Von der Werkstatt zum Konzern
Zeitreise: Egal wie groß und erfolgreich sich ein Unternehmen auch jetzt präsentiert: Irgendwann einmal hat es klein angefangen, stürmische Zeiten erlebt, Wandel durchgemacht und wurde so zu dem, was es heute ist. Wir haben für diese Ausgabe in der Firmenhistorie von Kapsch gestöbert.

Text: Stephan Strzyzowski
1892: Johann Kapsch eröffnet eine feinmechanische Werkstätte in Wien. Der Sohn eines Bauern hat eine Lehre zum Mechaniker absolviert und fertigt nun Telegrafenstationen für die k.k. Post- und Telegraphenverwaltung. Erste Telefonapparate folgen. Johann Kapsch erweitert sein Einzelunternehmen und gründet mit seinen Söhnen die Kapsch u. Söhne OHG.
1912: Das Unternehmen eröffnet seine erste Fabrik – das Werk 1 – in Wien Altmannsdorf. Fabriks- und Verwaltungsgebäude befinden sich von nun an am Johann-Hoffmann-Platz.
1916: Kapsch wird in die Telephon- und Telegraphen-Fabriks-Aktiengesellschaft umgewandelt und die Produktpalette erneut erweitert. Aus dem Hause Kapsch gibt es nun auch Kondensatoren, Trockenbatterien und Zinntuben. Für die österreichische Post baut das Unternehmen das Telefonnetz aus und errichtet halbautomatische Amtszentralen.
1921: Johann Kapsch hinterlässt seinen Erben einen florierenden Betrieb.
Markenradios in den Zwischenkriegsjahren
1923: Kapsch steigt in die Produktion von Radio-Empfangsgeräten ein. Durch die Verwendung von Röhrentechnik wird die Empfangsleistung verbessert. Unter dem Namen „Pionier-L“ kommt das erste Radiogerät mit eingebautem Lautsprecher auf den Markt.
1927: Der Unternehmenserfolg ermöglicht die Eröffnung eines zweiten Werkes in der Kranichberggasse.
1930: Auf der Wiener Messe zeigt Kapsch den ersten Fernseher in Österreich im eigenen Pavillon. Das Unternehmen beschäftigt inzwischen rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Im Zweiten Weltkrieg
1939-1945: Kapsch muss Aufträge des NS-Regimes übernehmen. Während der Luftangriffe auf Wien, verlagert Kapsch Teile der Produktion in ländliche Gebiete. Bei Kriegsende sind drei Fünftel der Produktionsanlagen durch Sprengbomben und Brände zerstört.
Nach dem Krieg wird das Unternehmen mit der Wiederherstellung der automatischen Zentralen und der Lieferung von Fernsprechapparaten betraut. Der Wählapparat „W48″ wird zum Erfolg und die Umstellung der Wahlämter auf das „Wählsystem 48″ sichert langfristig eine gute Auftragslage.
Bei den Rundfunkkunden landet Kapsch mit dem Kleinempfänger „Mucki“ und dem tragbaren Radio „Weekend 5″ zwei Verkaufsschlager.
Eine neue Ära beginnt
1950er: Die 50er-Jahre werden für Kapsch zu Boom-Jahren. Das Unternehmen beschäftigt rund 1.000 Mitarbeiter. Ab 1953 übernimmt Kapsch die Generalvertretung der deutschen AEG-Telefunken. Übertragungstechnik wird zum Schwerpunkt des Unternehmens. Das erste UKW-Radio kommt auf den Markt, bald darauf auch das Transistorgerät Capri. 1955 präsentiert Kapsch ein eigenes S/W-Fernsehgerät. In der Fernmeldetechnik baut das Unternehmen unter anderem Wählämter in Italien und Brasilien.
1960er und 1970er Jahre: Expansion und Innovation
Ausbau und Veränderung sind die Kennzeichen der 60er und 70er für Kapsch. In Gänserndorf entsteht das Werk IV, das 25 Jahre lang der Fertigung von Telefonapparaten dienen wird.
1961: Mit 42.700 ausgelieferten Radios erreicht Kapsch den höchsten Absatz an Geräten in seiner Firmengeschichte. In den Folgejahren präsentiert Kapsch den Farbfernseher „Chromomatic“.
1970: Kapsch entwickelt ein neues Geschäftsfeld und rüstet die Österreichische Bahn mit Zugfunk aus. Die Wählämter sind österreichweit automatisiert, durch den Ausbau der Kapazitäten läuft das Geschäft mit der Amtstechnik unvermindert weiter.
