Pleiten, Pech und Pannen

Industrie
12.09.2021

 
Claro-Gründer Josef Dygruber hat ein Buch schreiben lassen. Es wurde eine Aneinanderreihung überwundener Missgeschicke anstatt einer stringenten Erfolgsgeschichte. Der Mann ist kein Held. Aber er kann kämpfen.
Josef Dygruber

Was geht in einem Unternehmer vor, der einen Biografen beauftragt, seine Geschichte aufzuschreiben? Die Antwort von Claro-Gründer Josef Dygruber findet sich in Wolfgang Maria Grans Biografie „Vom Tellerwäscher zum Millionär“: Über sich zu lesen rufe bei Dygruber ein „Glücksgefühl“ hervor, wie eine „leichte Droge“. Er wolle mehr davon, „nicht aus Selbstgefälligkeit, sondern wegen des guten Gefühls“.

Dygruber ist ein Mann mit vielen Talenten. Er kann reden. Er kann verkaufen. Er ist, jedenfalls bei flüchtiger Begegnung, das, was man grundsympathisch nennt. Ein beharrlicher Kämpfer, aber kein strahlender Held. Selbst sein Biograf bezeichnet ihn als „wertkonservativen Landbewohner mit Grundsätzen aus Stahlbeton“. Man könnte auch stur sagen.

Geboren wurde Josef Dygruber 1967 im 3.600-Seelen-Ort Adnet. Seine Eltern arbeiteten in der Papierfabrik Hallein. Sie konnten sich nur ein Kind leisten, das sollte es einmal besser haben. Auf Wunsch des Großvaters hätte er Bankbeamter unterm Giebelkreuz werden sollen, doch der junge Dygruber „gefiel sich nicht im dunklen Anzug“. Er startete als Assistent bei Benckiser Österreich und kalmierte seinen Großvater, indem er sich schon bald einen Mercedes anstatt eines Opels leisten konnte.

Das Benckiser-Engagement war richtungsweisend. Hier lernte der wissbegierige nunmehrige Verkäufer den Wert einer starken Marke zu schätzen und entwickelte ein Gespür für das Marketing. Leider vertrug er sich nicht mit seinem Verkaufsdirektor. Als er sich weigerte, einen „braven Familienvater“ zu kündigen, fand sich der knapp 26-Jährige selbst auf der Straße. Und beschloss, selbst zu gründen. Bei seinen Vorbildern greift er nach den Sternen: „Ich wollte eine Marke aufbauen wie der Herr Mateschitz mit Red Bull“, schwärmt er, „weil eine starke Marke ist die beste Rückendeckung.“ Den Herrn Mateschitz verehrt er bis heute. Und Niki Lauda, mit dem er sich in puncto Beharrlichkeit vergleichen lässt.

„Ich habe gewusst, ich brauche eine Differenzierung zu den Marken der Multis, weil sexy war Geschirrspülen nie.“

AB JETZT UNTERNEHMER

Geschirrspültabs sollten es also sein, wie er es bei Benckiser (seit 1999 Reckitt Benckiser) gelernt hatte. Von umweltfreundlich war noch keine Rede. Die Farbe Grün wählte Dygruber 1995 nur, weil Rot schon von Somat (Henkel) und Blau von Finish (Benckiser) besetzt war. „Ich habe gewusst, ich brauche eine Differenzierung zu den Marken der Multis“, sagt er im Interview „weil sexy war Geschirrspülen nie.“ Im ersten Teil seiner Unternehmerkarriere habe er „viel aus der Hüfte geschossen – und oft getroffen. Manchmal aber nicht.“

Das ist eine Untertreibung. Vieles geht schief. Die erste Tonne Zutaten verklumpt übers Wochenende, weil niemand die Luftfeuchtigkeit in der Halle bedachte. Im Winter bilden sich auf den Ur-Tabs warzenähnliche Ausstülpungen, weil das Natriumpercarbonat in der Kälte an die Oberfläche wandert und dort ausklumpt. Kaum ist Claro am Markt, verklagt Benckiser Dygruber, weil seine Tabs den ihren zu sehr ähneln. Dygruber schmeichelt das, er fühlt sich als Konkurrent ernst genommen und erfindet postwendend taillierte Tabs. Wenn es um Marketing geht, macht er immer das Richtige. Der Prozess endet mit einem Vergleich, die Medien feiern ihn als kleinen David, der den mächtigen Goliath bezwingt.

DAGMAR KOLLER UND DAS WASSERGLAS

Doch die Liste von Pleiten, Pech und Pannen ist lang. Etwa das Desaster mit der wasserlöslichen Folie 1999. Mit der Idee, Plastik einzusparen, können die Konsumenten noch wenig anfangen. Scharenweise beschweren sie sich, die Tabs ließen sich nicht mehr aus der Folie lösen. Marketingtalent Dygruber engagiert Dagmar Koller als Testimonial, die mit unnachahmlicher Eleganz in einem Fernsehspot ein Tab in ein Wasserglas fallen lässt. Nun sieht ganz Österreich, dass sich die Folie auflöst.

