The Winner takes it all

Digitalisierung
08.09.2017

Wie schnell Unternehmer digitalisieren, entscheidet heute maßgeblich über ihren Erfolg. Doch dafür benötigen sie die entsprechende Infrastruktur. Woran es in Österreich hapert, und warum wir einen IKT-Minister bräuchten, diskutieren Berka- Geschäftsführer Gerhard Pelikan, der Unternehmensberater und Ubit-Obmann Alfred Harl sowie Christian Rupp von der Plattform Digitales Österreich.
(v. l.) Stephan Strzyzowski, Christian Rupp, Gerhard Pelikan, Alfred Harl.
(v. l.) Stephan Strzyzowski, Christian Rupp, Gerhard Pelikan, Alfred Harl.

Herr Pelikan, Sie befassen sich intensiv damit, wie Sie Ihr Unternehmen digitalisieren können. Wie beurteilen Sie die Basis dafür in Österreich?
Pelikan: Die Digitalisierung spielt bei uns vor allem in der täglichen Kommunikation eine große Rolle. Auftragsabwicklung, Fotos, E-Mailverkehr: all diese Informationen tauschen wir zeitnah über Smartphones und Tablets mit unseren Mitarbeitern aus. Das ist enorm wichtig, um schnell beim Kunden zu sein. Das wird heute gefordert. Wir haben aber das Problem, dass die Datenübertragung nur schlecht funktioniert. An unserem Standort gibt es nur ein langsames Kupferkabel und keine Glasfaser.

Wo sitzt denn Ihr Unternehmen?
Pelikan: Das ist es ja, mitten in Wien in der Ketzergasse. Wir könnten uns zwar eine Anspeisung auf Glasfaser machen lassen, aber das würde 60.000 Euro kosten. Das muss man erst einmal finanzieren. Darum haben wir als Notlösung über eine Art Satellitenspiegel eine raschere Datenübertragung ermöglichen können. Aber wenn das Wetter schlecht ist, wird es auch wieder langsamer.

Harl: Das ist ein Paradebeispiel für die Mängel bei der digitalen Infrastruktur. Wir reden zwar von einer Milliarde, die der Bund für den Breitbandausbau ausgeben wird, aber die Umsetzung ist zu langsam, denn viele Firmen stehen schon jetzt vor diesem Problem. Sie wollen stärker digitalisieren, aber es hapert bei der Übertragung. Und bei dem Beispiel reden wir nicht von einer Randregion, sondern von Wien.

Die schwache Infrastruktur und das Fehlen von Glasfaseranbindungen hemmt also die Digitalisierung des Mittelstandes?
Harl: Ja. Wenn wir von der Infrastruktur sprechen, geht es aber nicht nur um Kabel, sondern auch um Know-how. Uns fehlen Fachkräfte. Man sucht zum Bespiel einen IT-Administrator oder Programmierer und findet ihn nicht.

Woran liegt das?
Harl: Daran, dass der große Masterplan für Österreich fehlt. KMU haben nicht die Zeit zu suchen, wo sie sich informieren könnten. Sie müssen sicher wissen, wo die Reise hingeht. Dazu braucht es Förderungen, Beratung, eigene Programme. Klar, Österreich liegt in der Digitalisierung in manchen Bereichen über dem Mittelmaß. Aber eben nur über dem Mittelmaß. Wir sind fast nirgends im Spitzenfeld. Das ist schlecht. Denn die Digitalisierung wartet nicht.

