Ideenwettbewerb am Standort Österreich

Wirtschaftsstandort
11.05.2022

Manche Unternehmen kommen mit einem schwierigen Umfeld besser zurecht als andere – das gilt auch für Österreichs Leitbetriebe. Sie leiden ebenfalls unter hohen Energiepreisen, Fachkräftemangel usw. Doch sie betrachten Krisen als Chance und suchen nach den besten Lösungen.
Ideenwettbewerb Leitbetriebe Austria

Die Pandemie ist zwar noch nicht vorbei, aber das Gröbste dürfte die österreichische Wirtschaft überstanden haben. Jetzt ist es an der Zeit für eine Bestandsaufnahme: Wie geht es dem Standort Österreich, insbesondere angesichts der anderen großen Herausforderungen und Probleme, allen voran der Klimakrise und dem Krieg in der Ukraine? Eines ist schon mal klar: Es dürfte nicht gerade leichter werden, denn die aktuellen Entwicklungen verlangen den Unternehmen weiterhin sehr viel ab. Dabei gibt es Unternehmen, die sich in einem schwierigen Umfeld grundsätzlich leichter tun als andere.

Monica Rintersbacher,  Leitbetriebe Austria
Monica Rintersbacher, Leitbetriebe Austria

Dazu gehören Monica Rintersbacher zufolge auch die österreichischen Leitbetriebe, denen es im Moment recht gut gehe. Die Geschäftsführerin der Plattform Leitbetriebe Austria sagt: „Aktuell sind die Auftragsbücher der österreichischen Leitbetriebe voll, aber auch sie sind natürlich mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie die gesamte Wirtschaft. Energiekosten, Probleme mit Lieferketten und der plötzliche Ausfall ganzer Ländermärkte schaffen sehr schwierige Rahmenbedingungen.“ Allerdings würden sich Leitbetriebe dadurch auszeichnen, dass sie für solche Situationen rasch und flexibel Anpassungsstrategien entwickeln: „Man könnte es auch so sagen: Wenn die Zeiten schwierig sind, trennt sich die Spreu vom Weizen und insofern sehen Leitbetriebe jede Krise auch als längerfris­tige Chance.“ Welche Strategien sie bei der Bewältigung von aktuellen Herausforderungen für andere Unternehmen bereithalten, zeigen einige konkrete Beispiele.

Wenn die Zeiten schwierig sind, trennt sich die Spreu vom Weizen.

Monica Rintersbacher, Leitbetriebe Austria

Wo es brennt
Zu den aktuell schwierigsten Problemen am Standort Österreich gehören die steigenden Energiepreise, so etwa auch für den Leitbetrieb Salesianer Miettex, Österreichs führendem Miettextil-Unternehmen mit Sitz in Wien. Geschäftsführender Gesellschafter Thomas Krautschneider, der das 1916 in Wien gegründete Familienunternehmen in dritter Generation führt, sagt: „Unsere Dienstleistung ist energieaufwendig, daher sind Energieeffizienz und Klimaneutralität schon seit längerer Zeit fixer Bestandteil im Nachhaltigkeitsmanagement.

Thomas Krautschneider SALESIANER
Thomas Krautschneider, SALESIANER

Derzeit gibt es jedoch noch keine technologische Alternative für den Betrieb unserer Dampfkessel, daher ist die Branche von Erdgas abhängig.“ Dennoch hat man Fortschritte beim Thema Energie gemacht. So hat Salesianer Miettex, um Energie zu sparen, ein Energiemanagementsystem installiert und schon 2012, also noch vor In­krafttreten des Energieeffizienzgesetzes, die entsprechende Norm ISO 50001 eingeführt. „Das kommt uns jetzt zugute, denn wir haben uns hohe Ziele gesetzt und durchleuchten regelmäßig den gesamten internen Energieverbrauch“, sagt Krautschneider. Man achte auf die exakte Abstimmung aller Parameter des Waschprozesses: „Durch Optimierung von Chemie, Mechanik, Zeit, Temperatur und Wasserverbrauch verringern wir die Verbräuche und somit Emissionen.“ Darüber hinaus nutzt man die Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser und der Abluft der Maschinen und modernisiert laufend den Maschinenpark: „So konnten wir die wesentlichen Verbrauchsparameter in den letzten 15 Jahren um mehr als 50 Prozent reduzieren.“

