Markenpflege neu gedacht

Markenauftritt
15.02.2022

 
In einer digitalisierten Welt geraten auch arrivierte Marken sehr rasch unter Druck. Welche Faktoren heute für die Positionierung wirklich erfolgsentscheidend sind? Alle!
Markenpflege

Ein gutes Produkt, gezielte Werbung, professionelle Kommunikation und die Markentreue der Kunden ist nachhaltig gesichert. Leider nein. Unternehmen stehen vor immer größeren Herausforderungen, wenn sie ihre Position behaupten und die Gunst ihrer Zielgruppe erhalten wollen. Geht es nach dem Markenexperten Manfred Berger lautet das Stichwort der Stunde Gleichzeitigkeit. Mussten Betriebe früher „nur“ Aspekte wie Qualität und eine emotionale Ansprache beachten, um sich die Zuneigung ihrer Käufer zu sichern, ist es heute ein ganzer Strauß an Dimensionen, die über Wohl und Wehe entscheiden.

Was Marken stark macht

An ihrer Spitze steht die in den letzten Jahren laufend strapazierte Sinnfrage, die immer öfter von kritischen Konsumenten gestellt wird. Es reicht einfach nicht mehr, Autos zu bauen und die Menschen von A nach B bringen. Heute ist es der Mobilitätsbedarf, für den Betriebe umfassende Lösungen entwickeln müssen. Dass dabei auch ökologische und gesellschaftliche Auswirkungen nicht vergessen werden dürfen, versteht sich von selbst. Doch noch so viel Purpose nützt nichts, wenn die Basis nicht überzeugt: Das Produkt muss perfekt sein und seine Differenzierung vom Mitbewerb glasklar. Ebenfalls in den Vordergrund gerückt ist laut Berger der Faktor Relevanz. Wer bei seiner Zielgruppe nicht ganz oben auf der Prioritätenliste rangiert, verliert rasch an Boden. Zu groß sei die Vielfalt der Angebote und zu massiv der Wettbewerb um jeden einzelnen Kunden. „Unternehmen müssen so relevant für ihre Kunden sein, dass sie auch in angespannten Zeiten an sie herankommen und dass diese bereit sind, für das Unternehmen Stellung zu beziehen – analog und digital“, meint Berger. Denn: Differenzierung und Relevanz sind mittlerweile die Voraussetzung dafür, dass Unternehmen ihren Kunden emotional begegnen können. Und nur so schafft man es heute, ihnen im Geflecht unzähliger Kommunikationskanäle näherzukommen. Was schon in der Theorie extrem komplex klingt, ist es leider auch in der Realität. Doch bleiben Unternehmen wenig Alternativen. Wer seine Markenpflege schleifen lässt, riskiert eine ganze Menge. Zeigen Studien doch eindeutig, dass Marken Wertschöpfung schaffen und dabei helfen, höhere Preise durchzusetzen. Relevant sind dabei vor allem zwei Faktoren: der wahrgenommene Kundennutzen und die Marke selbst. Beide Aspekte spielen sich nicht in der Realität ab, sondern in der Wahrnehmung von Konsumenten. Deshalb ist es wichtig, sich mit der Wahrnehmung gründlich zu befassen, da sie oft die Realität schlägt. Vielleicht der wesentlichste Faktor für Kunden ist in diesem Zusammenhang Vertrauen.

Welche Rolle der Faktor Vertrauen heute spielt
„Vertrauen ist das Ergebnis der Marke“, meint Manfred Berger, der seit Jahren in Studien erhebt, wem Frau und Herr Österreicher ihr Vertrauen schenken und warum. So viel vorweg: Wenn Marken das Vertrauen ihrer Kunden verspielt haben, wird es ziemlich schwierig, es zurückzugewinnen. Da hilft es auch wenig, massiv die Werbetrommel zu rühren, wenn die Werte erst einmal im Keller sind. Warum das so ist, erklärt Markenexperte Berger so: „Der Verlust von Vertrauen hat immer konkrete Gründe, ähnlich wie in einer zwischenmenschlichen Beziehung. Da ist etwas vorgefallen, das man nicht so schnell vergisst.“

Vertrauen ist das Ergebnis der Marke.

