Agilität neu denken

Buchtipp
17.02.2023

 
Autor Klaus Leopold ist Unternehmensberater und Mitbegründer der WIP Societies in Österreich und der Schweiz. Mit seinem aktuellen Buch spricht er Unternehmen an, die in Sachen Agilität bereits Rückschläge erlebt haben.

„Agilität neu denken“ von Klaus Leopold
„Agilität neu denken“ von Klaus Leopold

Über Agilität haben wir schon einiges gelesen, doch dieses Buch ist erfrischend anders. Erstens, es adressiert KMU-Kapitäninnen und -Kapitäne, die sich längst mit dem Thema beschäftigt haben und ein wenig ernüchtert sind – und die trotzdem nicht aufgeben. Zweitens, Autor und Unternehmensberater Klaus Leopold theoretisiert nicht herum, er packt die Sache praktisch an.
Die Ausgangssituation: Ein Unternehmen will im Alleingang seine IT agil machen, scheitert und engagiert Leopold zur Rettung. Der streut erst mal anerkennende Rosen. Was sein Kunde nicht alles richtig gemacht hat: ein Tagestraining aufgesetzt, in dem alle IT-Mitarbeitenden ein „agiles Mindset“ eingepflanzt bekamen, und einen Marktplatz, auf dem die Teamleads um ihre künftigen Leute buhlten (klug, weil nicht das Management einteilte). Dazu genügend Coaches für die Führungskräfte.
Ein Jahr später sind zwar alle „voll transformiert“. Doch ach, der Output, gemessen an der Time-to-Market, der Zeit bis zu Auslieferungsreife, ist unverändert mau. Leopold, hilf uns!
Auftritt: der Retter. Er diagnostiziert messerscharf, dass zwar die IT agil arbeitet, das Management sich aber kein bisschen bewegt hat.
Konkret: dass es immer noch in Jahreszyklen plant statt bedarfsbezogen, langatmige Genehmigungsrituale pflegt, statt schnell zu entscheiden, sich in Detailplanungen verrennt, statt prototypisieren zu lassen. Und die Todsünde überhaupt: Das Unternehmen kreist immer noch nicht planetengleich um die alles erhellende Sonne, den Kunden.
Unter der Anleitung von Retter Leopold schießen sich vom Management bis zur Buchhaltung alle auf die Time-to-Market als oberstes Ziel ein (nicht: Jeder hat ein anderes). Sie lernen, ihre Schritte Kanban-artig zu visualisieren, kreuz und quer miteinander zu reden und Fortschritte mit wenigen, aber aussagekräftigen Metriken zu messen. Kernbotschaft: Agil arbeiten alle oder keiner.

Piloten, Tower und ­Flughöhen
Derweil brechen die braven ITler unter zu viel Arbeit zusammen. Agil heißt schneller, so die gängige Meinung, also könnten doch die ITler mehr schupfen als zuvor, oder? Leopold präsentiert eine so interessante wie bildhafte Lösung: Er führt „Flight Levels“ ein. Weil es doch so ist: Ein Pilot, der hoch oben in den Wolken fliegt, sieht weit in die Ferne, aber nichts am Boden. Andere Piloten, die tief fliegen, sehen jedes Detail am Boden, haben aber wenig Weitblick. Und alle koordiniert der Tower. Schöne Metapher, die Leopold hier auf das Unternehmen überträgt. Der hochfliegende Pilot ist, nein, nicht notwendigerweise die Geschäftsleitung, sondern das strategische Portfoliomanagement. Es bricht die großen Ziele der Geschäftsleitung (hier die schnellere Time-to-Market) auf konkrete Projekte herunter. In Leopolds Diktion ist das Flight Level 3. Der Tower vulgo Flight Level 2 übersetzt sie in verdauliche Arbeitshäppchen. Gerade so viel, wie die bodennahen Piloten, die operativen Ebenen auf Flight Level 1, abarbeiten können. Der Rest wird vor der Tür geparkt, bis der jeweilige Bereich Kapazität dafür frei hat.
Diese Idee eines „Vermittlers“ zwischen den Welten ist einen Blick wert. Leopolds Flughöhen-Konzept ist natürlich elaborierter. Kurz deutet er neue Begriffe an, Topologien und Flugrouten etwa, dann verweist er blitzschnell auf sein nächstes Buch, das man sich bitte gleich besorgen sollte. Wenn das nicht smart ist!

Die Autorin

Andrea Lehky hat sich als „PRESSE“-Redakteurin über viele Jahre eine tiefe Expertise in den Bereichen Management & Karriere erarbeitet. Heute arbeitet sie als freie Journalistin in Wien.