Daran wird ja aber intensiv gearbeitet. Es gibt von staatlicher Seite die Digitale Agenda, die Digital Roadmap, Digitales Österreich, es gibt eine KMU-Digitalisierungs-Initiative bei der WKO. Ist das zu wenig?
Harl: Das sind gute Initiativen, aber es fehlt leider die Gesamtstrategie.
Rupp: Wir haben eine Digitale Agenda, die von Brüssel ausgeht. Sie setzt etwa Schwerpunkte, um den grenzüberschreitenden digitalen Warenverkehr und die Anerkennung von digitalen Signaturen zu ermöglichen. Aus Brüssel kommen also viele Richtlinien und Verordnungen. Daher gibt es die Digital Roadmap in Österreich. Sie führt die Aktivitäten der verschiedenen Bereiche sehr wohl zusammen. E- Health, E-Government, E-Commerce: Dafür wird man überall Breitband brauchen. Die Frage ist nur, wo man es zuerst braucht. Im Rahmen der Breitbandförderung gibt es übrigens Förderungen für KMU, die so wie Sie, Herr Pelikan, einen Breitbandanschluss benötigen.
Pelikan: Das stimmt, aber bis man das herausfindet, vergeht extrem viel Zeit! Es hat Monate gedauert, bis wir alle Informationen beisammen hatten. Wir haben keine zentrale Stelle gefunden, die uns hätte sagen können, was wir tun sollen. Das ist ein Problem für Unternehmer. Der Staat verlangt zum Beispiel mittlerweile elektronische Rechnungen, aber wenn die Anbindung nicht funktioniert, wie soll ich dann eine Rechnung stellen?
Rupp: Für die E-Rechnung an den Bund wird man aber noch kein Breitband brauchen.
Pelikan: Stimmt, aber es fängt im Kleinen an!
Rupp: Deshalb gibt es auch verschiedene Stellen. Ich verstehe aber das Problem der Informationsbeschaffung. Denn es gibt wirklich sehr viele Stellen. Da gibt es das Breitbandkoordinierungsbüro im BMVIT, dann Beratungsstellen in den Ländern und bei den Telekomunternehmen. Es gibt die Expertgroups in der Wirtschaftskammer. Aber gelangen die Informationen dieser Stellen wirklich raus zum KMU? Offenbar nicht gut genug. Die Unternehmer haben ja anderes zu tun und sind keine Digitalisierungsexperten. Das war mit ein Grund für die KMU-Digital-Initiative der WKO in Kooperation mit dem BMWFW, welche geförderte Beratungen und Weiterbildung ermöglicht.

Das sind sicher alles gute Initiativen, aber kommen sie mit der Geschwindigkeit mit, die die Digitalisierung vorlegt?
Rupp: Die Frage ist, ob man überhaupt schnell genug sein kann. Ich denke, wir sind am richtigen Weg, wenn ich die Lage mit anderen Ländern vergleiche, die keine Digital Roadmap haben, die keine Arbeitskreise zu 5G und zu Blockchain haben. Aber wir könnten sicher noch schneller sein.

Sind die Initiativen so aufgesetzt, dass sie über Legislaturperioden hinweggehen?
Rupp: Wenn Sie gut aufgesetzt sind, ja!

Und wie gut sind sie aufgesetzt?
Rupp: Die Plattform Digitales Österreich arbeitet seit 2005 erfolgreich für E-Government, als Expertengremium der Bundesregierung. Die Digital Roadmap wird von Bundesminister Harald Mahrer und Staatssekretärin Munar Duzdar politisch verantwortet, über 100 Experten haben in 50 Workshops die Inhalte erarbeitet, und über 2000 Kommentare wurden in einer öffentlichen Konsultation eingearbeitet. Sie basiert also auf einer breiten Basis, da allen Politikern klar ist, dass Digitalisierung eine Querschnittsmaterie ist, die in alle Ministerien hineinreicht. Bei der Digital Roadmap waren alle Ministerien, Landesregierungen und Interessensvertretungen sowie die Zivilgesellschaft in die Erstellung involviert. Das Monitoring wird auch in der nächsten Regierung weiterlaufen.
Harl: Da will ich einhaken. Trotz all dieser Bemühungen sind wir zum Beispiel deutlich langsamer als Skandinavier. Wir brauchen einfach einen klaren Masterplan, in dem wir viel genauer festlegen, wo wir hinwollen und zwar so, dass es auch messbar ist.

Wo müssen wir denn am schnellsten besser werden?
Harl: Bei der Basis, dem Breitband. Wenn das schon in Wien ein Thema ist, will ich nicht wissen, wie es erst am Land ist. Das kann nicht sein! Aber auch bei der Aus- und Weiterbildung müssen wir rasch handeln. Wir können nur ein guter Standort sein, wenn wir bei der Digitalisierung nicht zurückfallen. Und wir benötigen auch eine rasche Übersicht, welche Förderungen geboten werden. Da dürfen die Unternehmer nicht monatelang herumsuchen müssen.
Rupp: Es sind sich ja wirklich alle einig: Bund, Länder, Städte, Gemeinden, Wirtschaftskammer und sogar Arbeiterkammer stimmen überein, dass die Digitalisierung extrem wichtig ist. Alle wissen, dass hier etwas getan werden muss und dass wir es nur gemeinsam tun können. Die ersten Bundesländer arbeiten an einer lokalen digitalen Agenda. Und ganz oben müssen die Bemühungen wieder zusammenführen. Und genau das tun diese in der Digital Roadmap.
Pelikan: Aber offenbar fruchten die Bemühungen noch nicht. Wir haben unsere Software zum Beispiel von einer Linzer Firma, die enorme Probleme damit hat, Fachkräfte zu finden. Sie könnte viel mehr Aufträge annehmen, wenn sie nur Leute finden würde. Und das gilt für uns auch.

