Unter Strom
Mobilität: Elektrizität und Autos bestimmen unser tägliches Leben. Beides zur Elektromobilität zu verschmelzen scheint nur logisch. Während der Funke im Privatbereich nicht so recht überspringen will, wird das Thema aber für Unternehmer immer interessanter.


Text: Oliver Weberberger und Gerhard Brunnbauer
Wer Elektromobilität hört, denkt oft an leere Batterien, Kabelsalat und wenig Spielraum für Fahrfreude, Flexibilität und Dynamik. Es scheint die Leichtigkeit im Umgang zu fehlen, die wir normalerweise mit dem Automobil verbinden. Dabei scheint die mobile Zukunft elektrisch zu sein – zumindest, wenn man den Beteuerungen der Politik und den Prognosen der Wissenschaft hinsichtlich Klimawandel und Ressourcenknappheit glauben will. Doch was lässt uns noch zaudern? Wieso mag keiner so recht daran glauben, dass bis 2020, wie von der Politik angekündigt, 200.000 elektrobetriebene Fahrzeuge durch das Land der Berge rollen?
Leiden der E-Mobilität
Da wäre einmal die Sache mit der Technik. Die Schwachpunkte der elektrischen Fortbewegung sind seit ewigen Zeiten bekannt. Schon der 1900 der Weltöffentlichkeit präsentierte Lohner Porsche kämpfte mit massivem Übergewicht, geringer Reichweite und langen Ladezeiten. Und auch mehr als hundert Jahre später kämpft die Autoindustrie noch immer mit den gleichen Problemstellungen. Sicher, das Übergewicht lässt sich bei Elektroautos bereits so halbwegs in den Griff bekommen. Der Einsatz von leichten Werkstoffen im Karosseriebau setzt sich langsam durch – auch wenn manche Hersteller diesen Trend aus Kostengründen noch ignorieren. Ein weiterer Weg zu weniger Gewicht: Man reduziert einfach das Auto an sich. Der Renault Twizzy als türloses und heizungsbefreites Zwitterwesen aus Auto und Motorroller stellt ein gutes Beispiel dar. Der eigentliche Gewichttreiber – die Batterie – lässt sich aber nicht wegargumentieren. Das Problem: Hohe Reichweiten bedingen nun mal den Einsatz leistungsstarker Akkus. Dies bedeutet wiederum mehr Gewicht, längere Ladezeiten und schlussendlich wieder höhere Kosten. Die Katze beißt sich also in den
Schwanz.
Zahlt sich ein Kauf aus?
Teuer ist das ganze Brimborium auch noch. Ganz klar, innovative Technik kostet nun mal ihr Geld, was sich am Beispiel eines VW e-Up sehr einfach verdeutlichen lässt. Der Preis des kleinen Elektromobils beläuft sich auf rund 25.000 Euro – um die Hälfte steht ein ähnlich ausgestatteter Benziner in den Schauräumen. Wer will, kann sich den Mehrpreis pro Liter ausrechnen und diesen dem Stromverbrauch gegenüberstellen. Aber auch ohne Rechenschieber wird schnell klar, dass es sich um den Preis eines e-Up auch schon vortrefflich Diesel-Golf fahren lässt. Hier stellt sich die Frage: Wie hoch ist die Schmerzgrenze der Käufer? Und wie weit korrigieren sich die Preise, insbesondere die der Batterien, irgendwann nach unten. Man bedenke: Auch Mobiltelefone waren einmal teuer, hatten kaum Akkuleistung und waren noch dazu strohdumm. Heute sind sie aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, sind Alleskönner, Lebensretter und soziale Netzwerke zugleich und passen zudem noch in jede Hosentasche.
Nahezu allen Elektroautos ist die durchschnittliche Reichweite von rund 130 Kilometer gemein. Für sich betrachtet ist das schon ganz ordentlich und für den durchschnittlichen Alltag eines durchschnittlichen Österreichers sicher ausreichend. Dazu gesellt sich das wohlige Gefühl, der Umwelt etwas Gutes zu tun, Vorreiter zu sein und der Klimaerwärmung Einhalt zu gebieten. Die extreme Spurtstärke der Batterieträger als Systemvorteil zu sehen, wird sich eher auf wenige lustige Momente mit (noch) vollem Akku beschränken. Unterm Strich ist der Mensch derzeit noch ein Benzinbruder, und rapid sinkende Reichweiten sind nicht das seine. Autobahn, kalte Winternächte oder pubertäre Ampelsprints knabbern am Speicher wie Jugendliche an den Fingernägeln, da ist es dann auch schon egal, dass E-Autos im Feinstaubhunderter von Laserpistoleros keine Gnade zu erwarten haben. Es braucht keine „Das Glas ist halbleer“-Mentalität, um zwischen mulmigem Gefühl und blanker Angst zu schwanken, wenn es darum geht, auf die Schnelle zu laden. Abhilfe schafft hier der Range-Extender – also ein benzinbetriebener Generator on-board –, Plug-in-Hybrid-Technik und in weiterer Folge auch die Brennstoffzelle als mobiler Stromerzeuger. An dieser Technologie arbeiten derzeit Kapazunder wie Hybrid-Vorreiter Toyota, Hyundai und auch Daimler. Man befindet sich dabei bereits im erweiterten Versuchsstadium. Man darf also davon ausgehen, dass das Thema Wasserstoff in den nächsten Jahren schlagend
wird.
