Revoluzzer auf drei Rädern

Industriellenvereinigung
06.12.2012

Geht es nach Valentin Vodev, soll die urbane Fortbewegung künftig auf  drei Rädern stattfinden. Was hinter seinem Projekt Vienna Bike steckt,  haben wir bei einem Besuch in seiner Werkstatt erfragt.

Text: Daniel Nutz

Es sind zwei kleine Zimmer mit Dachschrägen, in denen Valentin Vodev seine Ideen Realität werden lässt. Die Dachgeschoßwohnung in einem Wiener Gemeindebau hat sich der Designer angemietet, um zu werken und zu schrauben – um an Prototypen zu basteln, mit denen er die städtische Mobilität revolutionieren will. In einem Eck steht ein Klapprad, dessen Faltmechanismus kaum sichtbar ist. Vodev spricht noch nicht gern darüber, da das entsprechende Patent noch nicht angemeldet ist. Nur eines verrät er: Das Rad wird binnen einer Sekunde ausklappbar sein – so schnell wie keines der handelsüblichen Teile. Daneben stehen andere Räder, und auch ein Kinderbuggy, der gleichzeitig als Roller fungiert, ist hier zu sehen. Neue Ideen für die urbanen Verkehrswege haben es Vodev angetan. Dazu passt auch seine prestigeträchtigste Idee: das Vienna Bike.

Ein Dreirad für die Stadt
Das weiße Stadtdreirad ist ein Hingucker. Angesichts der Tatsache, dass mit dem Vehikel Lasten von mehr als fünfzig Kilo transportiert werden können, kommt es sehr schlank daher. Das Design stehe immer in einer Symbiose mit der Funktion, erklärt Vodev. Dabei reizt den gebürtigen Bulgaren, immer wieder neue Wege zu gehen. „Ich will Dinge schaffen, die es so noch nicht gibt", erklärt Vodev, der mit seiner Partnerin Valerie Wolff seit zwei Jahren das Start-up Cycleeco betreibt. Was ist das Neue am Vienna Bike? Es vereint die Stabilität eines Dreirads mit der Wendigkeit eines Zweirads. Für die stabile Kurvenlage sorgt dabei ein schwenkbares Gelenk, das über der Radkette läuft. Hinzu kommt die Kraft eines E-Motors, der müde Beine unterstützen soll. Und das Einsatzgebiet? Geht es nach Vodev, soll das Vienna Bike zusehends die Autos aus der Stadt verschwinden lassen. Denn wozu braucht man in der Stadt ein Auto? Um Wege zu überbrücken, die laut Statistik weniger als 20 Kilometer pro Tag betragen. Distanzen, die man also leicht und locker mit einem E-Bike zurücklegen könne. Wenn man mit dem Fahrrad auch noch Lasten transportieren könne, stelle es vor allem für viele junge Menschen eine echte Alternative zum Pkw dar, so Vodevs Überlegung. 400 Euro koste der Erhalt eines Kleinwagens in Wien, rechnet er vor. Sein Vienna Bike soll – einmalig – rund 2.000 Euro kosten. Sollte also einmal Schlechtwetter herrschen, könne man bei dem Einsparpotenzial getrost auf ein Taxi umsteigen, kalkuliert der Fahrraderfinder.

Trend von der Industrie verschlafen
Vodevs Vienna Bike bedient einen Trend, der sich seit einigen Jahren vor allem im städtischen Gebiet abzeichnet, den die Fahrradindustrie aber weitestgehend verschlafen hat. Das Rad feiert in der Stadt nämlich ein Comeback als Verkehrsmittel und ist seinem Nischendasein als Sportgerät längst entwachsen. Eine Tatsache, die von den großen Radherstellern erst mit Verspätung erkannt wird. Für neue Ideen wie jene von Valentin Vodev ergibt sich dadurch ein „window of opportunity".

Produktion in Kleinserie
65.000 Euro haben er und seine Partnerin bisher in das Projekt gesteckt. Rund 70 Prozent davon konnte man durch Impulse-Förderungen des AWS aufstellen, ohne die eine Realisierung des Prototyps nicht möglich gewesen wäre. Die Idee stieß nicht nur durch einige Publikationen in der Zweirad-Community auf Resonanz. Ein EU-Projekt beschrieb das Vienna Bike kürzlich als eine von 27 ökologischen Erfolgsgeschichten. Das hilft natürlich bei der Suche nach einem Partner. „Unlängst kam sogar eine unverbindliche Anfrage eines japanischen Autokonzerns", sagt Vodev, der sich allerdings nicht sicher sei, ob die Automobilindustrie der passende Partner ist. Vielleicht sei es besser, mit einer Kleinserie zu starten. Schließlich muss jede Revolution im Kleinen beginnen. Irgendwann, davon ist Vodev aber überzeugt, wird man in der Stadt kaum mehr Autos sehen, sondern nur mehr Fortbewegungsmittel wie das seine. Das Vienna Bike sei übrigens erst der Anfang einer möglichen Produktreihe, träumt Vodev. In seinem Kopf geistert schon eine weitere Idee: Es geht um ein überdachtes elektrobetriebenes Dreirad.