Fachkräftemangel

Am Ende zählen die Menschen

Fachkräftemangel
15.02.2022

 
In der Softwarebranche tobt der War for ­Talents so hart wie nie zuvor. Mit welchen Ansätzen ihn das Linzer Softwareunternehmen Fabasoft gewinnen will und warum Homeoffice nicht die beste Lösung ist, erklärt Firmengründer Helmut Fallmann.
War for Talents

Am Ende zählen die Menschen und ihre Kreativität – auch und vor allem in der IT-Industrie. Wobei Industrie der falsche Ausdruck ist, zumindest mit Blick auf das österreichische Softwareunternehmen Fabasoft, das sich im Lauf der vergangenen 33 Jahre zu einem mehr als respektablen Player im Softwaremarkt entwickelt hat. Das Unternehmen mit Sitz in Linz, das seit 1999 auch an der Börse notiert, bezeichnet sich selbst als Software-Manufaktur. Ein Unternehmen, das seinen Kunden nicht nach dem Motto „Schmeck’s“ vorgefertigte Lösungen liefert und sie dann im Regen stehen lässt. Im Gegenteil – bei Fabasoft erhebt man den Anspruch, laufend die besten Lösungen für seine Kunden zu entwickeln und weiterzuentwickeln. Und das geht nur in Handarbeit, deshalb auch der Begriff „Software-Manufaktur“.

Helmut Fallman und Leopold Bauernfeind.

Womit wir auch schon mitten im Geschehen sind. Faba­soft zählt zu jenen österreichischen Unternehmen, die für Forschung und Entwicklung beziehungsweise Weiterentwicklung viel Geld in die Hand nehmen. Rund 25 Prozent des jährlichen Umsatzes fließen in F&E. Warum das so ist, erklärt Vorstand Helmut Fallmann, der das Unternehmen 1988 gemeinsam mit Leopold Bauernfeind gegründet hat, folgendermaßen: „Die IT-Entwicklerbranche ist sehr kompetitiv – rund um das Thema Digitalisierung herrscht ein reger Wettbewerb lokaler und globaler Spieler. Wir sehen unsere Stärken in der Fokussierung auf Lösungssegmente, wo wir nicht nur technisch, sondern auch durch inhaltliche Kompetenz punkten. Daher forcieren wir den Bereich F&E sehr stark, denn Kern unseres Erfolges sind unsere Standard-Produkte, die von talentierten und ausgezeichnet ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Österreich erdacht und realisiert werden.“

