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Mitarbeiterführung
17.02.2023

Von Montag bis Freitag ganztags im Büro arbeiten, das war einmal. Pandemie und Digitalisierung haben dem Homeoffice endgültig zum Durchbruch verholfen. Doch wie schaffen Arbeitgeber jetzt optimale Rahmenbedingungen für hybride Arbeitskonzepte? Ein Überblick.
BüroKultur

Die Zeit, in der völlig klar war, wo sich Angestellte an Arbeitstagen befinden, ist eigentlich noch nicht besonders lange her. Und doch ist die tägliche Anwesenheitspflicht in der Firma für viele Menschen mittlerweile so weit weg wie die Ära, bevor es Smartphones gab. So skeptisch viele Arbeitgeber und Führungskräfte auch waren: Zahllose Studien und vor allem die Realität der letzten zwei Jahre haben bewiesen, dass Arbeiten von zu Hause ohne große Produktivitätsverluste funktioniert. Jetzt, da Corona seinen Schrecken verloren hat, stellt sich allerdings in vielen Betrieben die berechtigte Frage: Wie sollen wir weitermachen? Denn vielfach sind nach wie vor Arbeitsplätze für alle Angestellten vorhanden. Wenn nun ein wesentlicher Teil der Mitarbeiter nicht mehr täglich in die Firma kommt, liegt es nur nahe, Flächen und damit Mietkosten zu reduzieren. Wer sich nicht verkleinern will oder kann, kommt ebenfalls ins Grübeln. Wirken doch halb leere Büros mitunter ein wenig gespenstisch. Die vorhandenen Räume könnten nun natürlich auch anders genutzt werden. Doch an genau dieser Stelle müssen Unternehmen ins Eingemachte gehen. Denn hier stellt sich die Frage: Wie wollen wir arbeiten? Wer soll mit wem kollaborieren? Welche Atmosphäre will das Office vermitteln? Und noch wichtiger: Wie viel Vertrauen bringen wir unserer Belegschaft wirklich entgegen?  
Bevor es in die philosophischen Untiefen von Purpose, Mission und sichtbarer Gestaltung geht, tun Unternehmen gut daran, ein paar Fakten zu prüfen.

Größer, kleiner, gleich: Wie viel Raum vonnöten ist
Benötigt ein Unternehmen, dass beispielsweise auf 50 % Homeoffice setzt, wirklich weniger Fläche? Die Antwort des Arbeitsweltenexperten Andreas Gnesda lautet eindeutig: Ja. Doch sollten Unternehmen die Situation detaillierter betrachten. „Wenn 50 % Homeoffice bedeutet, dass Mitarbeiter bis zu 50 % ihrer Arbeitszeit im Home­office verbringen können, werden die Flächen um bis zu 50 % weniger genutzt. Das wären dann 2,5 Tage pro Woche“, rechnet Gnesda vor. Dieser Anteil entspricht übrigens exakt dem aktuellen Trend. Da sich die 50 % Abwesenheit auf unterschiedliche Tage verteilen, ist Sharing laut dem Experten im Office die logische Konsequenz. Und sie
muss logischerweise zu ­einer Flächenreduktion führen.
Wer sich nun freut, dass er Flächen reduzieren kann, sollte sich davor bewusst machen, dass sich vielleicht gerade eine optimale Chance bietet, um das Office gewaltig aufzuwerten. Um es an die neuen Bedürfnisse der Zusammenarbeit anzupassen und so einen Ort zu schaffen, an dem die Angestellten wirklich gerne arbeiten. Die zentrale Frage lautet in unzähligen Betrieben tatsächlich gerade, was sie tun können, damit die Belegschaft wieder ins Büro zurückkommt. Genau hier kommt wieder die Unternehmenskultur ins Spiel. „Unsere Büros können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, wenn sie ein Ort der Begegnung sind“, bekräftigt Andreas Gnesda. Der Dreh- und Angelpunkt dafür sind einladende, gut ausgestattete Kollaborationszonen und Räume für Kommunikation. Legebatterien und Großraumbüros müssen hochqualitativen Flächen weichen, die individuellen Nutzerbedürfnissen entgegenkommen. In der Büro-Flächenbilanz verschiebt sich dadurch das Verhältnis von Schreibtischen zu Kommunikations- und Kollaborationsflächen. Auch bei reduzierter Gesamtfläche. In naher Zukunft werden entsprechende Konzepte wohl auch schlüsselfertig von sogenannten Providern angeboten werden. „Es wird eine Zeit kommen, da werden auch von großen Unternehmen nicht mehr Flächen nachgefragt werden, sondern funktionierende Biotope, in denen Provider fix und fertig gestaltete und eingerichtete, flexible Büros mit einem skalierbaren Paket an Services wie Empfang, Event, Catering, zugeschnitten auf die individuellen Bedürfnisse der Organisation, anbieten werden“, ist sich Andreas Gnesda sicher.
Doch bis es so weit ist, gilt: Eine schicke Kaffeeküche, Zonen, um zu brainstormen, oder der unvermeidliche Wuzler alleine bringen Angestellte leider noch nicht wieder ins Büro zurück.

