Ende des Bargeldes

Das neue Geld

Geld & Finanzen
12.09.2022

 
Weltweit wird aktuell an digitalem Zentralbankgeld getüftelt. Von Brasilien bis Indien, von Japan bis in die Europäische Union sollen die digitalen Geschwister von Banknoten und Münzen in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Ein Blick aus der Gegenwart nach vorne.
Duch den digitalen Euro soll mobiles Zahlen noch einfacher werden

Das Kürzel CBDC, oder ausgeschrieben Central Bank Digital Currency, sollte man sich wohl einprägen. Es geht dabei um Geld, aber nicht in dem Sinne, wie man es kennt. Diese Art der Digitalwährung hat auch wenig zu tun mit Bitcoin, Ethereum oder anderen Kryptowährungen. Denn sie sind weder unabhängig, noch kann man anonym damit handeln. Sie werden nämlich von den Zentralbanken entwickelt, herausgegeben und sind an die jeweiligen Kurse des Fiat-Gelds gebunden. Wie vieles wird auch das Geld in Zukunft einer digitalen Transformation oder zumindest einer digitalen Erweiterung unterzogen werden. Das erkannte man in China früh und begann schon Mitte der 2010er-Jahre mit der Entwicklung eines digitalen Renminbi (Yuan), kurz e-CNY. Seit Frühjahr 2020 wird die Digitalwährung von der People’s Bank of China ausgegeben und mit den Olympischen Spielen in Peking dieses Jahr im Februar startete man richtig durch. Laut „The Economist“ sind es bereits 260 Millionen Chinesen, die die Währung nutzen. Bei einer Gesamtbevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen handelt es sich immerhin schon jetzt um 20 Prozent der Bevölkerung. In China hängt die Nutzung dieses Zahlungsmittels mit dem Social Credit System in dem totalitären Staat zusammen. Denn nun können die Behörden die Bevölkerung noch besser überwachen. Bei positivem Verhalten belohnen oder bei Ungehorsam bestrafen. Neben China haben auch andere Länder bereits Erfahrungen mit Digitalwährungen gesammelt. In Japan und Schweden werden gerade Testläufe durchgeführt, in Jamaika soll dieses Jahr ein jamaikanischer Digitaldollar eingeführt werden, auf den Bahamas lässt sich bereits mit dem „Digital Bahamian Dollar“ zahlen und auch die Bürger von Nigeria können, anstatt zu Scheinen und Münzen zu greifen, nun mit dem „eNeira“ Geschäfte abwickeln.

Bargeldloses Schweden
Auch in der Europäischen Union ist man mittlerweile dabei, sich einer digitalen Ver­sion des Euros anzunähern. Aktuell wird in 19 von 27 Mitgliedstaaten mit dem Euro bezahlt. Kroatien folgt als zwanzigstes Land kommendes Jahr. Seit mehr als 20 Jahren werden Scheine und Münzen der Gemeinschaftswährung ausgegeben, und in Zukunft soll es den Bürgerinnen und Bürgern zusätzlich möglich sein, den Euro in einer digitalen Variante verwenden zu können. Aber weshalb braucht es einen digitalen Euro, wenn man auch jetzt schon bargeldlos zahlen kann? „Es handelt sich um Zentralbankgeld ohne Ausfallsrisiko. Der digitale Euro soll auch offline funktionieren, das heißt, wenn keine Internetverbindung besteht, und analog zu Bargeld Peer-to-Peer-Überweisungen von Person zu Person ohne dazwischengeschaltete Bank erlauben“, sagt Professor Alfred Taudes im Gespräch mit die wirtschaft. Taudes leitet das Forschungsinstitut für Kryptoökonomie an der WU Wien. Aktuell befindet sich eine mögliche Einführung des Digitalgelds in der Evaluierungsphase. Doch die Österreicher sind eher Fans von Scheinen und Münzen und nur bedingt von Digitalzahlungen, wie eine Umfrage der Nationalbank ergeben hat. Junge Menschen zwischen 18 und 33 Jahren greifen allerdings regelmäßig zur Karte oder zum Smartphone. Hier sind es 77 Prozent, die solche Zahlungsmethoden mehrmals die Woche verwenden. Bei der Generation 50 plus  ist rund die Hälfte digital unterwegs. Ganz anders sieht es in Schweden aus, dort setzten die Menschen fast nur mehr auf das bargeldlose Zahlen. Eine vom schwedischen Handelsrat beauftrage Studie geht davon aus, dass es sich mit Bargeldzahlungen im März 2023 wohl erledigt hat. Denn ab dann zahlt es sich für Händler nicht mehr aus, analoges Geld entgegenzunehmen.

