Voice-over-IP: Mehr als nur Telefonieren

30.08.2005

Voice-over-IP bringt die Telefonie ins Datennetzwerk. Die Telefongespräche reisen als Datenpakete durchs Unternehmensnetz und können in Computer-Applikationen integriert werden. Die Kombination von Mail, Fax, Daten und Sprache führt zu einer einheitlichen und einfacheren Verwaltung und hilft Kosten sparen.

Von Klaus Lorbeer [email protected]
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Dank VoIP und IP-Telefonie eröffnen sich für KMU neue Möglichkeiten der Kommunikation, die früher aus Kostengründen ausschließlich Großunternehmen vorbehalten waren. Die Möglichkeit, mit Hilfe so genannter Multiplexer Sprachtelefonie in Datenpakete umzuwandeln, gibt es bereits seit vielen Jahren. Diese Lösungen waren jedoch in Anschaffung und Betrieb sehr teuer und wurden nur von Großunternehmen eingesetzt. Mit Voice-over-IP (VoIP, IP steht für Internet-Protokoll) und IP-Telefonie werden die Möglichkeiten, die das Telefonieren über Datennetze bietet, auch für KMU erschwinglich.
Einen großen Vorteil sieht Michael Salat, Manager KMUs bei Cisco, für mittelständische Unternehmen, die mehrere Standorte haben: "Dank der IP-Telefonie haben KMU nur mehr eine Telefonanlage und nicht mehr wie in der Vergangenheit eine Telefonanlage pro Standort", so der Cisco-Experte. Dies bedeute eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Verwaltungsaufwandes. Ein Filialist mit 50 Niederlassungen braucht dementsprechend keine 50 Telefonanlagen mehr, sondern hat eine Telefonanlage in seiner Zentrale - in den Filialen befinden sich nur die Endgeräte. Im Übrigen spricht Salat lieber von IP-Telefonie als VoIP. Denn letzteres bezeichne bloß den reinen Transportmechanismus, mit dem bereits in den 90er Jahren analoge Gespräche in digitale Signale umgewandelt wurden, und dann via Router über das Unternehmensnetz verschickt wurden, um auf der anderen Seite wieder in eine traditionelle, analoge Telefonanlage hineingeleitet zu werden. Im Unterschied dazu nutzt IP-Telefonie nur mehr ein IP-Netzwerk, statt ein Daten- und ein Telefonienetzwerk parallel. Dies bringe zudem gerade bei neu zu beziehenden Gebäuden den Vorteil mit sich, dass auch nur die halbe Verkabelung benötigt werde, weiß Salat.
Zudem sei bei IP-Telefonie auch die Nutzung von drahtlosen Netzen möglich, berichtet Peter Pickem, Produktmanager bei Kapsch BusinessCom: "WLAN (Anm.: Wireless Local Area Network) ermöglicht die rasche Implementierung neuer Funktionen, wie VoIP und WLAN-Telefonie in Bereichen, wo keine nachträgliche Verkabelung erwünscht oder möglich ist. WLAN ist speziell dort wirtschaftlich, wo es gleichzeitig für Telefonie und andere Anwendungen, wie Barcode, Scanner, PDAs, Tablet-PCs etc. genutzt wird."
Durch die Nutzung von Datennetzen kann die Telefonie in Kommunikationssoftware wie Microsoft Outlook integriert werden. Auch Applikationen wie Customer-Relation-Management- (CRM), Enterprise-Ressource-Planning- (ERP) oder Call-Center-Anwendungen können eingebunden werden und so bestehende Prozesse im Unternehmen unterstützen und den Kontakt zu Kunden und Partner wesentlich verbessern, erläutert Wolfgang Grabuschnig von der Telekom Austria.

Preiswerte Vielseitigkeit
Gerhard Scheidl, Produktmanager bei Avaya Austria, ist überzeugt, dass sich VoIP-Lösungen besonders gut im KMU-Bereich rechnen, da für das Telefonieren nur die ISDN-Kosten und für die Daten die IP-Kosten anfallen. "Die Herausforderung liegt in einer sauberen Planung des Kommunikationsnetzes und dessen Umsetzung", weiß Scheidl. Als Voraussetzung nennt der Avaya-Manager einerseits genügend Bandbreite und andererseits VoIP-taugliches Equipment. Ähnlich sieht dies Wolfgang Grabuschnig von der Telekom Austria. Vorausgesetzt, es ist beim Kunden eine strukturierte LAN-Verkabelung vorhanden, können sich VoIP-Lösungen - abhängig von Anforderungen und Größe der Kunden - laut Grabuschnig ab der ersten Stunde rechnen. Telekom Austria biete alle VoIP-Lösungen als "managed Service" an, fügt der Telekom-Mann hinzu: "Der Betrieb der Lösung wird an uns ausgelagert. Dadurch kann sich der Kunde auf sein Kerngeschäft konzentrieren."
Dennoch: Eine pauschale Einsparungsrate zu geben, ist schwierig, betont Michael Salat: "Das ist sehr individuell. Die größten Einsparungen hat ein Unternehmen, je mehr Niederlassungen es hat." Besonders die einheitliche Verwaltung schlägt sich in reduzierten Kosten nieder. Peter Pickem: "Ein VoIP-All-in-one-System inklusive Apparate und Router kostet ab 500 Euro pro Port. Die Einsparungen liegen darin, dass der Anwender nur mehr ein Gerät kauft, nur ein Gerät installiert und gewartet wird. Das erspart Zeit, Mühe und letztlich Geld."

IP-Telefonie ist die Zukunft
"Wenn Sie eine IP-Telefonanlage haben, ist es ein Micky-Maus-Schritt hin zur Videotelefonie", weist Michael Salat auf ein künftiges Einsatzgebiet der IP-Telefonie hin. Die Kosten seien verschwindend gering und belaufen sich hauptsächlich auf den Anschaffungspreis von kleinen USB-Kameras für die Endgeräte. Peter Pickem skizziert ein typische Zukunftsszenario: "Während zwei Mitarbeiter miteinander videotelefonieren, bearbeiten sie gemeinsam dieselbe Datei. Unterdessen erhält der eine Mitarbeiter eine kurze Textnachricht seines Vorgesetzten eingeblendet, der auf Grund der Anwesenheitsinformation wusste, dass sein Mitarbeiter telefonisch nicht erreichbar ist."
Wolfgang Grabuschnig, der VoIP immer auch im Zusammenhang mit den möglichen VoIP-Applikationen betrachtet, ist überzeugt, dass es zu einer weiteren Verschmelzung der unterschiedlichen Netze kommen werde. Grabuschnig: "Zukünftig ist mit einer Integration der GSM/GPRS-Netze und einem nahtlosen Zusammenwirken zu rechnen."
Speziell für KMU erkennt Gerhard Scheidl einen wichtigen Trend hin zu einer einfacheren Einbindung neuer Standorte und den schnelleren Aufbau von Kommunikationseinrichtungen im KMU-Segment. Zudem werde es, so Scheidl, durch genormte Standards eine Vielzahl von Endgeräten und neuen Lösungen geben.
In puncto Standards sieht Pickem einen Meilenstein bei der VoIP- Entwicklung "in der direkten VoIP- Anbindung an einen ISP, also ohne Gebührenabgabe an einen Telekom-Provider." Eine tragende Rolle kommt hier SIP (Session Initiated Protocol) zu: Das ist der Protokoll-Standard, der das Vernetzen von Unternehmen mit IP-Telefonie via VoIP auch untereinander ermöglicht.
(9/05)