Zielgruppe: KMU in Ballungsräumen
Geht der reine Elektroantrieb also an der Realität vorbei? Nicht ganz, denn es gibt da noch die Unternehmerschiene. Vor allem Klein- und Mittelbetriebe in urbanen Ballungsgebieten, vom Bäcker bis zum Elektro-Installateur bieten sich als Vorreiter im E-Mobilitätsbereich an. Im täglichen Kurzstreckeneinsatz reicht die Akku-Reichweite der diversen elektrobetriebenen Kleintransporter in der Regel locker. Die Abhängigkeit von öffentlichen Ladestationen kennen solche Betriebe in der Regel auch nicht, denn geladen wird nach Feierabend an der betriebseigenen Schnellladestation. Attraktive Förderprogramme der jeweiligen Landesregierungen dämmen dann auch die höheren Anschaffungskosten auf ein erträgliches Maß.
Bleibt das Problem der Infrastruktur. Österreichweit gibt es derzeit rund 3.300 E-Ladestationen, die meisten davon an öffentlichen Plätzen im urbanen Bereich oder auf Raststationen. Im Klartext heißt das, für Otto Normalverbraucher in seiner Miet- oder Eigentumswohnung ohne eigene Lademöglichkeit ist E-Mobilität ein Flüsterwitz. Davon gehört: ja. Ernsthaft darüber nachgedacht: nicht wirklich. So wird der urbane Kurzstreckenfahrer – an sich die klassische Zielgruppe – zum Zaungast. Bleiben als Zielpersonen betuchte Hausbesitzer im Speckgürtel mit dem Wunsch nach einem Öko-Mobil als Zweitfahrzeug. Nur so viele gibt es davon nicht. Dass sich die Akzeptanz der E-Mobilität aber mittelfristig ins Positive ändern wird, scheint die Prognose von Mitsubishi-CEO Osamu Masuko zu untermauern. Masuko geht von einer Reichweite von bis zu tausend Kilometern ab 2024 aus. Möglich wird das durch stetig fallende Akkupreise und neue innovative Technologien auf diesem
Sektor.
Am Beginn des Weges
Wie steht es letztlich um die Zukunft der E-Mobilität? Steigende Spritpreise, strengere Umweltauflagen und daraus resultierende innerstädtische Fahrbeschränkungen werden das E-Mobilitätsthema jedenfalls weiter anheizen. Der derzeitige Stand der Technik kann zudem nur als Zwischenstufe bezeichnet werden. Man darf nämlich nicht vergessen, dass die großen Automobilhersteller samt ihren enormen Entwicklungskapazitäten sich erst seit kurzem mit dem Thema beschäftigen.
Fakt ist, dass wir noch immer erst am Anfang der Fahnenstange stehen. Geht es nach der Politik, sollen in Österreich bis 2020 rund drei Prozent der angemeldeten Kraftfahrzeuge mit alternativem Antrieb unterwegs sein, das wären dann gut 200.000 E-Mobile. Deutsche Studien gehen gar davon aus, dass jeder vierte Neuwagen in Deutschland ab 2025 ein Elektroauto sein wird (das wären sagenhafte 2,9 Millionen Fahrzeuge). Gewagte Prognosen. Zählt man allerdings sämtliche Hybrid-, Plug-in-Hybrid-, Brennstoffzellen-, Range-Extender- und Elektrofahrzeuge zusammen, erscheint das Ganze wieder einen Hauch realistischer. Eins sollte man sich tunlichst verkneifen: dem Ganzen keine Zukunft zuzugestehen. Diesen Fehler machten unsere Vorfahren vor über hundert Jahren auch, als sie das Automobil als kurzlebiges Spielzeug abstempelten.