Woher Österreichs Öl kommt

Redaktion Die Wirtschaft
04.10.2005

Hurrican „Katrina“ spülte 58 Ölplattformen und damit zehn Prozent der US-Ölversorgung ins Meer. Das erste Strohfeuer ist inzwischen abgebrannt, Steuermaßnahmen wirken dem hohen Ölpreis entgegen. Die Krise hat jedoch die Rohöl-Abhängigkeit ins Bewusstsein gerückt. Österreichs Autofahrer werden wohl auf absehbare Zeit nicht billiger tanken können. Stellt sich die Frage: Woher kommt eigentlich Österreichs Öl?

Von Eva Stanzl e.stanzl@wirtschaftsverlag.at
Fotos OMV

Bis Jahresende würde der Ölpreis auf heutigem Niveau, jedenfalls aber bei „über 50 Dollar“ je Fass bleiben, erwartet OMV-Generaldirektor Wolfgang Ruttenstorfer. Zwar würde binnen drei Jahren der Ölpreis wieder „auf etwa 30 Dollar“ sinken, weil sich das Angebot aufgrund von Investitionen in neue Ölfelder erhöhen würde. Der Aufschwung sei allerdings nicht vor Anfang 2006 zu erwarten. Andere Experten zeigen sich weniger optimistisch. Das Wirtschaftsforschungsinstitut rechnete jüngst mit noch drastischeren Anstiegen als bisher, die EU-Energiekommissar Andris Piebalgs vor allem mit einem weltweit gestiegenen Verbrauch begründet.
Fest scheint zu stehen: Den Österreichern werden ihre Autos und ihre warmen Wohnungen im Winter teurer zu stehen kommen als bisher. Im Unterschied zu Norwegen, das die drittgrößten Ölreserven der Welt besitzt und derzeit kaum weiß, wohin mit den explodierenden Einnahmen, bezieht Österreich sein Öl aus 14 bis 15 Ländern und zu weniger als zehn Prozent aus der eigenen Erde.

Lieferland Kasachstan
Insgesamt verzeichnete Österreich 2004 einen Mineralölverbrauch von 12,4 Millionen Tonnen. Davon kamen 7,56 Millionen Tonnen aus Rohölimporten der OMV, sechs Millionen Tonnen aus Importen von Rohölprodukten und der Rest aus der Inlandsförderung. Das zeigt der Jahresbericht des Verbands der Mineralölindustrie der Wirtschaftskammer. Mit 7,56 Millionen Tonnen Rohöl importierte die OMV um 3,4 Prozent weniger als 2003 und um sieben Prozent weniger als 2002, wobei sich die Rohöl-Exportländer „von Jahr zu Jahr je nach den Marktgegebenheiten“ ändern, sagt Christoph Capek, Geschäftsführer des Fachverbands. Die Kreativität in der Preisgestaltung sei also limitiert: Sie hänge davon ab, wie viel die einzelnen Länder pro Tonne Rohöl verlangen.
Wichtigstes Lieferland war 2004 Kasachstan mit 1,73 Millionen Tonnen Rohöl. Das Land, das 2003 noch an vierter Stelle lag, nahm 2004 damit die Spitzenposition in der Versorgung Österreichs ein. Das Ölfeld von Kaschagan im nördlichen, zu Kasachstan gehörenden Teil des Kaspischen Meeres gilt als der größte Ölfund der letzten 30 Jahre und als zweitgrößtes Vorkommen weltweit. Weltweit flossen 2004 5,3 Mrd. Dollar direkt in den kasachischen Mineralölsektor – das ist ein Plus von 152 Prozent im Jahresvergleich. Die OMV fördert in Kasachstan und prüft derzeit ihre Wachstumsmöglichkeiten, auch über ihre Mehrheitsbeteiligung am rumänischen Energiekonzern Petrom. Saudi-Arabien steht in der österreichischen Rohölversorgung mit 1,5 Millionen Tonnen an zweiter, Russland mit 1,3 Millionen Tonnen an dritter Stelle. Ferner importierte die OMV Rohöl aus Algerien, Aserbaidschan, dem Irak, Lybien, Nigeria, Syrien, Tschechien und Tunesien. Neu dazu kamen 2004 Großbritannien, der Iran und Turkmenistan.

