enorme Umsatzverluste und musste Mitarbeiter kündigen.

Anlaufendes Geschäft
Nach wie vor läuft das Geschäft auf kleinerer Flamme als vor Corona. Die Besucher im Salm Bräu waren zu rund 75 Prozent Touristen – und die sind noch nicht so richtig zurück. Dabei kommt bald ein wichtiges Jubiläum auf Salm zu: Walter Welledits’ Vater gründete gemeinsam mit Otto von Salm das Unternehmen 1924. Langsam zeichnet sich aber Besserung ab. Immerhin konnten die Gastrobetriebe während der Pandemie teilweise öffnen. Und es gibt ein anlaufendes Geschäft bei den Anlagen. Beispielsweise wird Salm bald neue Brauanlagen in Kuba bauen. Auf der Insel ist Salm laut eigenen Angaben der bisher einzige Lieferant von Brauereianlagen: Fünf sind es schon. Zum Vergleich: In Wien sind es sieben, zwei davon im Eigenbetrieb.

Walter Welledits und Sohn
Walter Welledits  führt die Brauerei gemeinsam mit seinem Sohn. Sein Credo: Man muss im Leben auch kämpfen können.

Auch sonst können sich die Referenzen von Salm sehen lassen. So lieferte das Unternehmen nicht nur Brauanlagen an zahlreiche europäische Gastro-Betriebe, sondern sehr viele auch nach Asien und auf den amerikanischen Kontinent. Sogar in Afrika stehen vier Salm-Anlagen. In weltweit rund 80 der Anlagen wird das Bier nach Salm-Rezepturen gebraut – im Rest nach eigenen Rezepturen. Bemerkenswert ist etwa, dass Salm eine Anlage in Singapur auf dem Dach eines Hochhauses errichtet hat. In den USA hat Salm zwei Brauereien beliefert, die als Lizenznehmer Bier des Münchner Hofbräuhauses produzieren. Welledits traut sich zu sagen: „Das Bier wurde besser als das Original in München.“

Energiesparende Verfahren
Das Salm Bräu, das große Bekanntheit genießt und in zentraler Lage Hüttenfeeling versprüht, wurde vor 28 Jahren als Schulungsbrauerei gegründet. Hierher kommen Braumeister und -techniker und solche, die es werden wollen, aus der ganzen Welt, um das Handwerk zu lernen und sich die modernen Anlagen anzuschauen. Was Salm den meisten Mitbewerbern voraus hat, ist die Qualität und die technische Führerschaft, was sich unter anderem beim Energieverbrauch zeigt. Welledits: „Bierbrauen ist ein sehr energieintensives Verfahren.“ Salm habe es geschafft, den Energiebedarf bei der Produktion um 67 Prozent zu reduzieren. Mitbewerber mit dampfbetriebenen Sudwerken brauchen Welledits zufolge pro 100 Liter Würze bis zu 3,6 Liter Heizöl: „Wir liegen bei 1,18 kg.“ Welledits sagt in Bezug auf den Klimawandel, die Menschen würden noch nicht begreifen, „was auf uns zukommen kann oder wird – es ist die Zukunft, dass überall Energie gespart werden muss.“ Zudem seien Salm-Anlagen die einzigen, wo Bierbrauen geruchsfrei vonstatten gehe.
Nach der Pandemie kommt als nächste Schwierigkeit der Krieg in der Ukraine, denn Salm hat ein Büro in Moskau und bereits 28 Anlagen in Russland errichtet. Welledits: „Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben uns ziemlich zurückgeworfen.“ Er gibt sich tapfer: „Man muss im Leben auch kämpfen können. Ich habe den Zweiten Weltkrieg erlebt. Ich weiß, wie man mit Problemen umgehen kann und auch mit bescheidenen Situationen zurechtkommt.“ Die schwierigen Zeiten zum Anlass zu nehmen, um mit fast 90 die Pension anzutreten, ist für Welledits keine Option: „Ich bin noch so erzogen worden, dass zuerst die Firma kommt, dann lange nichts, dann der private Bereich. Ich bin es gewohnt, zu arbeiten und Entscheidungen zu treffen.“ Im Garten Rasen zu mähen, kann er sich nicht vorstellen und fügt hinzu: „Mein Vater war bis einen Tag vor seinem Tod in der Firma. Bei mir wird es nicht anders sein: Entweder erwischt’s mich am Weg ins Büro oder im Büro – das überlass’ ich dem Herrgott.“

Erfahrung versus Kopieren
Angesichts der Herausforderungen kann ein so erfahrener Mann an der Spitze sicher nicht schaden: „Noch sehe ich viel Arbeit vor mir. Viele Aufgaben sind zu lösen.“ Eine davon ist, sich gegen Konkurrenten, von denen viele aus China kommen, durchzusetzen. Laut Welledits verkaufen sie Anlagen oft um bis zu 80 Prozent günstiger. Und auch, wenn diese minderwertig sind, sagt er: „Es ist mir ein Rätsel, wie sie das schaffen: Wir bekommen um denselben Preis noch nicht einmal das Blech zu kaufen.“ Er vermutet, dass sie eine Exportunterstützung bekommen. Die Kopierfreude der Chinesen hat er selbst einmal bei einer Messe in Peking heimlich beobachtet, wo eine Gruppe von Chinesen seine ausgestellte Brauerei-Anlage zerlegt und wieder zusammengebaut hat – und sogar noch Fingerabdrücke hinterließen. Welledits: „Sie kopieren die Produkte, aber was sie nicht haben, ist unsere Erfahrung und Qualität.“ Er wirft jedenfalls seither Anfragen aus China in den Papierkorb.
Und was hilft ihm, in so schwierigen Zeiten durchzuhalten? Das lässt sich wohl mit Humor, Kampfgeist und der Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, zusammenfassen. Welledits: „Wie bei meinem Vater schon steckt alles, was wir haben, in der Firma: Man setzt Speck an und kann dann davon leben.“ Auf diese Weise kam Salm trotz allem gut durch die Pandemie: „Wir haben es wie der Bär gemacht, der sich im Winter in seine Höhle zurückzieht und seinen Stoffwechsel herunterfährt. Auch wir haben uns eingeigelt. Ich fahre die Firma lieber herunter als gegen die Wand.“ Allerdings habe man die Zeit genutzt, um die Technik weiterzuentwickeln: „Wir sind gerade dabei, alle unsere Anlagen computergesteuert auf Vollautomatik umzustellen.“ Jetzt ist man mehr als bereit, wieder Gas zu geben. Welledits hat Hoffnung: „Nach jedem Regen scheint die Sonne, nach jedem Krieg gibt es Frieden.“