Probleme jeder Art geht Dygruber mit Marketingdenke an. Als am Weltmarkt das Phosphat knapp wird und die Preise explodieren, lässt er es einfach weg und preist das als umweltfreundlich an. Früh erkennt er Öko als Schiene, auf die es sich zu setzen lohnt. Vielleicht inspiriert ihn die grüne Farbe dazu, doch er denkt die Sache nicht zu Ende: Ohne Phosphat reinigt Claro deutlich schlechter. Es hagelt Beschwerden. Während sich seine Leute um die ramponierte Waschkraft kümmern, engagiert er eine neue Werbeagentur, die den Claim „Grün, aber gründlich“ erfindet. Kritiker monieren, es müsste „Grün und gründlich“ heißen. Dygruber kontert, sie hätten „den Geniestreich aus der hohen Schule des Marketings nicht verstanden“.

CLARO GOES ONLINE

Die Jahre zwischen 2007 und 2009 werden zum Prüfstein. In vielerlei Hinsicht. Zum einen akzeptiert Dygruber, dass ihn Talent und Marketingverstand nicht ewig über die Runden bringen. Im Interview erzählt er stolz von seinem MBA, den er im zweiten Bildungsweg erwarb. „Ich habe erst die Praxis gemacht und mir später die Theorie angeeignet“, sagt er und schwärmt, sie als „Absprungbasis auf das Next Level“ genutzt zu haben. Für interkulturelles Marketing nämlich, „weil die Kunden in Shanghai und im Iran anders ticken“. Er als „Old Economy Start-up“ versteht nun auch die Onlineseite und beliefert Plattformen wie Alibaba und JD. Nicht ohne vorher seine Verhandlungspartner zum Mozartdinner ins St. Peter Stiftskulinarium eingeladen zu haben. Mit Musikbegleitung. Doch nicht alles läuft rund. 70 Prozent seiner Umsätze macht er als „Ghostpresser“ und produziert die Eigenmarken des Handels auf seinen Maschinen. Warum sollte der dann noch Claro listen, mit derselben Rezeptur? Dygruber ist so sehr mit dem Akquirieren neuer Auftraggeber beschäftigt, dass seine eigene Marke auf der Strecke bleibt. Als ihn auch noch ein vermeintlich lukrativer Kunde auf offenen Rechnungen in Höhe von 600.000 Euro sitzen lässt, steht er sehr allein da. Den Banken ist er nun zu unsicher, den Claqueuren ebenso. Nur der Vater leiht ihm noch Geld.

CRASHTEST 2008

erlebt Dygruber seine größte Schlappe. Unter der Headline „Nichts ist Claro“ verreißt die Stiftung Warentest seine Produkte. „Wenn du unbequem bist, bist du auch verdammt allein“, steht in seinem Buch. „Da bleiben dir nicht mehr als zwei, drei Leute, die anderen lehnen sich zurück und schauen, ob ihre Erwartung eintrifft, dass das eh nicht gut geht.“

Es spricht für sein Beharrungsvermögen, dass er nicht aufgibt. Dass er in den folgenden Jahren sein neu erworbenes Wissen über Vision, Mission und Strategie anwendet, die Fremdmarken absprengt („die erodieren langfristig deine Marke“) und Claro von Grund auf neu aufsetzt. Wirklich nachhaltig eben. Und während die Goliaths rund um ihn das Greenwashing entdecken und „ihre Packungen grün anmalen“ (Zitat Dygruber), ist er ihnen als Pionier längst meilenweit voraus.

Was ihm schließlich – sein größter Triumph – auch die Stiftung Warentest attestiert. 2019 liefert er als Testsieger „eine unglaubliche Performance“. 2020, als der Markt coronagetrieben um 20 Prozent wächst, wächst Claro um 50 Prozent. Sagt Dygruber.

RHABARBERTRÄUME

Jetzt ist er 53 Jahre alt. Viel zu früh, sich zurückzuziehen, gerade recht, um seinem „Buamatraum“ anzugehen: eine Ökofabrik, mit Solarpaneelen statt Schornsteinen, umgeben von einem riesigen Rhabarberfeld. Warum Rhabarber? „Weil wir ein Geschirrspülmittel mit Rhabarber haben.“ Es wäre doch genial, das mit eigenem Rhabarber zu produzieren, den er selbst erntet. Am Traktor auf dem Feld, davon träumt er schon lange. Und von einer Schaufabrik nach dem Muster Josef Zotters.

Wer weiß, vielleicht schaut dann auch der Herr Mateschitz eines Tages vorbei.

Autor/in: MARA LEICHT