Noch mehr Energie einsparen
Zudem deckt das Unternehmen bereits 35 Prozent seines Strombedarfs durch die Kraft der Sonne, indem schon die meisten Dachflächen der Betriebsstandorte mit Photovoltaik-Paneelen ausgestattet wurden. Da laut Krautschneider Energiesparen aktuell wichtiger denn je ist, hat das Unternehmen vor Kurzem auch einen internen Ideenwettbewerb ausgerufen. Dabei sind alle Mitarbeiter eingeladen, in ihrem Umfeld – egal, ob im Wäschereibetrieb, im Büro oder in der Küche – Möglichkeiten zum Energiesparen zu finden. Krautschneider: „Jeder kleine Beitrag hilft uns beim großen Ziel, noch weitere 20 Prozent an Energie einzusparen.“

Markus Fuchsbichler, Christof Holding AG
Markus Fuchsbichler, Christof Holding AG

Auch Markus Fuchsbichler, Geschäftsführer des Leitbetriebs ACE Christof Group, weist auf das Energiekosten-Problem und die fehlende autarke Energieversorgung am Standort Österreich hin: „Der aktuelle Krieg in der Ukraine zeigt, wie bedrohlich so eine Situation für die österreichische Wirtschaft sein kann. Sollte beispielsweise tatsächlich die Gasversorgung aus Russland nicht mehr funktionieren, hätte dies drastische Folgen für jeden Einzelnen von uns.“ Auch das steirische Spezialapparatebauunternehmen beschäftigt sich darum seit Jahren mit Energiesparmaßnahmen und hat hier bereits viele Projekte umgesetzt. Aktuell wird etwa eine Photovoltaikanlage errichtet, die rund die Hälfte des Strombedarfs abdecken wird. Zudem unterstützt ACE Christof Group beispielsweise die Anwendung von Wasserstofftechnologien und das Recycling von Kunststoffen.

Umweltschonende Technologie
Auch beim 1903 gegründeten Leitbetrieb Reiwag setzt man auf Energiesparen, um den Herausforderungen zu begegnen. Das Wiener Facility-Management-Unternehmen, das in dritter Generation vom Geschäftsführer und Eigentümer Viktor Wagner geführt wird, hat etwa in eine zukunftsorientierte Technologie mit hoher Umweltfreundlichkeit investiert und sich mit elf Prozent an Lionsbot in Singapur beteiligt, einem Unternehmen, welches Roboter für die Reinigungsindustrie erzeugt und exportiert.

Viktor Wagner,  Reiwag
Viktor Wagner, Reiwag

So verbraucht etwa ein spezieller Wischroboter von Lionsbot in zehn Stunden nur zehn Liter Wasser. Auch wenn Reiwag seine Strategien findet, verändert der Krieg in der Ukraine laut Viktor Wagner die Lage dennoch auf sehr unangenehme Weise: „Die großen Verlierer sind die Ukraine, Russland und Europa. Denn die Sanktionen treffen nicht nur Russland, sondern im großen Maß Europa, allen voran die Europäische Wirtschaft. Vor allem der gewaltige Preisanstieg durch Energie ist mehr als schädlich für die europäische Wirtschaft.“

Wir orten einen ­akuten Fachkräfte­mangel in vielen ­Branchen.

