Fix & Foxi

Kolumne
12.11.2015

Fix und Foxi – so hießen die beiden Hauptfiguren (Füchse) eines legendären Comic-Magazins, das 2010 ein letztes Mal erschien. Aber in der Redensart, jemand sei „fix und foxi“, sind sie quicklebendig geblieben, verniedlichend für „fix und fertig“. Weniger schmeichelhaft: groggy, hundemüde, schachmatt, ausgepowert, ausgebrannt, erschöpft. Oder schlicht: k. o.

Der Wolf Lupo hingegen, ihr Comic-Gefährte, hat nicht überlebt. Als ein im „Mäuseturm“ lebender, liebenswerter Schmarotzer, Vielfraß und Lebenskünstler hätte er wohl auch als reale Figur im kompetitiven Leistungszeitalter schlechte Karten. Denn heute gelten völlig andere Spielregeln und Wertmaßstäbe. 

So ist der Wunsch nach dem perfekten Leben zum Credo geworden. Perfekter Beruf. Perfekte Eltern. Perfekter Partner. Perfektes Einkommen. Schlaue Kinder. Schnelles Studium. Attraktiver Körper. Glatte Haut. Alterslos. Selbstoptimiert und hypereffizient. Einfach perfekt. 

Doch der Selbstoptimierungshype fordert seinen Tribut – etwa in Form erschöpfter Müdigkeit. Optimierungseifer fordert und fördert zweifellos Know-how. Er vernebelt aber gleichzeitig das Know-why. Umso vehementer meldet sich die Frage nach dem Warum und Wozu in der Krise, in der erschöpften Müdigkeit. Wenn nichts mehr geht. Umso mehr wird erfüllte Müdigkeit zum lohnenden Ziel. Denn sie bedeutet keineswegs Schlappheit, sondern ist purer Kraftstoff und sinnstiftend. Sie macht uns fix – aber nicht fertig.

Effizienzierung und Selbstoptimierung

Die gegenwärtigen Widersprüche könnten kaum krasser sein. Jedenfalls, wenn man diversen Umfragen, Pressemeldungen oder Publikationen glaubt. 

  • So sieht sich einerseits ein Drittel der Führungskräfte in Österreich und Deutschland tendenziell Burn-out-gefährdet, 5 Prozent halten sich für akut gefährdet (Hernstein Management Report 2015). Und einer Studie des Marktforschungsinstituts meinungsraum.at zufolge ist jeder zweite Arbeitnehmer in Österreich von Burnout bedroht: 51 Prozent arbeiten in einer psychisch belastenden Umgebung. Auch der Arbeitsklima-Index der AK-Oberösterreich zeigt: Immer mehr nehmen Psychopharmaka, um dem Arbeitsdruck standhalten zu können. 

  • Andererseits nutzen Veranstalter wie der „Frankfurt Marathon“ den Trend, dass viele Zeitgenossen nicht nur im Beruf, sondern auch in Sport und Freizeit vom Ehrgeiz getrieben sind. Vor allem Top-Manager. Deshalb wird speziell für diese Zielgruppe die Bewertungskategorie „Manager“ – inkl. klar definierter Benchmark – angeboten, um sich im direkten Wettbewerb messen zu können. Gewinner sein wollen steht ganz oben auf der Werteskala.

  • Einerseits schreibt Klaus Werle in seinem Buch „Die Perfektionierer“, das Streben nach Perfektion sei zum kategorischen Imperativ des 21. Jahrhunderts geworden. Er rechnet mit dem zwanghaften, herdengetriebenen Drang zur Selbstoptimierung ab, angelehnt an ein bekanntes Bonmot: „Wer der Herde folgt, sieht nur Hinterteile.“ Und die Journalistin Birgit Braunrath pflichtet in ihrer Kolumne unter dem Titel „Effizienzierung“ bei: „Effizienzsteigerung ist das Dogma der Verheizungsgesellschaft. Gestern wieder im Mail-Eingang gefunden: ´Fünf Tipps für mehr Produktivität´. Dankend abgelehnt.“ (Kurier, 16.07.2015) 

  • Andererseits geht laut einer aktuellen Studie des Personaldienstleisters R. Half fast ein Drittel der österreichischen Finanzchefs davon aus, dass eine verlangsamte Geschäftsaktivität während der Sommermonate negativen Einfluss auf ihr Unternehmen hat. Und im Börsenhandel werden per Mausklick Milliarden in aberwitziger Geschwindigkeit bewegt. „Wer zu spät kommt, den bestraft die Börse.“ So der Titel eines WirtschaftsBlatt-Berichtes. 

Umso erstaunlicher, dass 2010 ein philosophisches Buch innerhalb von zwei Wochen (!) ausverkauft war. Offenkundig hatte Byung-Chul Han mit der „ Müdigkeitsgesellschaft“ einen wunden Punkt unseres widersprüchlichen Zeitgeistes getroffen.

Erfüllte Müdigkeit auf der Alp

Erfüllte Müdigkeit mag auf den ersten Blick wenig sexy klingen. Bei genauerem Hinsehen wird aber klar: Sie macht uns „fix“ (also „fit“), aber keineswegs „fertig“. Wir sind nicht erschöpft, sondern erfüllt. Weil sie Resultat eines gesunden und befriedigenden Arbeitens ist. Wie das möglich ist, beschreibt Katharina Afflerbach in einem bemerkenswerten „Klartext“-Beitrag unter dem Titel „Warum ich 4 Monate im Jahr das Büro gegen den Stall tausche“ (XING, 11.11.2015).  

Sie hatte ihren Job als Marketingdirektorin gekündigt und ging als Sennerin auf die Alp (Alm). Downsizing at its best. Nach vier Monaten Melken, Heuen und Co. kehrte sie als freiberufliche Marketingberaterin in die Großstadt zurück – um im folgenden Sommer wieder „z´Bärg“ gehen zu können. Wie oft sie die Frage „Warum machst du das?“ hörte, ist vorstellbar. Ihre verblüffende Standardantwort: „Warum nicht?“

Klar, Alm-Arbeit macht wohl nicht alle „fix“, eher „fertig“. Aber es geht um dieses „Ja, warum nicht?“ Um das Andenken und Zulassen von ungewöhnlichen Freiräumen. Denn diese Freiräume sind auch Energieräume, um gesund und erfolgreich zu sein – damit auch zufrieden, erfüllt.

Und was macht dieses gesunde, befriedigende Arbeiten aus? Die plausible Antwort der Teilzeit-Sennerin: Es gibt immer ein Ergebnis – und zwar sofort. Es wird immer nach Lösungen gesucht – und zwar an Ort und Stelle. Und man selbst ist immer elementarer Teil der Lösung: Die Kuh ist gemolken, der Stall ausgemistet, der Baum gefällt. 

Wie meinte noch Albert Einstein: „Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“ Umso schlüssiger scheint auch Afflerbachs These: „Jeder braucht seine ganz persönliche Alp.“ Jedenfalls im übertragenen, metaphorischen Sinn. In der Praxis wird sie ein jeweils unterschiedliches Gesicht haben.

Und – wie könnte Ihre ganz persönliche Alp aussehen? Ausprobieren! Warum nicht?