Warum tun Sie das, was Sie tun, eigentlich?

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22.07.2020

Die Kunst des Fragens und Hinterfragens ist seit jeher faszinierend und essenziell zugleich. Denn sie offeriert die famose Möglichkeit der (Selbst-)Aufklärung und Erkenntnis, der Verständigung und des Verstehens. Es heißt ja auch aus gutem Grund: „Wer fragt, der führt.“ Oder: „Wer selbst spricht, erfährt nichts.“

Gewiefte „Ratschläger“ und Schwadroneure mit (vor-)schnellen Antworten und Lösungen haben zwar ebenso zeitlos Saison – besonders in unsicheren Zeiten. Aber deren Sprechblasen gehen vielfach ins Leere und lassen die Beratschlagten umso ratloser zurück. Das war und ist auch in pandemischen Covid-Zeiten nicht anders, in denen Futurologen und andere Wissende verdächtig oft irr(t)en. Deren beredte Prognosen und Diagnosen offenbar(t)en sich zuweilen als fragwürdige „Contragnosen“. Umso mehr könnte es Sinn machen, etwa bei Sokrates nachzuschlagen.

(Hinter-)Fragen als gefragte Kunst

Sokrates gilt als ein Meister des Fragens und Verwickelns in Widersprüche. Er mochte keine weitschweifigen Reden, sondern bestand auf einer möglichst direkten, konkreten Beantwortung seiner kritischen Fragen. Im sokratischen Gespräch haben das Fragen und Hinterfragen absoluten Vorrang – und nicht die vorschnelle, „gescheite“ Antwort oder eine unreflektierte, eitle Besserwisserei. „Ich weiß, dass ich nicht weiß.“ So gestand er selbst zweifelnd ein. Aber seine unzweifelhafte Frage-Kunst vermochte beim anderen überraschende (Selbst-)Erkenntnisse auszulösen.

Einer, der diese Kunst ebenso außergewöhnlich beherrschte, schien Kardinal Franz König gewesen zu sein. Als Hochbetagter erlitt er einen Oberschenkelhalsbruch und meinte, am Ende seines Weges angelangt zu sein. Aber es kam anders: Noch im selben Jahr feierte er seinen 98. Geburtstag mit einem Glas Sekt und fasste unverdrossen Mut. Und seine famose Conclusio daraus, quasi als sokratisch (Hinter-)Fragender: "Ich habe mir gedacht, ich darf nicht hadern und fragen: Warum ist mir das passiert? Ich muss die Frage anders stellen, ich muss fragen: Wozu ist mir das passiert? Was ist der Sinn dahinter?

Wozu?

Fragen nach dem Warum können durchaus Sinn machen – besonders in Krisenzeiten. Es ist gewiss nicht falsch, ja Not_wendig, Gründe zu erforschen und daraus zu lernen. Aber ein Warum zielt tendenziell nach hinten, forscht nach vermeintlichen oder tatsächlichen Ursachen in der Vergangenheit, sucht Schuldige, provoziert Verteidigung, lässt mit dem Schicksal hadern oder im Selbstmitleid suhlen.

Fragen nach dem Wozu hingegen sind vorwärtsgewandt, wirken erhellend und erweiternd. Sie bekommen ein ganz anderes Gewicht – genauso wie das Problem, die Niederlage, das Scheitern. Sie werfen uns auf uns selbst zurück und fragen nachhaltig nach dem Sinn. Und Sinn ist bekanntlich der stärkste Motor für Ermutigung und Veränderung. Was also, wenn wir etwa angesichts der Krise nicht nur fragten: Warum ist sie passiert? Sondern vor allem auch: Wozu? Überraschende wie merkwürdige Erkenntnisse nicht ausgeschlossen…

Zwei indiskrete Fragen

Wer fragt, der führt (auch sich selbst). So ließe sich der alte Lehrsatz plausibel ergänzen. Apropos: Kleine Kostproben gefällig?

(1) Was in Ihrem Leben empfinden Sie als Pflicht? Und was als Kür? Welcher Anteil ist größer? Glauben Sie, es wird besser?

(2) Möglicherweise eine der elementarsten Fragen des Lebens: Warum tue ich das, was ich tue, eigentlich? Oder raffiniert sokratisch abgewandelt – auch im Sinne Kardinal Königs: Wozu tue ich das, was ich tue, eigentlich? 

Aber Obacht – denn wie sagt eine alte Weisheit: Sobald du die Antwort hast, ändert das Leben die Frage.