Das Miteinander gezielt fördern
Vielmehr sind Unternehmen in dezentralen Arbeitswelten gefordert, Zusammenhalt, Verbindung und Verbundenheit zu fördern. Gelingen kann das über organisatorische Maßnahmen, die persönliche Begegnungen fördern. Das können Events und neue Formate genauso sein wie vereinbarte Anwesenheitstage. Egal, was ein Unternehmen konkret tut, die Gestaltung sollte einem klaren Konzept folgen, das die Werte des Unternehmens widerspiegelt. Denn die Kultur einer Firma kann und sollte sich eindeutig im Office-Konzept manifestieren.

Mein Credo lautet:
Büro ist ­gebaute Kultur.

Andreas Gnesda, Arbeitswelten-Experte

„Mein Credo lautet: Büro ist gebaute Kultur“, bringt es Andreas Gnesda auf den Punkt. Kultur drückt sich seiner Ansicht nach auf zwei Arten aus: durch Verhalten und durch Architektur. Womit das Büro auch einen wesentlichen Beitrag zur Veränderung eines Unternehmens leisten kann. Doch aufgepasst: Kultur-Transformation findet im Unterbewusstsein der Menschen statt. Büro lässt sich somit gut als Anlass zur Veränderung nützen, ein solches Projekt muss aber mit entsprechenden Change-Maßnahmen begleitet werden. „Damit sind echte Transformationsinterventionen gemeint und nicht nur Informationen über New Work“, stellt Gnesda klar.
Unternehmen sollten sich also nicht dem Irrglauben hingeben, dass sie Kulturveränderung mit einem neuen Büro kaufen könnten. Denn: Raum leistet einen Beitrag, die Veränderung findet aber in den Menschen statt.
So weit, so komplex. Zudem empfiehlt es sich dringend, bei der Gestaltung von Arbeitsräumen maximale Mitbestimmung der Angestellten zu gewährleisten. So aufwendig und zeitintensiv das auch sein mag. Und es wird aufwendig – da sollte man sich nichts vormachen.
Doch es lohnt sich. Wenn gemeinsam gestaltet wurde, werden die neuen Konzepte und Lösungen auch vom gesamten Team mitgetragen. Ein Aspekt, den Unternehmerinnen und Unternehmer darüber hinaus nicht aus dem Blick verlieren sollten, ist die Frage ihrer Attraktivität als Arbeitgeber. Nicht nur die bestehende Mannschaft muss sich mit der Arbeitssituation wohlfühlen. In Zeiten, in denen der Mangel an Arbeitskräften in vielen Branchen für blanke Verzweiflung sorgt, tun Firmen gut daran, auch potenziellen Angestellten attraktive Arbeitsräume und höchste Flexibilität zu bieten.

