Hans Harrer fordert: Schluss mit Demokratur

Hans Harrer
12.10.2017

Eine neue Initiative will neue Rahmenbedingungen für Unternehmer schaffen. Selbstbestimmt sollen sie jetzt endlich altbekannte bürokratische Hürden und Belastungen überwinden. Sonst drohe eine endgültige Spaltung der Gesellschaft, warnt Initiator Hans Harrer.

Text: Stephan Strzyzowski

Der Mittelstand: Vor jeder Wahl besinnen sich Politiker auf einmal seiner Bedeutung und preisen ihn in Sonntagsreden. Kehrt dann aber wieder der Alltag ein, soll er bitte einfach funktionieren – also Arbeitsplätze sichern und Steuern zahlen. Dem Mittelstand fällt traditionell eine stiefkindliche Rolle zu, aus der ihn nun eine neue Initiative befreien möchte. Wer aktuell mit offenen Augen durch Österreichs Städte geht, hat vielleicht ihre Plakate bemerkt. Botschafterinnen und Botschafter der neuen „Mittelstandsallianz“ stellen auf ihnen Forderungen an die Politik: Steuern runter, Bürokratie abbauen, Lohnnebenkosten senken – allesamt alte Bekannte und Fixsterne auf dem Wunschzettel der Unternehmerschaft. Man möchte meinen, das Themenfeld wäre längst ausreichend besetzt. WKO, IV, Gewerbeverein und diverse Branchenverbände setzen sich seit Jahr und Tag lautstark für gleichlautende Ziele ein. Wozu also noch eine weitere neue Initiative?

NEUE PLAYER OHNE ZWÄNGE

Hans Harrer, selbst Unternehmer und Vorstandsvorsitzender des Senats der Wirtschaft, der hinter der neuen Allianz steht, hat eine klare Antwort: „Weil es politische Unabhängigkeit braucht.“ Die Nähe zu Parteien verhindere seit Jahren, dass die großen Themen angegangen werden, meint Harrer und geht hart mit der WKO ins Gericht. „Die Wirtschaftskammer hat sich als Vorfeldorganisation ihre eigentliche Funktion genommen. Sie ist eine geschützte Werkstätte, die von der Zwangsmitgliedschaft lebt. Sie vertritt den Mittelstand überhaupt nicht“, ärgert sich Harrer. Die Mittelstandsallianz soll hingegen ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten einzelner Interessengruppen Probleme ansprechen und Lösungen aufzeigen. Und sie will sogar noch mehr tun als das. Gemeinsam mit seinen Botschaftern möchte Harrer konkrete Themen anpacken und auch in die Umsetzung bringen.

VOM THINKTANK ZUM DO-TANK

Nur: Wie soll das gehen? „Die Unternehmer müssen sich persönlich einsetzen und vor allem einmischen. Sie werden nicht Mitglied, sondern Förderer des Mittelstandes, sie werden Botschafter“, erklärt Hans Harrer. „Ihre Funktion ist dabei nach innen in die Berufsgruppe, aber auch nach außen gerichtet. Branchenübergreifend sollen Mittelständler ihre Interessen vertreten“, erklärt Harrer das System, das von derzeit rund 120 Botschaftern auf tausende anwachsen soll. Mittelfristiges Ziel ist, massiven Druck auf die Politik ausüben zu können, damit diese Rahmenbedingungen schafft, in denen die Wirtschaft florieren kann.

Harrer nennt auch die geplanten Handlungsfelder: Entbürokratisierung, Bildung, Entkriminalisierung, Ökologisierung, Digitalisierung und regionale Entwicklung. Um für Bewegung im starren System zu sorgen und vor allem, um mehr zu tun, als nur zu kritisieren, erstellen Fachleute innerhalb der Mittelstandsallianz ab sofort Positionspapiere, die allen Fraktionen und Ministerien präsentiert werden. Auf diesem Weg will die Mittelstandsallianz laufend neue Impulse ohne Partikularinteressen im politischen Diskurs setzen.

KEINE LEICHTE AUFGABE

Doch er macht sich keine Illusionen, dass hier extrem dicke Bretter zu durchbohren sind. Weshalb die Botschafter der Allianz auch diverse eigene Aktionen setzen sollen. Harrer denkt dabei etwa daran, dass Unternehmer in schwächelnden Regionen nicht lange auf die Politik warten, sondern sich zusammenschließen und in der Crowd eine Finanzierung für nötige Infrastrukturprojekte aufstellen. Denn viele Talschaften und Orte seien extrem von Abwanderung, Zersiedelung und der Dominanz weniger peripher liegender Fachmärkte bedroht, meint Harrer. Dagegen könne man schon etwas tun. Egal, ob es um die Abschaffung von unnützen Förderungen, die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, oder um den Vorschiften-Dschungel geht: Warum sollte sich gerade jetzt etwas ändern?

EIN SYSTEM AN DER KIPPE

„Weil der Leidensdruck riesig ist“, sagt Harrer. Er beobachtet, dass mittlerweile viele Unternehmer ihre Betriebe lieber schließen, als sie ihren Kindern aufzubürden. „Wer will schon seinen ganzen Arbeitseifer für den Staat und die Bank einsetzen?“, fragt Harrer und sieht eine Eruption der Unternehmerschaft auf Österreich zukommen. Aus seiner Sicht eine große Gefahr, da die Demokratie maßgeblich vom Mittelstand mitgetragen werde. „Wenn der Mittelstand einbricht, driftet unser System ins rechte oder linke Lager ab“, ist Harrer überzeugt. Wenn uns die soziale Gemeinschaft also etwas wert sei, müsse man den Mittelstand stärken. Nur dann könnten Unternehmer auch in Zukunft als Dienstleister des Staates fungieren.

ES GEHT AUCH ANDERS

Seine Hoffnung liegt im Ende der überkommenen bürokratischen „Demokratur“, wie Harrer das aktuelle System bezeichnet. Dass es möglich ist, beweisen aus seiner Sicht Länder wie Neuseeland. „Die waren pleite und haben ein neues Steuersystem geschaffen. Jeder macht jetzt seine Steuererklärung selber. Die Steuern wurden insgesamt gesenkt, und das System wurde vereinfacht. Förderungen wurden abgeschafft und das Geld in den Wirtschaftsprozess gepumpt. Das hat fantastisch funktioniert.“

Damit auch Österreich so eine Entwicklung erfährt, werde die Mittelstandsallianz jetzt Lösungen herausarbeiten und in die maßgeblichen Prozesse einfiltern. Man wolle schließlich keine Mandate besetzen, sondern Bürger dazu animieren, sich selbstbestimmt für die Zukunft einzusetzen, resümiert Harrer und gibt sich kämpferisch: „Wir werden nicht zulassen, dass der Mittelstand verschwindet, weil diese Situation unser Land in eine prekäre Situation führt!“