Chancengleichheit schaffen

Redaktion Die Wirtschaft
01.04.2011

Menschen mit Behinderung fassen in der Berufswelt noch immer besonders schwer Fuß. Dabei können KMU von der Beschäftigung von behinderten Arbeitnehmern mehrfach profitieren. Die WIRTSCHAFT zeigt, worauf zu achten ist. 

In Betrieben ab 25 Mitarbeitern muss zumindest eine Person mit Behinderung zur Belegschaft zählen. Insoweit die Theorie, sprich die Gesetzeslage. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Nur rund ein Viertel aller dazu verpflichteten Firmen erfüllt nämlich diese Quote. Der Rest kauft sich durch die sogenannte Ausgleichstaxe – sie beträgt für Unternehmen bis 100 Arbeitnehmer derzeit 226 Euro monatlich – von dieser Pflicht frei.

Doch wieso sind die heimischen Unternehmer solche Muffel, wenn es um die Einstellung von Menschen mit Behinderung geht? Pia Rosner-Scheibengraf, bei der Wirtschaftskammer für Gleichstellung zuständig, beobachtet vielfach, dass das Problem nicht am mangelnden Willen der Unternehmer liegt, sondern am fehlenden Angebot. „An uns werden immer wieder Fälle herangetragen, wo Betriebe behinderte Menschen einstellen wollen, jedoch am Arbeitsmarkt keine entsprechenden Arbeitskräfte bekommen.“

Spezielle Jobbörsen
Dieser Behauptung kann Gregor Demblin, Mitbegründer der auf die Vermittlung von Stellen für Behinderte spezialisierte Jobplattform careermove.at, nur bedingt zustimmen. „Fakt ist, dass die Arbeitslosigkeit unter behinderten Menschen höher ist als in der Gesamtbevölkerung. Das legt nahe, dass das ungenützte Potenzial auch einen volkswirtschaftlichen Schaden darstellt“, meint der Personalvermittler. Ein entsprechendes Angebot sei jedenfalls vorhanden, das zeigt auch ein Blick auf die aktuellen Stelleninserate auf der Jobplattform. Das Spektrum reicht vom hochprofessionalisierten Programmierer bis zum Lagerarbeiter.

Prinzipiell befinde sich auch die Nachfrage seitens der Unternehmen im Steigen, berichtet Demblin: „Das hängt damit zusammen, dass immer mehr Firmen erkennen, dass Menschen mit Behinderung Leistungsträger sind, die im Zuge des Diversity-Managements auf vielen Feldern Bereicherungen für das Unternehmen
darstellen.“ Dass Unternehmen durch die Einstellung von behinderten Mitarbeitern profitieren, zeigen diverse Studien. Neben der positiven Außenwirkung als aufgeschlossenes, weltoffenes und sozial denkendes Unternehmen sind auch positive Impulse auf das gesamte Arbeitsklima festzustellen, wie empirische Untersuchungen belegen.

Doch welchen Aufwand macht die Einstellung behinderter Arbeitskräfte? Die Integration in das Arbeitsumfeld ist meist einfacher, als die meisten denken. In vielen Fällen können Arbeitskräfte mit Behinderungen ohne spezielle Unterstützung arbeiten. In manchen Fällen wird sich jedoch herausstellen, dass für ein Arbeitsverhältnis Qualifizierungsmaßnahmen oder sonstige Förderungen nötig sind. In solchen Fällen stellt das Bundessozialamt Förderbudgets zur Verfügung. Grundsätzlich kann fast alles gefördert werden, von Lohnkostenzuschüssen bis zur Arbeitsplatzadaptierung.

Spezieller Schutz
Zu beachten ist, dass Menschen mit Behinderung in Österreich speziellen Kündigungsschutz genießen. Dieser wurde durch eine Gesetzesnovelle mit dem aktuellen Jahr aber entschärft. Für Pia Rosner-Scheibengraf sind die derzeitigen Bestimmungen jedoch immer noch ein Hemmschuh, der die Einstellung von Menschen mit Behinderung bremst. Die WKO-Expertin fordert auch mehr Engagement im schulischen Bereich und eine vorbildlichere Wirkung der öffentlichen Institutionen bei der Barrierefreiheit von Gebäuden. Vielleicht sollte sich die WKO aber hinsichtlich des eigenen Vorbildcharakters auch selbst bei der Nase nehmen: Derzeit erfüllt die Wirtschaftskammer Österreich nämlich ihre Quote zur Einstellung von Menschen mit Behinderung nur zu rund 50 Prozent.

Kündigungsschutz
Etwa 65.000 der 94.000 Menschen mit einer begünstigten Behinderung gehen einer Beschäftigung nach. Für sie gelten seit Jahresbeginn neue Bestimmungen. Neu ist, dass der spezielle Kündigungsschutz in den ersten 48 Monaten des Dienstverhältnisses nicht gilt. Bisher betrug diese Probezeit sechs Monate. Wichtigster Punkt am speziellen Kündigungsschutz ist, dass im Kündigungsfall über einen Antrag an die Landesstelle des Sozialamts die Zustimmung des Behindertenausschusses eingeholt werden muss. Diese wird im Regelfall dann ausgesprochen, wenn der Arbeitsplatz wegfällt, eine Arbeitsunfähigkeit auftritt, oder beharrliche Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers auftreten. 

(Redaktion: Daniel Nutz)

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