Viktor Wagner, Reiwag

Mangelware Mitarbeiter
Viele Unternehmen kämpfen am Standort Österreich, insbesondere im produzierenden Sektor, um geeignetes Personal. So erzählt etwa Stefan Chalupnik, Geschäftsführer der im niederösterreichischen Unterwaltersdorf angesiedelten G. Coreth Kunststoffverarbeitungs GmbH, von der Schwierigkeit, Arbeiter zu finden, die länger bleiben: „Wir produzieren 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Immer weniger Österreicher sind bereit, Schichtarbeit zu machen.“ Deshalb greife man auch beim Leitbetrieb Coreth auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurück, aber auch das werde immer schwieriger. Immerhin leben aber 60 bis 70 Prozent der rund 130 Mitarbeiter in einem Umfeld des Werks von zehn Kilometern. Man versucht bei Co­reth, durch interne Ausbildungen eine lange Zugehörigkeit zum Unternehmen zu forcieren. Dennoch kämpft der Betrieb, der das Standort-Areal durch Zukauf vor zwei Jahren um 2,4 Hektar vergrößert hat, mit dem Facharbeiter-Mangel, auch weil aufgrund sehr geringer Margen in der Branche keine großen Sprünge bei den Löhnen möglich sind. Chalupnik regt auch angesichts der Tatsache, dass bereits über der Grenze in Ungarn oder in Bulgarien die Löhne der Arbeiter viel geringer sind, an: „Mein Appell ist, steuerliche Anreize für Unternehmen zu schaffen, Arbeiter einzustellen. Jeglicher Anreiz ist von Vorteil, der hilft, den Standort Österreich als Produktionsland attraktiv zu machen.“ Wichtig dabei wäre, dass Arbeitern netto mehr Geld im Körberl bleibt: „Wenn ich zum Beispiel jemandem eine Prämie zahle, ist die so hoch versteuert, dass er nur einen kleinen Prozentsatz kriegt.“

Standort absichern durch Grund
Die Arbeiter sind auch für Coreth einer der größten Kostenfaktoren, vor allem aufgrund der sehr hohen Lohnnebenkosten in Österreich, wie Chalupnik betont. Dennoch plant er nicht, den Standort zu wechseln oder einen weiteren Standort anderswo zu errichten, unter anderem, weil das logistisch umständlicher wäre.

Roman Chalupnik
Roman Chalupnik

Doch man diskutiere immer wieder darüber, warum man nicht in eines der Nachbarländer abwandere: „Würde ich die Firma in ein förderwürdiges Gebiet versetzen, bekäme ich massive EU-Förderungen.“ Obwohl sich Chalupnik mehr Entlas­tung wünschen würde, ist er grundsätzlich vom Standort Österreich überzeugt: „Wir expandieren stark. Um den Standort in Österreich zu sichern, haben wir versucht, am Betriebs­areal so viel wie möglich an Grund zu bekommen und haben damit den Standort für die nächsten Jahre abgesichert.“

Auch Markus Fuchsbichler von der ACE Christof Group betont, welche große Herausforderung es ist, gute Mitarbeiter zu finden – ein Umstand, der sich durch die Corona-Krise noch massiv verschärft habe: „Viele Mitarbeiter aus dem Ausland sind in ihre Heimat zurückgekehrt und nicht mehr nach Österreich zurückgekommen. Somit fehlen viele Facharbeiter und auch Experten.“ Gerade weil Mitarbeiter erst nach ein bis zwei Jahren im Unternehmen die notwendige Eigenständigkeit und Expertise hätten, strebt man im Unternehmen danach, Mitarbeiter und damit Know-how möglichst lange zu halten. Doch Überstundenzuschläge und Lohnnebenkosten machen das schwierig: „Anstatt über die 30-Stunden-Woche nachzudenken, sollte überlegt werden, wie man der arbeitswilligen Bevölkerung die Möglichkeit gibt, zu vernünftigen Rahmenbedingungen und Besteuerungen arbeiten zu gehen, sodass Arbeitnehmern ein entsprechend wertschätzendes Entgelt übrig bleibt.“ Fuchsbichler appelliert an die Politik, den Faktor Arbeit schnellst- und bestmöglich zu entlasten. Immerhin: Indem man die eigene Attraktivität als Arbeitgeber laufend verbessere, u. a. mithilfe regelmäßiger Mitarbeiterbefragung und sehr interessanten und abwechslungsreichen Tätigkeiten, gelinge es „auch jetzt in der sehr anspruchsvollen Zeit, neue gute Mitarbeiter zu finden“. Die Statistik zeige, dass Mitarbeiter langjährig im Unternehmen verbleiben: „Auf diesen Umstand sind wir besonders stolz.“
Auch Viktor Wagner, Geschäftsführer von Reiwag, ortet einen akuten Fachkräftemangel in vielen Branchen. Reiwag selbst sucht beispielsweise aktuell Techniker im Bereich Heizung-, Klima-, Lüftung- und Kältetechnik, um das Team zu verstärken. Da man bei Reiwag laut Wagner die Bildung als das „wirksamste Mittel zur Lebensqualitätsverbesserung, sowohl für jeden Einzelnen als auch für Österreich“ betrachtet, hat das Unternehmen 2021 die Reiwag Foundation gegründet, bei der studierende Kinder von Mitarbeitern eine Förderung erhalten: Nach Vorweis der Studienunterlagen ihrer Kinder erhalten die betroffenen Mitarbeiter eine einmalige steuerfreie Förderung in der Höhe von 1.000 Euro.