Homeoffice als Muss
Konkretes Zahlenwerk, wie wichtig den Menschen die Möglichkeit von Homeoffice heute ist und was sie daran so schätzen, hat gerade erst eine repräsentative Umfrage von Raiffeisen Immobilien geliefert.
Die wichtigste Erkenntnis: Mehr als drei Viertel der Befragten möchten auch nach dem Ende der Pandemie zumindest zeitweise im Homeoffice arbeiten. Wer nun denkt, dass dieser Wunsch vor allem von den Millennials getragen wird, der irrt. In der Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen wünschen sich das „nur“ 72 %. Mit 85 % finden sich die größten Homeoffice-Fans unter den 31- bis 40-Jährigen. Weniger beliebt ist Homeoffice bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zwischen 51 und 65. Hier gaben nur 68 % der Befragten an, auch in Zukunft Homeoffice machen zu wollen. Unter den Bundesländern sind Niederösterreicher und Burgenländer besonders Homeoffice-affin, hier haben 82 % der Befragten Gefallen daran gefunden.
Auf die Frage „Was schätzen Sie am Homeoffice am meisten?“ nannte die Mehrheit den Wegfall der Fahrt zur und von der Arbeit als größten Vorteil, gefolgt von der freien Zeiteinteilung und der Möglichkeit, länger zu schlafen. Sich diesen Bedürfnissen zu verschließen hieße Angestellte und potenzielle Mitarbeiter zu verscheuchen. Vielmehr ergibt es Sinn, sie auch bei der Gestaltung ihres Homeoffice zu unterstützen. Wenn die Arbeit im Office, im Homeoffice und an sogenannten Third Places funktionieren soll, müssen die räumlichen, ergonomischen und organisatorischen Rahmenbedingungen überall optimal gestaltet sein. Denn dann rücken wieder die Inhalte der Arbeit ins Zentrum.

Sechs Tipps: So gelingt hybride Arbeit

1. In Technik investieren: Schlechter Ton, verschwommenes Bild und mühsame Software gehören zu den Dingen, die das digitale Zusammenarbeiten massiv erschweren. Mit hochwertigen Tools gelingen Meetings auch von zu Hause aus perfekt. Natürlich sollten Tisch und Bürostuhl ebenfalls ganzen Arbeitstagen Genüge leisten.
2. Klare Ansagen machen: Nicht alle Angestellten können immer von überall aus arbeiten. Persönliche Treffen sind wichtig und in gewissen Fällen auch produktiver. Arbeitgeber sollten die Rahmenbedingungen und die Anforderungen an An- und Abwesenheiten deswegen möglichst klar definieren.
3. Den Teamgeist fördern: In einer remoten­ ­Arbeitsumgebung ist der zwischenmenschliche Austausch eingeschränkt. Um das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken, eignen sich regelmäßige Veranstaltungen, aber auch gemeinsame Freizeitaktivitäten besonders gut.
4. Vertrauen aufbringen: Damit hybride Arbeitskonzepte friktionsfrei funktionieren, braucht es ein gewisses Umdenken. Nicht mehr die Anwesenheit, sondern die Leistung rückt in den Vordergrund. Wie und wann sie erbracht wird, liegt nun stärker in der Eigenverantwortung der Angestellten. Führungskräfte müssen sich auf diesen Umstand einlassen und die Performance in den Fokus rücken.
5. Attraktive Räume schaffen: Wenn die Arbeit von unterschiedlichen Orten aus erledigt werden kann, sollte die Fahrt ins Büro einen echten Mehrwert bieten. Eigene Räume für kreative Meetings mit Kollegen, aber auch ruhige Zonen, in denen konzentriert gearbeitet werden kann, bieten Möglichkeiten, die das Office zum Anziehungsort machen.
6. Transparent kommunizieren: Wer nicht im Office ist, bekommt halt nur die Hälfte mit? Ein No-Go! Unternehmen müssen sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden, egal, ob sie im Büro oder remote arbeiten, alle wichtige Informationen erhalten und über aktuelle Entwicklungen im Bilde sind.