Data Science for the C-Level

Big Data
08.06.2022

 
Bauchgefühl und Instinkt waren gestern, was heute zählt, ist Big Data. Warum sich alle Managementbereiche mit Daten befassen müssen und wieso es vor allem darum geht, die richtigen Fragen zu stellen, erklären Harald Trautsch, CEO von Dolphin Technologies, und Axel Polleres von der WU Executive Academy.
Big Data Illu

Kaum ein Business wird künftig ohne Digitalisierung überleben. Und wo Digitalisierung ist, da gibt es auch digitale Daten. Wie man sie richtig nutzt und jene identifiziert, die wirklich den Vorsprung bedeuten – darüber ist das Know-how in vielen Unternehmen noch immer recht überschaubar gesät. Längst sind es nicht mehr „nur“ die Datenexperten und Data Scientists in den IT-Abteilungen, auch und gerade die Top-Führungskräfte müssen einordnen können, wie Daten gewonnen und ausgewertet werden, und wann welche Datenerhebungen überhaupt Sinn ergeben: „Digitale Grundfertigkeiten sind für alle Bereiche enorm wichtig. Ein umfassendes Datenwissen muss sich von oben nach unten durch das Unternehmen ziehen“, sagt Axel Polleres, wissenschaftlicher Leiter des Professional MBA Digital Transformation & Data Science der WU Executive Academy.
Harald Trautsch, Absolvent des Global Executive MBA und CEO von Dolphin Technologies, Marktführer im Bereich Insurance Telematics. Für Trautsch beinhaltet Data Science eine interdisziplinäre Funktion, um andere Bereiche besser zu verstehen: „Data Science ist ein gutes Instrument, um wissenstechnische Breite zu schaffen und nicht nur im eigenen Scheuklappen-Silo zu bleiben.“ Daten zu sammeln und auswerten zu können, reicht laut Trautsch nicht: „Datenauswertungen sind nur so gut wie die Fragen, die gestellt werden. Deshalb erhalten verschiedene Menschen auch unterschiedliche Informationen aus den erhobenen Datensets, weil sie eben andere Fragen stellen“.
Kurzum, jede Führungskraft und jeder Entscheider in einem Unternehmen – vor allem aber das Top-Management - benötigt ein umfangreiches Datenverständnis – mit unterschiedlichen Implikationen und Schwerpunkten.

Chief Executive Officer (CEO): Datenwissen als Entscheidungshilfe
Bei Data Science sei die Erwartungshaltung an der Unternehmensspitze oft groß: „Hier geht es darum, wie ich Algorithmen und Künstliche Intelligenz anwenden kann, um das Maximum aus den Daten herauszuholen“, so Polleres. Nur: „Manchmal sind gar nicht genug Daten vorhanden, um Analysen zu machen. Oft müssten Unternehmen die Daten systematischer und vollständiger erheben, um überhaupt ihre Fragen beantworten zu können. Oder es werden zu viele unnütze Daten gesammelt, die für das Business keinen Wert haben. Wenn sie in die falschen Hände geraten, stellt das aber auch für das Unternehmen ein Risiko dar. Gerade Kundendaten sind extrem sensitiv. Hier muss man sich die Frage stellen, wozu genau man sie braucht“, so Polleres. Wenn man Daten sammelt nur um sie zu haben, sei das nicht zweckmäßig und auch nicht effizient, denn: „Mit der Zeit werden sie unbrauchbar.“ Gerade für CEOs seien Daten mitunter wesentlich, um gute Entscheidungen treffen zu können, ergänzt Harald Trautsch: „CEOs sollten sich das berühmte Bauchgefühl und den Entrepreneurial Spirit für Dinge aufheben, zu denen Datenerhebungen nicht möglich sind. In allen anderen Situationen brauchen sie die richtigen Informationen aus vorhandenen Datenquellen, um gute Entscheidungen zu treffen. Die richtigen Kennzahlen und KPIs können mit entsprechender Analyse und Auswertung unternehmerische Entscheidungen deutlich verbessern.“

Chief Information Officer (CIO)/Chief Technology Officer (CTO): Datensicherheit erhöhen
Dieser Rolle ist ausgeprägtes Wissen um Big Data, Datenerhebungen und -analysen immanent. „Der CIO/CTO sitzt an der Quelle und kann entscheidend dazu beitragen, dass Daten aus verschiedenen Systemen sinnvoll zusammengeführt werden. Entscheidungen über Architektur und Struktur der Services setzen sich ebenfalls aus unternehmensinternen Daten, Informationen Dritter und der grundlegenden Strategie in Bezug auf den Umgang mit Daten zusammen“, sagt Harald Trautsch. Auch für Axel Polleres spielt das Feld der Data Governance eine fast noch größere Rolle als Data Science selbst: „Der CIO/CTO muss für ein gelebtes Grundverständnis zum Thema Datensicherheit im gesamten Unternehmen sorgen – und das über alle Ebenen hinweg.“