Zu diesem Thema gibt es aktuelle Zahlen der Agenda Austria: In Österreich haben 2015 fast 80 Prozent der IT-Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter gesucht, und 55 Prozent dieser Unternehmen hatten Probleme, welche zu finden. Dieses Problem ist in Österreich verglichen mit anderen EU-Ländern besonders drückend. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass das Bildungssystem die Menschen nicht ausreichend auf die digitale Wirtschaft vorbereitet.
Pelikan: Ich denke, dass es auch daran liegt, dass wir im Gegensatz zu Deutschland viele Ausbildungen von Fachkräften aus dem Ausland nicht anerkennen. Dadurch gehen uns sicher viele gute Leute verloren.
Rupp: Was die Politik sicher versäumt hat, ist frühzeitig zu platzieren, dass wir einen IT-Facharbeitermangel haben. In den Schulen ist es immer noch so, dass IT nicht in jedem Gegenstand eine Rolle spielt.

Wie lösen Sie das Problem in Ihrem Unternehmen?
Pelikan: Wir bilden selber intensiv aus und weiter. Unsere Leute werden jedes Jahr drei Monate geschult. Wir haben dazu einen Seminarraum eingerichtet, holen Sachverständige und Experten rein, die unsere Mitarbeiter ganz gezielt ausbilden. Wir müssen die Jungen, die von der HTL kommen, zwischen drei und fünf Jahre lang ausbilden. Die Praxis lernen sie dort ja nicht.

Dadurch entstehen Ihnen vermutlich hohe Kosten?
Pelikan: Das ist noch nicht einmal das Problem. Schlimm ist es, wenn Mitarbeiter, die wir jahrelang intern ausgebildet haben, gehen. So einen Fall haben wir gerade. Das trifft uns hart. Wir können ihn seit einem halben Jahr nicht nachbesetzen. Das ist sogar mit Headhunter sehr schwierig. Wenn ich keinen finde, geht mir Geschäft verloren. Auf einen Elektrotechniker kann ich leichter verzichten als auf einen IT-Mann, weil wenn der geht, steht der ganze Laden. Harl: Und der Teufel schläft nicht. Stellen wir uns einen Cyber-Angriff vor und dass keiner da ist, der sich auskennt. Dann ist die Firma enorm gefährdet. Dann kann man nur versuchen, von extern zuzukaufen.

Welche Qualifikationen fehlen besonders?
Harl: Es sind tatsächlich Experten im Bereich Cyber-Security. Wenn etwas passiert und die Firma steht auch nur einen Tag, ist das oft nicht aufzuholen. Viele zahlen lieber Lösegeld, nur damit sie weiterarbeiten können. Aber es fehlen auch Systemadministratoren, Cloud-Experten und Big-Data-Analysten. Die Unis müssten die Berufsbilder, die ständig neu entstehen und sich verändern, rascher übernehmen. Und auch hier gilt wieder: Wenn wir hier einen Plan hätten, der zeigt, was wir brauchen, welche Unis Plätze frei haben, wo wir Kapazitäten benötigen, würde uns das einen Schritt nach vorne bringen. An der TU Wien liegt die Drop-out- Rate bei 30 %. Da bleiben kaum Abgänger übrig. Viele FHs leisten sicher gute Arbeit. Aber es ist vorne und hinten zu wenig, um in Forschung und Entwicklung vorne dabei zu sein und um innovativ zu sein.
Rupp: Heute muss sich ein Schulkind sehr früh entscheiden, welchen Weg es einschlägt. Da hat es aber noch keine Ahnung. Dasselbe gilt auch nach der Matura. Wir brauchen jetzt tausende Data Scientisten. Das haben Experten schon vor ein paar Jahren gefordert, aber bis die Programme umgedreht sind, dauert es.

Kann denn die Bildungslandschaft überhaupt zeitgerecht reagieren?
Rupp: Das ist eine Frage der Flexibilität. Es werden viele Kurse angeboten. Aber Angebot sucht Nachfrage und umgekehrt. Durch KMU Digital können 50 % der Weiterbildungskosten für Mitarbeiter gefördert werden. Aber die Mehrzahl derer, die solche Digitalisierungs-Kurse besuchen, werden nicht vom Unternehmen hingeschickt, sondern machen eine private Weiterbildung. Damit kann es nicht gefördert werden.

