Innovation durch die Masse

Redaktion Die Wirtschaft
08.07.2014

Best Practise: Die Kunden bei Produktinnovationen einzubinden ist für viele Konzerne ein Erfolgsgeheimnis. Das Beispiel einer Südtiroler Tischlerei zeigt, dass auch Kleinbetriebe von Crowdsourcing profitieren.

Text: Daniel Nutz

In Sachen Holzverarbeitung kann man den Südtiroler Brüdern Raimund und Meinrad Lunger eigentlich nichts erzählen. Seit neun Jahren führen die beiden einen Bozener Familienbetrieb und leben dabei eine alte Handwerkstradition. Ihr Geschäft ist die Herstellung von Massivmöbeln aus Naturholz ohne die Verwendung von Lacken. „Wir planen alles im Einklang mit den Kunden. Unsere Arbeiten sind Einzelstü­cke. Wir wollen auch etwas Einzigartiges bieten“, sagt Meinrad Lunger und erklärt damit, wofür der Familienbetrieb steht. In den 50 Jahren seit Bestehen der Tischlerei ist man damit stets gut gefahren. Zumal Expansion und Wachstum nie die großen Ziele waren. Dennoch fragte sich das Brüderpaar irgendwann: Braten wir nicht vielleicht schon zu lange im eigenen Saft? Wäre es nicht von Vorteil, neue Denkweisen ins Unternehmen zu holen? Doch wie soll man das anstellen mit den begrenzten Möglichkeiten eines Zweimannbetriebs?

Die Ideen kommen von außen
Die Antwort fanden die Lungers in einem Projekt des Südtiroler Handwerksverbands. Es ging um eine Plattform für Open Innovation und Crowdsourcing. Noch nie gehört? So ging es auch den Lungers. Produktinnovation spielte sich im Handwerksbetrieb normalerweise in den Köpfen der beiden Geschäftsführer ab. Diesmal sollte aber alles anders laufen. Über die Website openinnovation-suedtirol.it riefen die Brüder gemeinsam mit anderen Handwerksbetrieben die breite Masse auf, Ideen zu gewissen handwerksspezifischen Problemstellungen einzubringen. „Unsere Überlegung war, Produktideen zu sammeln, in denen gesundheitsschädliche und ökologisch problematische Plastikteile durch Holz ersetzt werden“, erklärt Meinrad Lunger. Insgesamt gaben 80 Teilnehmer – von Architekten bis zu ganz normalen Endkonsumenten – ihre Vorschläge ab. „Es waren Ideen dabei, auf die wir so nie gekommen wären“, sagt Lunger. Drei davon wurden prämiert: ein innovativer Schirmständer, ein Obstschneidegerät sowie ein hölzerner Paravan (siehe Bilder rechts). Als Preis ließ die Tischlerei Lunger eine Woche Urlaub in ihrem Heimatort Bozen sowie einige kleine Möbel aus dem eigenen Sortiment springen: allemal eine kostengünstige Investition, um Ideen für Produktinnovationen ins eigene Unternehmen zu holen.
 
Viele Beispiele von Open Innovation
Was die Gebrüder Lunger machten, nennt sich im Fachjargon Crowdsourcing und ist ein Ansatz von Open Innovation. Innovation spielt sich in solchen Verfahren nicht mehr hinter verschlossenen Türen ab, erklärt Professor Johann Füller von der Universität Innsbruck die neue Denkweise. Es geht darum, Know-how von Lieferanten, Kunden, externen Partnern oder freiwilligen Gruppen einzubinden, um die Qualität des Innovationsprozesses zu erhöhen. „Man hat tolle Möglichkeiten, einerseits Feedback einzuholen und andererseits Kreativität von außen ins eigene Unternehmen zu bringen“, so Füller, der neben der universitären Lehre eine Innovationsagentur in München betreibt. Basis dieser neuen Möglichkeiten ist das Internet. „Es gibt heute für fast alles Webforen und Online-Communitys. Etwa zehn bis 20 Prozent beschäftigen sich mit bereits existierenden Produkten und geben Ratschläge, wie man diese besser machen könnte“, erklärt der Professor. Viele Unternehmen nützen diese Möglichkeiten sehr gezielt und entwickeln eigene Internetplattformen. Der Handelsriese Spar fragt etwa seine Kunden, welche Artikel sie gern in den Regalen sehen würden. Apple geht einen Schritt weiter und bittet über seinen Appstore die eigenen Kunden, selbst Programme für seine Smartphones zu schreiben, und schneidet letztlich beim Vertrieb kräftig mit. VW ruft Anwender auf, ebendies für seine Plattform „App my Ride“ zu machen, und stellt dabei den Entwicklern den Zugang zu technischen Informationen zur Verfügung.
 
Ein Weg für KMU
Die angeführten Beispiele zeigen: Die Möglichkeiten, gemeinsam mit der Masse Innovation zu betreiben, sind vielfältig. Und sie stehen nicht nur Konzernen zur Verfügung. KMU profitieren dann, wenn sie sich zusammenschließen oder einschlägige Plattformen nutzen. Das beginnt bei der Suche nach einfachen Lösungen für Alltagsprobleme. Ein simples Beispiel ist die erfolgreiche Website 99designs.at. Hier können Firmen ihre Aufträge für Drucksorten wie Visitenkarten direkt an die Crowd vergeben und viele Designer zu einem Wettbewerb laden. Gezahlt wird letztlich nur für das am besten umgesetzte Produkt. Andere Kooperationen betreffen die branchenübergreifende Zusammenarbeit mit der Kreativwirtschaft nach dem Schema: Ich habe eine Idee und brauche jemanden, der mir das Design erstellt. Ein Beispiel dafür ist das eingangs erwähnte Projekt der Tischlerei Lunger. Das Beispiel der Lungers zeigt aber auch Probleme auf. Für die neuen innovativen Produktideen ist das auf persönlichen Kontakten aufgebaute Vertriebssystem des Zwei-Mann-Unternehmens nicht geeignet. „Wir suchen noch immer nach einem passenden Vertriebsweg“, sagt Meinrad Lunger. Eine Lösung hat Innovationsforscher Professor Füller von der Uni Innsbruck parat. Er rät, auch die Vermarktungskampagne gemeinsam mit der Crowd zu gestalten. „Man kann eine Produkttesteraktion durchführen oder einen Wettbewerb zu Werbematerialien wie Logo, Slogan, Website und/oder Video. Darüber hinaus könnte die Crowd dazu dienen, Vertriebspartner on- und offline zu finden und gewinnen.“

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