Wettbewerbsfähig auch in Zukunft
Felicitas Kohler, Geschäftsführerin des Leitbetriebs Planlicht aus Tirol, beurteilt den Standort Österreich in Summe gut, „allerdings muss es uns gelingen, dass wir auch zukünftig wettbewerbsfähig bleiben und uns auf die zukunftsweisenden Themen und Herausforderungen konzentrieren.“ Die größten Herausforderungen sind aus ihrer Sicht die Preissituation, das Personal und die Themen Werte sowie Nachhaltigkeit. Speziell im Bereich Personal bemerkt Kohler die größte Veränderung im Wertesys­tem: „Hier lernen wir tagtäglich dazu und entwickeln Strategien für die neuen Gegebenheiten. Speziell im Bereich Arbeitszeitmodelle sind wir offen für Neues.“ Das Thema Nachhaltigkeit spiegle sich aktuell in jedem Bereich wider: „Hier sind wir als mittelständisches Unternehmen jetzt schon recht gut aufgestellt. Wir überdenken kontinuierlich jegliche Prozesse und Abläufe, um das Thema Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen weiterzuentwickeln.“

Felicitas Kohler,  Planlicht
Felicitas Kohler, Planlicht

Aus Sicht der Geschäftsführerin der Leitbetriebe Austria, Monica Rintersbacher, bieten nur wenige Staaten als Wirtschaftsstandort ein ähnlich attraktives Gesamtpaket wie Österreich: „Die vielen Pluspunkte wie eine ausgezeichnet funktionierende Infrastruktur, Rechtssicherheit, Zugehörigkeit zur EU, der soziale Friede, ein bei allen Problemen im Detail insgesamt sehr beachtliches Qualifikationsniveau der Mitarbeiter, eine hohe Inlandskaufkraft, die Attraktivität des Landes für höchstqualifizierte Expats und vieles mehr gleichen Nachteile wie doch sehr hohe Lohn- und vor allem Lohnnebenkosten locker aus.“ All das manifestiere sich auch in der Leitbetriebe-Initiative „Made in Austria – neu denken“, mit der die Leitbetriebe Austria heimische Wertschöpfung, Versorgungssicherheit und Mitarbeiterqualifikation in die Öffentlichkeit rücken.

Wir müssen uns auf zukunftsweisende Themen konzentrieren.

Felicitas Kohler, Planlicht

Zu den wichtigsten Herausforderungen gehören für die Leitbetriebe laut Rintersbacher die weitere Digitalisierung und die Notwendigkeit, langfristig ausreichend viele exzellente und motivierte Mitarbeiter zu gewinnen – beide Herausforderungen würden offensiv angegangen: „Leitbetriebe schauen nicht fasziniert aufs Silicon Valley und staunen, wie dort die Welt verändert wird, sondern sie formen aus neuen technischen Möglichkeiten eigene Innovationen, Digitalisierung und damit Effizienzsteigerung in den Produktionsabläufen und im Vertrieb sowie neue Produkte und Dienstleistungen.“ Und sie betrachten Mitarbeiterbindung und -qualifikation als „Gesamtkunstwerk“. So würden innovative Arbeitszeit- und Arbeitsorganisationsmodelle, Familienfreundlichkeit, Aus- und Weiterbildungsangebote, Kooperationen mit Schulen und Universitäten, attraktive Gestaltung der Arbeitsplätze und vieles mehr dazu beitragen, dass Unternehmen die Mitarbeiter finden und halten, die sie brauchen. Und auch wenn sie sich wünschen würde, dass sich öffentliche Bildungseinrichtungen etwas offensiver und innovativer der aktuellen Qualifikationserfordernisse annehmen würden, resümiert Rintersbacher: „In dieser Hinsicht kann ich ohne Einschränkungen sagen, dass die Leitbetriebe echte Trendsetter sind und hier vorbildliche Lösungen umsetzen.“