1973: Kapsch errichtet die größte Nebenstellenanlage Österreichs. In der Bundesgebäudeverwaltung werden für mehr als 8.000 Teilnehmer eine Anlage konzipiert und Anschlüsse erstellt. Im gleichen Jahr wird die Produktion von Radiogeräten eingestellt.
1973-1979: In Forschung und Entwicklung arbeitet Kapsch an der Leiterplattentechnologie. Die ersten Nebenstellenanlagen mit Leiterplatten werden hergestellt und 1978 die Eigenproduktion von Leiterplatten aufgenommen. 1979 ändert das Unternehmen seinen Namen in Kapsch AG – der Name, der auch heute noch aktuell ist.
Digitale Elektronik und das Ende der Konsumgüter-Ära
1980er: Die 80er werden für Kapsch das Jahrzehnt der Großaufträge. Gemeinsam mit der Firma Schrack entwickelt Kapsch das digitale Telefonsystem OES-D. Für die Eigenfertigungen wird 1981 ein neues Werk in Fürstenfeld eröffnet. Mitte der 80er steigt Kapsch in den Mobilfunk ein und produziert in Fürstenfeld die ersten C-Netz-Mobiltelefone. 1985 wird die Produktion von Unterhaltungselektronik eingestellt. Kapsch richtet in Österreich das erste digitale Wählamt ein. Im Zugfunk präsentiert Kapsch Innovationen – der „Zugfunk 2000″ überzeugt die ersten Bahnkunden in Osteuropa. Ab 1989 werden als Folge der internationalen Ausweitung des Geschäfts die ersten Tochtergesellschaften im Ausland gegründet. Bis 1994 entstehen Repräsentanzen in Ungarn, Tschechien, Polen, der Slowakei, der Ukraine, Russland, Slowenien und Kroatien.
Mauttechnik und Mobiltelefonie
1990er: Kapsch entdeckt die Verkehrstechnik als neues innovatives Geschäftsfeld und entwickelt elektronische Maut- und Verkehrssysteme. Das Unternehmen errichtet das elektronische Ökopunkte-System für Österreich und errichtet in der Schweiz 200 Mautstationen. In der Telefonie baut Kapsch das gesamte Netzwerk der mobilkom austria und deren Mobilfunknetz A1 aus.
Weltmarktführer im Wandel
2000: Georg, Kari und Elisabeth Kapsch übernehmen die Anteile der Familie Wilhelm Kapsch. In der Telekom-Branche verschärft sich der Wettbewerb – Kapsch verkauft das Werk in Fürstenfeld und reduziert die Fertigung im Stammwerk. Mit der strategischen Übernahme der Schrack BusinessCom kann sich das Unternehmen eine führende Position in der Business-Telefonie sichern. In der Verkehrstechnik untermauert der Kauf des schwedischen Maut-Spezialisten Combitech das Engagement von Kapsch.
2002: Die Kapsch AG formiert seine drei strategischen Geschäftsbereiche zu eigenständigen Unternehmen: Kapsch CarrierCom bietet Telekommunikationssysteme für Fest-, Mobil- und Datennetze, Kapsch TrafficCom deckt die Verkehrstechnik und intelligente Transportsysteme ab und Kapsch BusinessCom agiert als Servicepartner für Informations- und Kommunikationstechnologie.
2003: Kapsch entwickelt in Österreich das elektronische Mautsystem für LKW. 2006 wird das elektronische LKW-Mautsystem in Tschechien errichtet.
2007: Kapsch TrafficCom unternimmt den Schritt an die Börse.
2009: Die Aktie der Kapsch TrafficCom AG wird in den VÖNIX Nachhaltigkeitsindex aufgenommen. Kapsch BusinessCom beweist ihre technische Kompetenz als Cisco–Goldpartner und Kapsch CarrierCom stärkt durch weitere Zukäufe ihre Marktposition in Zentral- und Osteuropa.
2010: Kapsch TrafficCom erwirbt „Mark IV IVHS“ und sichert sich damit einen ausgezeichneten Markteintritt in Nordamerika. In weiterer Folge können Großaufträge in Südafrika, Polen und den USA gewonnen werden.
2011: Kapsch verlegt die Fertigung von GSM- und GSM-R-Systemen von China zurück nach Wien.
2012: Kapsch wird Apple-Partner in Österreich. Das Unternehmen erhält zusätzliche Aufträge für intelligente Verkehrssysteme aus den USA. Auch Straßenbetreiber in Australien und Brasilien werden als Neukunden gewonnen.
2013: Heute ist die Kapsch Group Qualitäts- und Innovationsführer in den Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnologie und intelligenten Verkehrssysteme. Über 5.000 Mitarbeiter sind in Niederlassungen, Repräsentanzen und Beteiligungen in der ganzen Welt tätig.