Manfred Berger, Markenexperte

Die Palette der möglichen Gründe ist lang: ein Problem im Service, unethisches Verhalten, sinkende Qualität oder versteckte Kosten. Das Vertrauen zurückzugewinnen ist ein mitunter mühsamer Prozess, der Engagement und Überzeugungsarbeit auf allen Ebenen erfordert. Unterstützt werden diese Bemühungen zumindest ein wenig durch den Faktor Zeit. „Vertrauen entsteht durch vergessen“, scherzt Manfred Berger. Denn niemand von uns könne sich langfristig jedes Ärgernis merken, das einem rund um Produkte und Dienstleistungen über die Jahre unterkommt. In Bergers Untersuchungen hat sich übrigens deutlich gezeigt, dass der Prozess des Vergebens immer rascher abläuft. Das Vertrauen sei zwar mitunter rascher verloren als früher, doch die Schnelllebigkeit führt auch dazu, dass ein Betrieb, der sich zwei, drei Jahre keinen Fehler geleistet hat, auch wieder sehr weit oben in der Wahrnehmung von Kunden stehen kann. Berger nennt als Beispiel die Branche der Fleisch-Produzenten. Sie hätten aktuell ein sehr hohes Vertrauensniveau. Schlicht, weil ein paar Jahre keine Skandale vorgefallen sind. So groß also die Aufregung um Gammelfleisch einmal gewesen sein mag, so rasch vergessen ihn die meistens Menschen wieder.

Wie man Vertrauen schafft

Wer ganz bewusst Vertrauen aufbauen will, kann dem Bedürfnis vieler Kunden nach Regionalisierung und Lokalisierung Nahrung geben und Konsumenten tiefe Einblicke in das Unternehmen gewähren. „Das Vertrauen von Konsumenten gewinnt, wer Dinge tut, die nachvollziehbar sind“, fasst Berger zusammen. In einer komplexen Welt, voll Fake-News und Verunsicherung, vertrauen die Menschen Betrieben wie dem Bauern aus ihrer Region, ihrem Tischler, dem alten Fachverkäufer, dem kleinen Händler, den sie kennen. Es geht immer mehr um eine persönliche Ansprache anstatt um Robotermarketing und Massenmails. Regionalität und Lokalität werden immer wichtiger werden als Gegensatz zu einer globalen Welt.
In der Gunst der Kunden steigt laut Berger übrigens auch, wer schon lange am Markt ist. Der Faktor Tradition sei ein großer Vorteil, meint der Experte. Gehen doch viele Konsumenten davon aus, dass es gute Gründe dafür geben muss, warum ein Betrieb so lange erfolgreich ist. Besonders können übrigens jene Betriebe punkten, die ihre Tradition geschickt mit Innovationen in Einklang bringen.

Wer sich ein neues Image verpassen

Muss Selbst jene Unternehmen, bei denen es keine gröberen Schnitzer auszubügeln gilt, tun gut daran, permanent an ihrer Markenwahrnehmung zu feilen. Haben doch Untersuchungen gezeigt, dass vernachlässigte Marken bis zu 5 % Marktanteil pro Quartal verlieren können. Eine Entwicklung, die sich laut Manfred Berger wohl noch weiter beschleunigen wird. Aufgrund der medialen Dauerbeschallung und dem immensen Angebot werden Marken wohl immer schneller in Vergessenheit geraten. So viele Bälle es also für Unternehmen in der Luft zu halten gilt, wer die Übung meistert, erhält sich nachhaltig die Gunst seiner Kunden und macht dabei unter Garantie seine Hausaufgaben.