Die Freigeister
Katja und Werner Nussbaumer stellen Möbel von Hand her. Auf Management haben sie keinen Bock. Ein Besuch in der Wiener Werkstatt der beiden Vorarlberger.


Text: Daniel Nutz
Es sieht nicht so aus, als würden Katja und Werner Nussbaumer auf Kundschaft warten.
Kein Schaufenster, kein Firmenschild. Bloß ein Schriftzug an der Metalltür lässt darauf schließen, dass sich hinter den paar Stufen, die hinab ins Souterrainlokal führen, das Werk Möbelbau befindet. Der Empfang ist dann aber umso herzlicher. „Willkommen in unserem Tante-Emma-Laden“, sagt Katja Nussbaumer. Klingt fast ein bisschen selbstironisch, passt aber klar zum Konzept. Denn welcher Kunde auch immer den Weg zu den Nussbaumers findet – das Unternehmerpaar will dessen Wünsche zum Anlass nehmen, um dem eigenen Freigeist in Sachen Möbelbau zügellosen Lauf zu gewähren. Dabei erweitern die beiden gelernten Tischler ganz bewusst die Grenzen ihres ursprünglichen Handwerks. Egal, ob es nun um den Einsatz von Metall, Leder, Glas, Kunststoff, Stein oder eben um den Hauptwerkstoff Holz geht: Hier verschwinden die Grenzen der einzelnen Gewerbe laufend. Gebaut wird fast alles: Stühle, Regale, Schränke, Stiegen und Tische. „Mittlerweile machen wir auch Couchtische. Dagegen habe ich mich lange gewehrt, weil ich sie zu langweilig fand“, scherzt Werner Nussbaumer. Mittlerweile habe er aber auch an dieser Arbeit Freude.
Handarbeit
Die Kunden kommen, weil sie individuelles Design kombiniert mit Handarbeit suchen. Denn auf maschinelle Unterstützung verzichten die Nussbaumers weitestgehend. „Andere Möbeldesigner lagern zu Spezialisten aus. Wir wollen für alles verantwortlich sein“, erklärt Katja Nussbaumer. Das ist auch der Grund, warum sie und ihr Mann ihre Firma als künstlerisches Gewerbe führen. Denn das Kombinieren von Tischler-, Metaller- und Glaserarbeiten bedürfe mehrerer unterschiedlicher Gewerbescheine. „Mit der Innung wollen wir lieber nichts zu tun haben“, ergänzt ihr Mann Werner mit einem süffisanten Lächeln.
Einst arbeiteten beide für die gleiche Tischlerei, doch das Tätigkeitsfeld wurde ihnen schnell zu eng. So begannen sie vor 25 Jahren mit dem Selbststudium in Design und gründeten ihre eigene Firma, die sie auch heute noch als Duo führen. „Wir hatten nie ein Konzept, aber immer Selbstbewusstsein und einen Drang, Dinge zu tun“, sagt er. Das ist auch der Grund, warum sie bis heute ohne Mitarbeiter auskommen. „Wir könnten wohl zwei Leute einstellen, doch dann müssten wir uns mehr ums Management kümmern. Das wollen wir nicht. Wir wollen Möbel bauen“, sagt Katja Nussbaumer.
Werk Möbelbau versteht sich als eine Probierwerkstatt. Alles muss möglich sein. „Und der Kunde ist König. Garantiert!“ Doch die Königskunden sucht man sich mittlerweile selbst aus – auch das ist ein Vorteil, wenn man klein geblieben ist. „Früher kamen viele Leute, die Nachbauten von teuren Industriemöbeln wünschten. Das waren aber nicht die Kunden, die wir wollten. Irgendwann begannen wir uns mit den Kunden zu unterhalten. Schließlich gingen wir dazu über, ihnen genau jene Möbel vorzuschlagen, die wir als optimale Lösung betrachteten. Und es funktionierte“, erklärt Werner Nussbaumer.
Vorstellbar machen
Heute ist man in der komfortablen Lage, dass die meisten Kunden über Weiterempfehlungen quasi von allein kommen. Praktisch, wenn man als Unternehmer mit Vertrieb und Akquise lieber nicht zu viel zu tun haben will. So bleibt den beiden Möbeldesignern fast die gesamte Arbeitszeit, um sich mit ihren Kunden und Produkten auseinanderzusetzen. „Zuzuhören ist schon wichtig“, sagt Katja Nussbaumer. Doch dann erzählt sie weiter: „Die meisten glauben zu wissen, was sie wollen. Aber sie wissen es nicht. Man hilft ihnen dabei, dieses präformierte Denken aus den Köpfen zu bringen. Wir wollen unseren Kunden etwas anderes liefern, als sie sich vorgestellt haben“, sagt sie. Bei der Überzeugung der Kunden hilft auch ein Vermarktungstrick, den sie sich eher aus der Not heraus zu eigen machten. Für jedes hergestellte Möbel fertigen sie ein maßstabgetreues Modell an. Auf die Idee kam Katja durch ihren Bruder, den blinden Sänger und ehemaligen Song-Contest-Starter George Nussbaumer. Nachdem sie ihm kaum erklären konnte, wie sein neues Regal im Detail beschaffen sein würde, präsentierte sie ihm einfach ein angreifbares Modell. Das Prinzip funktioniert – nicht nur bei Menschen mit Sehbehinderung. Oft lässt die Menschen eben, selbst wenn sie Zeichnungen und Pläne vor sich haben, ihre Imaginationskraft im Stich.
Das Arbeiten mit Modellen hat aber auch einen Selbstzweck. Es hilft, kreativer zu sein. Das Modellieren wird so zu einem Ausprobieren. Und die andauernde Erneuerung im eigenen Schaffen ist ja so etwas wie ein USP der Nussbaumers. Wie fördern sie diese? „Wichtig ist, das Gelernte zu vergessen. Denn sonst ist man ein Gefangener seiner selbst“, sagt Werner Nussbaumer. Für ihn heißt das, sich auf neues Terrain zu begeben. Egal, ob er Metall biegt oder Kunststoffkomponenten in einer Stiege verarbeitet: Es geht immer darum, Neues zu schaffen. Und das soll, wo immer es möglich ist, mit den eigenen Händen geschehen. Ein Möbel muss auch nicht perfekt aussehen. Es müsse vielmehr mit Leben erfüllt sein, lautet ihr Anspruch.
Erst nach einigen Jahren Verwendung zeige sich demnach der wahre Charme eines Möbelstücks. Und eines ist klar: Wer ein Stück aus dem Werk kauft, hat sowieso vor, es länger zu behalten als ein Billy-Regal von Ikea.