Alfred Taudes,  WU Wien
Alfred Taudes, WU Wien

Wenig Informationen, wenig Interesse
Der digitale Euro wirft natürlich so manche Frage auf. So haben beispielsweise nicht alle Menschen das neueste Smartphone zur Hand. „Eine einfache Zahlungsfunktion lässt sich auch auf Low-End-Geräten realisieren, und ich gehe davon aus, dass die Zentralbanken im Sinn einer möglichst breiten Akzeptanz auf derartige Anforderungen Rücksicht nehmen werden“, meint Taudes. Weiters sind es viele Datenschutzfragen, die zu klären sind. Denn wie bereits erwähnt, kann eine digitale Währung auch zur Überwachung der Bürger dienen, wie man am Beispiel von China sehen kann. Der digitale Euro soll mit Datensparsamkeit auskommen, wie es die Datenschutzvorgabe der EU regelt. Nicht mehr Nutzerdaten als notwendig sollen erfasst werden. Doch gleichzeitig will man mit dem digitalen Euro auch die Geldwäschebekämpfung vorantreiben, wie aus einer anderen Vorgabe herausgeht. „Überlegt werden Betragsgrenzen, unter denen anonym überwiesen werden kann. Es gibt auch Vorschläge, bei denen Verschlüsselungstechniken zum Einsatz kommen, die nur im Fall von begründeten Verdachtsmomenten ausgewählten Stellen den Zugriff ermöglichen sollen“, so Taudes von der WU.  Bis Juni forderte die EU ihre Bürger auf, die Meinungen zum digitalen Euro kundzutun. Doch das Interesse an dem neuen Geld ist aktuell noch sehr gering. Nur etwas über 16.000 Menschen bei einer EU-Bevölkerung von 447 Millionen äußerten sich auf der von der EU-Kommission eingerichteten Internetseite. Das sind 0,004 Prozent. Vonseiten der EU sieht man ein Problem bei den nationalen Institutionen und den Medien. Zu wenige Informationen werden an die Bevölkerung weitergegeben, so die Überzeugung. Doch auch in Brüssel wird zu wenig unternommen, um das Vorhaben nach außen zu tragen und das Interesse der Bürger zu wecken. Eine große Kampagne zur Bekanntgabe hat es nie gegeben.

Überlegt werden Betragsgrenzen, unter denen anonym überwiesen werden kann.

Alfred Taudes, WU Wien

Bürgernah, sicher und bequem?
Sollte es nach der Testphase und der darauffolgenden Evaluierung mit der Entwicklung der Digitalwährung weitergehen, dann könnte diese laut Plan ab dem Jahr 2026 von den EU-Bürgern genutzt werden. Dazu sollen alle Menschen eine „Wallet“ bekommen, die auf dem Handy oder auf dem PC funktioniert. Maximal 3.000 Euro sollen in der digitalen Geldbörse gespeichert werden können. Das Geld kann man dann entweder ganz regulär an der Supermarktkasse oder auch bei Internet-Shopping verwenden. Die EU betont ebenfalls gerne die Vorteile des digitalen Euros gegenüber Stablecoins wie Bitcoin oder Krypto-Assets. Da es sich um Zentralbankgeld handelt und dadurch den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird. „Ganz gleich, in welcher Form digitale Zentralbankwährungen eingeführt werden, sie werden auf absehbare Zeit bloß eine zusätzliche Ergänzung zum bisherigen Angebot darstellen und Bargeld nicht verdrängen“, sagt Peter Klopf, Pressesprecher der Erste Group auf Anfrage. Aktuell ist es noch schwer abzusehen, wie sich das neue Geld entwickeln wird und wie die Menschen darauf anspringen. Bei den jüngeren, technikaffineren Gruppen in Österreich und Europa ist die Chance, dass diese zukünftig kein Bargeld mehr verwenden, deutlich größer als bei den fortgeschritteneren Semestern. „Ich gehe bei den Jüngeren von einer Verschiebung in Richtung digitalem Euro aus. Ob es in 15 oder 20 Jahren noch Bargeld geben wird, wird entscheidend davon abhängen, wie bürgernah, sicher und bequem der digitale Euro ausgestaltet wird“, sagt Taudes. Bei der Erste Group will man weiterhin auf die Wünsche der Kundinnen und Kunden eingehen, unabhängig davon, ob die Zukunft digital oder analog ist. „Unsere Haltung zum Bargeld ist und bleibt unverändert: wir werden unseren Kunden alle Formen des Bezahlens – ob digital oder bar – ermöglichen, soweit und solange sie diese Form nachfragen“, meint Klopf. Doch jetzt muss der digitale Euro erst noch die Testphase und die darauffolgende Evaluierung bestehen. Danach würde es wohl eine Pilotphase geben. Die Zentralbank der Niederlande hat bereits Interesse an einer solchen bekundet und sieht das Land als geeignet dafür an. Ob der Zeitplan mit 2026 halten wird, lässt sich aktuell noch nicht sagen, denn es benötigt für die Einführung des digitalen Euros auch noch eine Änderung in der Gesetzgebung. Wer also kein Bargeld mehr in die Hand nehmen will, muss vorerst mit den gewohnten digitalen Zahlungsmethoden auskommen