Straße schlägt Flieger und Schiene

14.04.2020

Zugegeben, dieser Sieg schmeckt gar nicht süß. Dennoch, die Aktienkurse zeigen, wer die Grundversorgung am Laufen hält: Lkw-Spediteure halten sich wacker.

Die Corona-Pandemie zieht eine Spur der Verwüstung durch die Weltwirtschaft und damit auch die Aktienmärkte, wiewohl es zuletzt auch wieder Hoffnung gab. Mittendrin, statt nur dabei: das Transportgewerbe. Dieses hat in den USA sogar einen eigenen Index: Der Dow Jones Transportation Average umfasst die 20 der größten Transportunternehmen an der New York Stock Exchange. 

Und das ist nicht irgendein Index, sondern de facto der älteste Aktienindex der Welt ist (siehe Kasten). Und bis heute ist der Dow Transportation Index ein wichtiger Vorlaufindikator für die Konjunktur. Die Logik dahinter ist klar: Die wirtschaftliche Entwicklung zeigt sich in der Auftragslage der Logistikunternehmen früh, schließlich müssen diese nicht nur fertige Waren, sondern auch schon die zuvor dafür benötigten Rohstoffe ausliefern. Ein weiterer Frühindikator für die Weltwirtschaft ist der Baltic Dry Index, der die Frachtraten der Schifffahrt abbildet. 

Beide Indizes sind tatsächlich auch im Vorfeld der Corona-Krise schon früh eingebrochen. Uns interessiert der Dow Transportation freilich mehr, also haben wir uns diesen genauer angeschaut. Wie dramatisch die Situation ist, zeigt eine längerfristige Analyse: Die jüngsten Kurseinbrüche sind rasanter und stärker ausgefallen als jene zur Zeit der globalen Finanzkrise ab 2007. Und die Kursrücksetzer im Zuge der Terroranschläge im Jahr 2001 waren dagegen geradezu ein Kindergeburtstag. 

70 Prozent Kursverlust

Tatsächlich scheint sich zu der medizinischen jetzt eine veritable Wirtschaftskrise zu gesellen: Wirtschaftsforscher prognostizieren eine schwere Rezession und zwar selbst wenn sich die Situation im zweiten Halbjahr normalisieren sollte. Der Aktienmarkt hatte wieder einmal Recht. Schon bevor diese Prognosen erstellt wurden, war der Index um rund 36 Prozent eingebrochen, einzelne Aktien wie die des Autoverleihers Avis Budget oder jene von United Airlines hatte sogar mehr als 70 Prozent an Wert verloren. Nachdem zuletzt wieder eine gewisse Erholung eingesetzt hatte, war der Kurszettel bis Redaktionsschluss immer noch tiefrot, keine einzige Aktie konnte seit Jahresbeginn ein Plus verzeichnen. 

Der Straßengüterverkehr hält sich allerdings den Umständen entsprechend gut. Aus gutem Grund: Während der Reiseverkehr komplett zum Erliegen kam, muss die Grundversorgung aufrechterhalten werden. Freilich sind auch Speditionen zyklisch, also abhängig von der Konjunktur. Speditionen mit einem Fokus auf den Lkw-Verkehr wie C. H. Robinson oder Landstar haben an der Börse auf Sicht von drei Monaten mehr als zehn Prozent an Wert verloren. Aber immerhin weniger als 20 Prozent und damit zählen sie zu den Top-Performern innerhalb des Transportation Index. Airlines, Reedereien oder auch Eisenbahngesellschaften haben mindestens doppelt so viel verloren, nicht selten sogar dreimal so viel. Rund 20 Prozent lagen die Aktien der Versanddienste UPS und FedEx bis Redaktionsschluss im Minus, womit auch diese noch zu den relativen Gewinnern zählten. 

Die Krisengewinnler

Dass es auch absolute Gewinner gibt, zeigt der Blick über den Tellerrand unserer Branche hinaus: Einige Biotech- und Pharma-Aktien haben sogar zugelegt. Hier wetten Börsianer nicht zuletzt darauf, wer den ersten wirksamen Impfstoff entwickeln wird und damit auch entsprechend viel Geld verdienen könnte. Der Biotech-Riese Gilead beispielsweise hat an der Börse seit Jahresbeginn Wertsteigerung um rund 35 Prozent erfahren. Spektakulär auch die Entwicklung von Clorox: Der Run auf Desinfektionsmittel bescherte dem Haushaltswaren- und Chemieunternehmen eine Sonderkonjunktur – der Konzern stellt unter anderem Desinfektionstücher her. Gut gehalten hat sich auch Kimberly Clark, ein weltweit führende Hygieneartikelhersteller, der unter anderem Toilettenpapier produziert. Zu den so genannten Krisengewinnlern zählt auch der Streaming-Dienst Netflix. Kein Wunder: Schließlich verbringen Menschen so viel Zeit wie nie in den eigenen vier Wänden. Apropos: In Italien ist Berichten zufolge zuletzt auch der Umsatz von Sexspielzeug – wie passend – in die Höhe geschnallt. Mehr als verdoppelt hat sich indes der Börsenwert des Video-Konferenz-Anbieters Zoom – und zwar innerhalb von nur drei Monaten. Home Office lässt grüßen. 

Wenngleich sich aktuell noch keine Trendwende abzeichnet, so besteht sehr wohl auch für den Gesamtmarkt Hoffnung – und damit für die gesamte Weltwirtschaft. Denn die aktuelle Krise ist keine strukturelle, sondern eine ereignisbezogene. Und solche Krisen sind oft heftig, sie haben sich in der Vergangenheit aber auch durch eine relativ rasche Erholung ausgezeichnet. Tatsächlich folgen auf extrem rasche Kurseinbrüche oft ebenso starke Erholungen. Zu diesem Ergebnis kommen auch die Investmentexperten von Fidelity International und Goldman Sachs. 

HINTERGRUND
Um einen Richtwert für Aktienkursentwicklungen zu erhalten, entwickelten der Herausgeber des „Wall Street Journal“, Charles Dow, und der Journalist und Statistiker Edward Jones im Jahr 1884 den Dow Jones Average. Dieser bestand aus elf Werten, neun davon waren Eisenbahngesellschaften. 1896 wurde der Index um die „Ausreißer“ bereinigt und als „Dow Jones Railroad Average“ geführt.

Der klassische Dow Jones Index, der Dow Jones Industrial Average, wurde erst später entwickelt. 1970 bekam der Railroad Index seinen heutigen Namen „Dow Jones Transportation Average“. Dieser besteht heute neben Eisenbahnen aus Airlines, Reedereien und Speditionen. Der Index findet immer noch große Beachtung, gilt er doch als Frühindikator der US- und damit letztendlich auch der Welt-Wirtschaft.

 

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