War for Talents

Talentierte und ausgezeichnet ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind allerdings echte „Mangelware“ in Österreich. Rund 24.000 Fachkräfte sollen der IT-Branche fehlen, was dem Standort Österreich laut einer Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts 3,4 Milliarden Euro an Wertschöpfung kostet. In kaum einem anderen EU-Land würden so viele Computerspezialisten fehlen wie hierzulande, klagte etwa Alfred Harl, Obmann der Fachgruppe Ubit, bereits im Vorjahr.
Durchsetzen kann sich in diesem „War for Talents“ nur, wer mehr bietet als bloß eine gute Bezahlung. Das weiß man nicht nur im Silicon Valley, sondern schon lange auch in Linz. Mitarbeiter werden dort nicht als Humankapital betrachtet, sondern als Menschen mit unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen, die es zu umwerben und zu halten gilt. Das kommt an, wie die zahlreichen Bewertungen des Unternehmens auf der Bewertungsplattform kununu.com zeigen. „Viele Benefits, familiärer, aber dennoch professioneller Umgang miteinander, private Umstände werden berücksichtigt, und es wird für alles eine Lösung gefunden“, schreibt ein Mitarbeiter aus der IT-Abteilung im Sommer 2020. Eine andere kommentiert im Oktober 2021: „Flexible Arbeitszeiten, Frühstück, sehr spannende Aufgaben, gute Möglichkeiten auch für Anfänger und Quereinsteiger, hilfsbereite und aufgeschlossene Kollegen.“
Tatsächlich bietet Fabasoft nicht nur das eben erwähnte gemeinsame Frühstück, Gratis-Erfrischungen, kostenlose Tiefgaragenplätze oder eine großzügige Unterstützung bei der Anschaffung des Klimatickets für Österreich. Auch gemeinsame Events wie Kinobesuche oder Grilldonnerstage im Sommer mit einem gemeinsamen Mittagessen über den Dächern von Linz gehören zum Benefit-Programm, von dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in anderen Unternehmen nur zu träumen wagen. Den „War for Talents“, den auch sein Unternehmen ausfechten muss, kommentiert Helmut Fallmann so: „Generell ist der Markt für IT-Fachkräfte eng. Faba­soft investiert daher strategisch in ihre Attraktivität als Arbeitgeberin und legt Wert darauf, als aufmerksamkeitsstarke Marke bei Bildungsstätten sowie Absolventinnen und Absolventen wahrgenommen zu werden. Am Standort Linz betreiben wir seit Jänner 2021 ‚FABIs Kindernest‘, eine moderne Kinderbetreuungseinrichtung, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.“
Auch was die Rekrutierung der notwendigen Experten betrifft, die letztendlich wohl über den Erfolg von Unternehmen wie Fabasoft entscheidet, gehen die Linzer neue Wege. So wollte das Unternehmen im Nahbereich der neuen Technischen Universität für Digitalisierung und digitale Transformation, die am Standort der Johannes-Kepler-Universität errichtet wird, einen neuen Firmencampus bauen. Helmut Fallmann, selbst Absolvent der JKU, zur Fabasoft-Strategie: „Der Kontakt zu Studierenden und Lehrpersonal ist uns sehr wichtig, weil wir den Wettbewerb in der kurzlebigen Softwarebranche nur mit überdurchschnittlichen Talenten und Leistungsträgern bestehen können. Umfragen bestätigen, dass die Attraktivität eines Universitätsstandortes hoch ist, wenn es im Umfeld einen großen Austausch mit der Wirtschaft gibt. Deshalb siedeln Vorbilder wie die RWTH Aachen Unternehmen rund um ihren Campus an. Da wir auch Verfechter echten Unternehmertums sind und universitäre Spin-offs dafür oft eine Grundlage bilden, suchen wir die Nähe zur neuen Digitaluniversität Linz.“ Der Fabasoft-Ansiedelungsversuch hat in der Linzer Kommunalpolitik schon Anfang 2020 für einige Aufregung gesorgt. Vor allem deshalb, weil dazu ein Grundstück umgewidmet hätte werden müssen. Was nicht unbedingt von allen Kommunalpolitikern goutiert wurde.

HomeOffice nicht die beste Lösung

Auch abseits der Diskussion rund um die Umwidmung von Grundstücken entzieht sich das Unternehmen dem Mainstream der gerade opportunen Meinung. So erklärte Fabasoft etwa im Geschäftsbericht 2020/2021 dass man nicht der Meinung sei, dass Homeoffice die beste Lösung für das eigene Unternehmen sei. Klingt seltsam für ein Unternehmen, das mit Digitalisierung sein Geld verdient. Doch Helmut Fallmann erklärt: „Unsere Erfahrungen aus den Monaten mit Lockdowns und Homeoffice-Phasen haben deutlich gezeigt, dass die Leistungserbringung für unsere Kunden via Videokonferenz und die Abwicklung von Standardprozessen auch funktionieren, aber der persönliche Austausch dennoch eine wichtige Rolle spielt. Die spontane Interaktion ist eingeschränkt, die volle Bandbreite menschlicher Kommunikation, verbal und nonverbal, steht nicht zur Verfügung – und kreative Ideen entstehen meist durch Teamgeist und persönlichen Ideenaustausch zwischen Menschen.“ Ein Satz zum Merken. Womit wir wieder am Beginn wären: „Am Ende zählen die Menschen“ – das wahrscheinlich größte Erfolgsgeheimnis der Fabasoft, die zwischen 2019 und 2021 – trotz Pandemie – ihren Umsatz von 40,28 auf 55,09 Millio­nen Euro steigern konnte. Übrigens: Derzeit sucht das Unternehmen, das aktuell 329 Menschen beschäftigt, 50 neue Mitarbeiter.