Woran liegt das?
Rupp: Manchmal wird das Investment in Mitarbeiter auch als Risiko gesehen, dass diese danach abgeworben werden. Pelikan: So denken leider sehr viele. Wir sehen es anders. Klar gehen immer wieder Mitarbeiter, aber ich brauche trotzdem die besten Leute am Markt. Ich kenne Mitbewerber, die nichts investieren, das geht aber zu Lasten des Erfolgs am Markt. Wer etwas nicht kann, muss geschult werden.
Rupp: Im Handel ist Digital in der Lehre mittlerweile ein Pflichtfach. Das muss in allen Lehrlingsausbildungen so sein. Ein Kfz-Mechaniker, der nichts von IT versteht, kann heute kein Auto mehr reparieren. Berufsschulen müssen mehr den Bereich IT und Cyber-Security vermitteln. Das muss in Zukunft jeder Mitarbeiter drauf haben.
Pelikan: Warum kann man das nicht einfach beschließen und umsetzen? Bei den Elektrikern ist IT zum Beispiel noch gar kein Thema.
Harl: Deswegen fordere ich auch einen IKT- und Innovationsminister. Wir wollen und müssen die Innovativsten sein, und wir wollen die bestausgebildeten Mitarbeiter haben. Sonst ist Innovation nicht möglich. Für beides haben wir kein Konzept. Da spielen viele Ministerien zusammen. So kann man nicht vom Fleck kommen.
Rupp: Die Frage ist, ob so ein Minister dann das Pouvoir hat, bei allen anderen Ministerien hineinzureden.
Harl: Wenn wir Wohlstand wollen und innovativ sein möchten, müssen wir die Ängste, wer einem vielleicht dreinredet aber überwinden. Ich war in Mumbai beim IKT-Minister. Das Ministerium dort ist riesig und recht neu, und ich habe ihn gefragt, wie er das geschafft hat. Seine Antwort: Er hat es so gemacht, dass keiner der anderen Minister vor ihm Angst haben musste. Das hat mir die Augen geöffnet.

Alfred Harl, Unternehmensberater
Wer jetzt schnell ist und die Digitalisierung in Angriff nimmt, wird bei den Siegern sein.

Es gibt scheinbar noch jede Menge Hausaufgaben zu machen. Welche Chancen stehen dem Aufwand gegenüber?
Harl: Wer jetzt schnell ist und die Digitalisierung in Angriff nimmt, wird bei den Siegern sein. Es gilt also, das Thema gleich anzugehen, Experten hinzuzuziehen und Projekte aufzusetzen. Auch über den Tellerrand zu schauen, wo auf der Welt es wer vormacht, wo einen vielleicht jemand überflüssig macht. Die Digitalisierung ist ein Risiko, aber auch eine enorme Chance. Und es gilt: The Winner Takes It All!
Pelikan: Wir als Unternehmen müssen herausfinden, wo es hingeht. Wir brauchen Orientierung! Das ist am wichtigsten. Wir tauschen uns dazu mit Beratern, anderen Unternehmen aus. Aber es ist sicher auch noch zu wenig angesichts der Veränderungen, die uns ins Haus stehen. Aber damit man nicht verliert, muss man jetzt die Infos holen, um rechtzeitig mit an Bord zu sein.
Rupp: Klar ist, dass die Digitalisierung alle Branchen und Betriebe betrifft. Damit der Change klappt, müssen Unternehmen in die Weiterbildung ihre Mitarbeiter investieren. Sie müssen sich gute Berater holen, die ihnen zeigen, wo sie anfangen sollen. Da setzt auch die KMU-Digital-Initiative an. Es gibt schon viele tolle Beispiele, aber die müssen wir vor den Vorhang holen, damit es in allen Branchen digitale Leitbetriebe und Vorreiter gibt. Die Digital Roadmap braucht einen politischen Schulterschluss heute und morgen.

WO SICH UNTERNEHMER INFORMIEREN KÖNNEN

Die Digital Roadmap bietet einen Überblick über Herausforderungen rund um das Thema Digitalisierung. Dazu wurden zwölf Leitprinzipien formuliert, die den Weg in die digitale Zukunft weisen werden. In zwölf Handlungsfeldern werden bestehende und geplante konkrete Maßnahmen und Aktivitäten erwähnt, die auf dem Weg in die digitale Zukunft gesetzt werden, damit die Digitalisierung für Österreich ein Gewinn werden kann. www.digitalroadmap.gv.at

Derzeit läuft die Ausschreibung des neuen Anbindungsförderungs- programms Connect. Damit wird eine Anbindung an das Glasfasernetz bei Schulen und Kleinund Mittelbetrieben mit 30 Millionen Euro gefördert. www.bmvit.gv.at/
telekommunikation/breitband

Über 100 Digitalisierungs-Trends bieten den Unternehmerinnen und Unternehmern ein großes Potenzial an Chancen. Das KMU-DIGITAL-Erfolgsprogramm bietet umfassende Unterstützung, diese Chancen wahrzunehmen: Förderungen, Beratungen, Veranstaltungen, Webinare, Analyse-Werkzeuge und spezielle Weiterbildungsprogramme www.kmudigital.at