Chief Finance Officer (CFO): Finanzplanung verbessern
Der CFO ist dafür verantwortlich, die richtigen Finanzdaten erheben und auswerten zu lassen. „Der Finanzer schaut sehr stark retrospektiv auf seine Daten – auf Umsätze, Kosten und Erträge“, sagt Harald Trautsch. „Die Frage sollte aber viel mehr sein: Wie kann ich mit den Erkenntnissen über die bisher gewonnenen Daten in die strategische Finanzplanung gehen?“ Dazu gehöre auch, die Daten genauer zu prüfen und zu hinterfragen: „Bei jeder Entscheidung, in jedem Businessplan geht es darum, die dahinterliegenden Daten zu verstehen. Warum sollten wir X Millionen Euro in das Projekt B investieren? Sind die Informationen und die dahinterliegenden Daten überhaupt valide?“

Chief Operation Officer (COO): Prozesse optimieren
„Gerade, wenn es um operational Tasks geht, sind Daten unverzichtbar“, sagt Axel Polleres: „Der COO darf hier durchaus ein bisschen Kreativität an den Tag legen, um sich zu überlegen, was man aus Daten herausholen kann. Deshalb ist es auch so wichtig, dass er in die Data Governance eingebunden ist. Data Science, wie wir es unterrichten, ist im akademischen Sinne immer ein interdisziplinäres Feld. Das sollte sich idealerweise auch in der Praxis widerspiegeln: Während das technische Knowhow eher beim CTO angesiedelt ist, liegt das Prozess- und Strukturwissen beim COO.“ Auch für den COO seien Kenntnisse in Data Governance daher von zentraler Bedeutung. „Man muss als COO Prozess- und Produktionsdaten verstehen, um Entscheidungen treffen und Abläufe und KPIs, beispielsweise im Quality Management, der Unternehmensstrategie anpassen zu können“, sagt Harald Trautsch. „Bessere Qualität bedeutet beispielsweise nicht notwendigerweise eine geringere, sondern eine optimale Fehlerquote. Nur so kann man sichergehen, nicht am Markt vorbei zu produzieren und durch höhere Preise Marktanteile zu verlieren.“

Chief Marketing Officer (CMO): Teure Kampagnen verhindern
Gerade im Marketing gebe es sehr viel Potenzial, wenn es darum geht, wertvolle Daten zu nutzen, um die eigenen Zielgruppen besser zu erreichen, so Axel Polleres: „Hier kann man Daten zum Pricing, zu Seasonality Effekten und Customer Journey Analysen nutzen, um das Kundenverhalten besser zu verstehen, die richtigen Kunden anzuziehen und sie langfristig zu halten. Für Marketingkampagnen helfen Algorithmen und Methoden wie etwa das Clustering, um die Zielgruppenerreichung zu verfeinern und sie via Kundensegmentierung individueller anzusprechen. „Wer im Marketing auf die falschen Daten achtet oder sie falsch interpretiert, kann viel Geld verlieren“, sagt Harald Trautsch. Er gibt ein Beispiel: „Ein Kunde wollte mit einer digitalen Werbekampagne neue Kunden für eine Smartphone App gewinnen. Seine Agentur achtete ausschließlich auf die Downloadzahlen und nicht auf Registrierungen oder tatsächliche Käufe. Das Ergebnis war, dass die Kampagne immer mehr auf die falsche Zielgruppe optimiert wurde und sich der Geschäftserfolg erst einstellte, als man die richtigen Metrics aus Erfolgsindikatoren identifiziert hatte.“

Chief People Officer (CPO)/ Chief Human Resources Officer (CHRO): Daten sind kein Allheilmittel
Gerade Recruiter sollten sich nicht zu sehr auf Algorithmen und daraus ermittelte Daten verlassen, sagt Axel Polleres: „Standardisierte Auswahlverfahren sind von Menschen gemacht und nur vermeintlich objektiv. Sie laufen Gefahr, gewisse Biases fortzuführen. Bei einer Vorauswahl der CVs kann das dazu führen, dass der Algorithmus bunte interessante Lebensläufe, die von den Vorgaben abweichen, ausselektiert. Über Machine Learning können auch Biases gelernt werden. Dann gibt es keine Verantwortlichen für die Entscheidung – weil ja ein Algorithmus entschieden hat“, so Polleres. Auch bei der Umsetzung von HR-Maßnahmen würden wertvolle Daten gewonnen, weiß Harald Trautsch: „Beispielsweise bei Mitarbeiterbefragungen, beim 360-Grad-Feedback. Auch hier muss man die Ergebnisse aber genauer hinterfragen: Wenn ich weiß, dass X Prozent der Mitarbeiter unzufrieden im Job sind, heißt das noch lange nicht, dass sie ihn wechseln wollen. Oft würden geringfügige Änderungen der Rahmenbedingungen ausreichen, um die Zufriedenheit zu steigern. Auch hier gilt es wieder, die richtigen Fragen zu stellen, um brauchbare Antworten zu erhalten.“

Fazit:
Beide Experten sind sich einig: Unternehmen, die auch auf C-Level über ein breites Daten-Knowhow verfügen, werden künftig zu den Erfolgreichen gehören.