Anlaufstelle Triest
Von den Feldern der für Österreich bedeutenden Erdölländer gelangt das Rohöl über Pipelines zu Seehäfen vorwiegend im Mittelmeer und im Schwarzen Meer, „und von dort geht das meiste davon nach Triest“, sagt Capek. Vom Triester Anlaufhafen erfolgt der Transport in der Rohöl-Pipeline der TAL (Transalpine Ölleitung) bis zur Übergabestelle nach Würmlach in Kärnten, wo von das für die Raffinerie Schwechat bestimmte Rohöl an die AWP (Adria-Wien-Pipeline) übergeben wird. Auf dem Weg zur Raffinerie in Schwechat muss sie die Koralpe an der Grenze Kärnten Steiermark und den Wechsel an der Grenze Steiermark/Niederösterreich überqueren. Künftig soll jedoch für die österreichische Rohölversorgung ein zweiter Weg erschlossen werden: die Verlängerung der Dzuba-Pipeline. Mit einer Rohöl-Pipeline von der slowakischen Hauptstadt Bratislava zur OMV-Raffinerie in Schwechat (BSP oder Bratislava-Schwechat-Pipeline) sollen insbesondere die russischen Erdölproduktionsstätten unter Vermeidung des Seeweges mit dem Flaschenhals „Bosporus“ erschlossen werden. Die Fertigstellung dieser neuen Pipeline ist für 2007 vorgesehen.
Zu den Rohölimporten kommt die Inlandsförderung der OMV. Die Erdölproduktion in Österreich belief sich 2004 auf 891.254 Tonnen, wobei 839.906 Tonnen davon im Wiener Becken und die restlichen 51.348 Tonnen in der so genannten Molassezone im niederösterreichischen Weinviertel gefördert wurden. Das in Österreich geförderte Rohöl wird in Pipelines nach Schwechat transportiert. Da das österreichische Öl tief unter der Erde liegt, sind die Förderkosten vergleichsweise hoch.
Um auf den österreichischen Gesamt-Mineralölverbrauch von 12,4 Millionen Tonnen zu kommen, seien außerdem sechs Millionen Tonnen importierte Rohölprodukte dazuzurechnen, hebt Capek hervor. Etwa Benzin, Diesel oder Heizöl: „Das wird größtenteils aus Deutschland, Italien, der Slowakei oder Tschechien importiert, es hängt auch vom Transport und der Logistik ab.“ Ebenfalls von der Logistik abhängig seien nicht-österreichische Mineralkonzerne mit Tankstellen in Österreich, wie Aral, Shell, BP oder Agip: Sie beziehen ihre Produkte entweder von der OMV oder von ihre eigenen oder anderen Raffinerien in der Nähe – etwa Agip aus Italien oder BP aus der Slowakei.
Die OMV-Raffinerie Schwechat ist Österreichs einzige Raffinerie. Ihre Rohölkapazität liegt heute bei 9,6 Millionen Tonnen pro Jahr. Durch Destillation und Veredelung von Rohölen und Halbfabrikaten werden daraus hochwertige Mineralölprodukte und petrochemische Grundstoffe erzeugt. Schwechat deckt 60 Prozent des österreichischen Mineralölbedarfs. Der OMV-Konzern ist im Bereich Exploration & Produktion in 18 Ländern auf fünf Kontinenten aktiv. Mit dem Abschluss der Übernahme der Aktienmehrheit an Petrom durch die OMV im Dezember 2004 entstand der größte Öl- und Erdgaskonzern Mitteleuropas mit Öl- und Gasreserven von über 1,4 Milliarden Barrell, einer Tagesproduktion von rund 340.000 Barrell und einer jährlichen Raffineriekapazität von 26,4 Millionen Tonnen.
(10/05)

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