Scrum & Co.: Worauf es dabei wirklich ankommt

Management
31.08.2021

 
Auch agile Ansätze im Projektmanagement scheitern. Die Gründe dafür sind zahlreich. Der Hauptgrund besteht wohl in einem unklaren Mindset der Prozessbeteiligten. Wie Unternehmen erfolgreich durch die BANI-Welt manövrieren, erklärt Thorsten H. Bradt, Experte für visuelle Kommunikation sowie Fort- und Weiterbildung.

Dass sich stetig wandelnde Märkte zu einem hohen unternehmerischen Anpassungsdruck führen und als entscheidende Antwort darauf eine permanente Innovationsbereitschaft bedingen, ist nichts mehr als ein Allgemeinplatz. Durch die seit gut anderthalb Jahren anhaltende Krise haben sich die Verhältnisse jedoch zunehmend verschärft. Im Sensemaking scheint sich insoweit ein neues Modell durchzusetzen, zumindest wird es immer häufiger diskutiert: die BANI-Welt.

Das Akronym BANI setzt sich aus den englischen Attributen b:rittle (brüchig), a:nxious (ängstlich), n:on-linear (nicht-linear) sowie i:ncomprehensible (unbegreiflich) zusammen. Aus einer variierenden Gemengelage äußerst vielschichtiger Ursachen heraus muten die gesellschaftlichen und mit ihnen die wirtschaftlichen Verhältnisse gegenwärtig als nicht mehr verlässlich kalkulierbar an. Begünstigt werden dadurch auch negative Auswirkungen auf gruppendynamische Abläufe in Arbeitsgruppen – beispielsweise durch das Entstehen eines verschärften Wettbewerbs innerhalb einschlägiger Abteilungen in Unternehmen.

Individuen und Kompetenzen

Persönliche Kompetenzen stellen sich in Zeiten des Umbruchs als entscheidender, stabilisierender Faktor dar. Die klassische Redewendung "In der Ruhe liegt die Kraft!" bringt es auf den Punkt. Ein Individuum, das im Sinne einer Selbstkompetenz insbesondere auf innere Koordinaten zurückzugreifen und sich daher auch in schwierigen Zeiten zuverlässig zu orientieren vermag , weist allerdings eine ausgebildete charakterliche Reife sowie eine ebensolche Moralkompetenz auf. Innovation setzt Kreativität voraus. Erstere dient der Umsetzung von Ideen, Letztere deren Findung. Innovation ist im Idealfall an minimalistische organisatorische Strukturen mit der Option einer hohen Flexibilität des Einzelnen gebunden. Kreativität benötigt deren Entscheidungs- sowie gerade auch Handlungsfreiheit.

Teams und Werte

Agile Teams sind auf eine konsequent umgesetzte transparente Zusammenarbeit ihrer Mitglieder angewiesen. Diese basiert bei Scrum etwa, dem bekanntesten und beliebtesten Framework im leichtgewichtigen Projektmanagement, auf folgenden, obligatorisch zu teilenden fünf Werten bzw. Wertvorstellungen:

1. Selbstverpflichtung

Im Sinne einer Arbeitsgemeinschaft verstehen Scrum-Teams sich als Einheit. Ihre Mitglieder verbindet deren jeweilige Selbstverpflichtung (engl. Commitment) nicht nur zur Kooperation, sondern eben zur beschriebenen Kollaboration. Es gilt, die kollektive Intelligenz sowie das individuelle Innovationspotenzial zu bündeln.

2. Fokus

Erst die obligatorische Konzentration auf das Ziel des jeweiligen Sprints, die Entwicklungsphase eines Teilergebnisses, ermöglicht ein effizientes Vorgehen zur Lösung von Problemen. Durch die enge Taktung Iterationsschleifen fallen dabei weniger Hindernisse an.

3. Offenheit

Kommunikationswege sind im Scrum-Prozess klar zu gestalten, jedes Teammitglied muss vorbehaltlos seine Position offenlegen sowie darstellen können. Offenheit (engl. Openness) meint zudem das Bestreben, sich konsequent neuen Herausforderungen stellen zu wollen.

4. Respekt

Die scheinbare Selbstverständlichkeit dieses Wertes unterstreicht nur dessen Bedeutung. Der gegenseitige Respekt sollte sämtliche Ebenen eines Unternehmens durchdringen. Da unternehmerische Positionen nicht den vorgesehenen Rollen des Framework entsprechen, bedeutet eine Verwirklichung dieser Wertvorstellung immer auch die Konfrontation mit bestehenden hierarchischen Mustern. Im Idealfall können diese durch eine Veränderung der Corporate Culture aufgelöst werden.

5. Mut

Mut ist gleichsam die Voraussetzung für einen anderen Wert: die Offenheit. Er stellt auf die Befähigung des Einzelnen zum pragmatischen Handeln in volatilen sowie ambivalenten Situationen ab und beinhaltet die Bereitschaft zu einem dementsprechenden Risiko. Ein mögliches Scheitern muss von vorneherein miteinkalkuliert werden.

Solange diese Werte nicht auch konsequent geteilt werden, bleiben sie reine Worthülsen. Scrum setzt auf einen gemeinsamen Erkenntnisgewinn als Voraussetzung für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Der Austausch von Wissen, dessen Wert sich durch Gebrauch erhöht und im Gegensatz zur Nutzung sonstiger Ressourcen nicht verringert, ist essenziell für ein erfolgreiches agiles Arbeiten.

Freilich stellt Scrum – hier nur als ein Beispiel genannt – auch auf weitere Aspekte ab: unter anderem auf die ihm immanenten drei Säulen Transparenz, Überprüfung und Anpassung als formale Voraussetzungen für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Doch die Haupthürde bleibt das individuelle und kollektive Verhalten: Diesbezügliche Änderungen sind in aller Regel schmerzhaft und erfordern eine tiefe, dabei ehrliche Auseinandersetzung eines jeden Einzelnen mit sich selbst. Eine solche Entwicklung benötigt Zeit, denn sie ist an Einsichten geknüpft, die wachsen müssen. Persönliche Wertvorstellungen sind also nicht von jetzt auf gleich anpassbar. Sie müssen eingeübt und darüber hinaus gepflegt werden.