Strategie: Wachsen oder sterben?

Digitalisierung
11.10.2017

Für viele Unternehmen ist Wachstum überlebenswichtig geworden. Denn aufgrund der Digitalisierung können Konkurrenten plötzlich in aller Welt auftauchen. Drei Weltmarktführer erklären, wie die Expansion klappt und warum sie dennoch kein Allheilmittel ist.
Mathias Farthofer, Leiter Konzernentwicklung Voestalpine
Christoph Klinger-Lohr, Geschäftsführer von Klinger-Dichtungen

Text: Alexandra Rotter

The sky is the limit. So könnte man die Möglichkeiten zusammenfassen, die neue Technologien, die Globalisierung und letztlich die Digitalisierung geschaffen haben. Seit einigen Jahren lässt sich praktisch von überall auf der Welt jeder Markt erreichen. Wachstumschancen ohne Ende, könnte man sagen. Aber auch Gefahrenpotenzial, wo man sich früher als Platzhirsch in Sicherheit wähnen durfte.

Natürlich ist es mit den digitalen Möglichkeiten alleine noch nicht getan. Der Erfolg am Weltmarkt hängt von vielen Faktoren ab – neben dem, was man anbietet, etwa auch davon, wie digital das Produkt oder die Dienstleistung ist, was die Konkurrenz tut und natürlich von den finanziellen Mitteln, die es idealerweise ermöglichen, die besten Mitarbeiter zu beschäftigen und Marketing und Vertrieb in aller Welt zu betreiben.

NUMMER EINS IN DER NISCHE

Das 2010 gegründete Unternehmen 123sonography kann viele dieser Vorteile vorweisen und zeigt auf, wie der Idealfall aussehen kann. Der Unternehmenssitz ist zwar in Österreich, aber wenn man auf die englischsprachige Website geht, ist davon kaum etwas zu sehen. Genauso gut könnte es von China, Indien oder dem Silicon Valley aus arbeiten.

CEO Klaus Müller, der zuvor unter anderem mehr als vier Jahre für Google gearbeitet hat, hat die Chancen, die in der Geschäftsidee steckten, gewittert und sich vor zwei Jahren bei 123sonography eingekauft. Das Unternehmen, das vom Kardiologen Thomas Binder gegründet wurde, bietet Online- Schulungen für Ärzte und medizinische Fachkräfte an, die mit Ultraschallgeräten arbeiten. Das Angebot ist nur für eine enge Zielgruppe relevant. In vordigitalen Zeiten hätte das entweder nur ein kleines regionales Geschäft ermöglicht oder aber einen riesigen Personalaufwand mit Übersetzungen und einem weitverzweigten Vertriebssystem nötig gemacht. Heute reicht ein Mausklick, um die Online-Kurse in alle Welt zu verkaufen. Und genau dieses Ziel muss man auch erreichen, um profitabel zu arbeiten. Müller: „Dadurch, dass ich weltweit meine Kunden erreichen kann, reicht es, mich auf eine kleine Nische zu spezialisieren.“ Man müsse sich heute überlegen, mit welchem Geschäft man es schaffen kann, in einer Nische weltweit die Nummer eins zu werden.

VON ANFANG AN GROSS GEDACHT

Für Müller bringt die globale Vernetzung und Digitalisierung ein Riesenpotenzial mit sich: „Neukundenakquise muss man heute im Internet denken.“ Mittlerweile verkauft das Unternehmen seinen Content, der von Anfang an ausschließlich auf Englisch produziert wurde, in rund 170 Länder. Der Erfolg kommt aber nicht herangeflogen, sondern braucht Engagement und Investitionen, in diesem Fall vor allem in Online-Werbung. Derzeit geben die Unternehmer Klaus Müller zufolge jeden Monat rund 30.000 Euro allein für Google- und Facebook-Werbung aus. Am meisten Kurse verkaufen sie in die USA, auf Platz zwei liegt Großbritannien, gefolgt von Deutschland, Österreich und Indien. Insgesamt kann 123sonography schon auf mehr als 25.000 zahlende Kunden in über 200 Ländern verweisen. Sogar aus dem kleinen Swasiland in Afrika kommen schon zehn Kunden.

Ein Online-Kurs ist natürlich viel leichter zu verbreiten als, sagen wir einmal, ein Stahlgerüst. Müller: „Wir haben natürlich das Idealszenario. Wir müssen auch nichts retournieren.“ Wer physische Produkte oder gar Maßgeschneidertes anbietet, hat auf dem Weg zu Wachstum ein paar mehr Hürden zu bewältigen. Die Digitalisierung kann aber sehr oft ein Schlüssel für Wachstum sein, wenn auch manchmal nicht ganz so geradlinig wie bei 123sonography. Ein Unternehmen wie die Voestalpine etwa nutzt digitale Technologien ganz anders.

MIT NEUEN METHODEN GANZ VORNE DABEI BLEIBEN

Digitalisierung passiert bei dem Industrieriesen unter anderem in der Produktion. So hat die Voestalpine etwa Mitte September ein neues Drahtwalzwerk in Donawitz in Vollbetrieb genommen, das den Industrie- 4.0-Standards entspricht. Das bedeutet unter anderem, dass ein Monitoring-System mit 2.000 Sensoren laufend tausende Parameter kontrolliert und aufnimmt. Ein weiterer Vorteil der digitalisierten Produktion liegt laut Mathias Farthofer, Leiter Konzernentwicklung, darin, dass die Produktion individuell auf Kundenwünsche angepasst werden kann.

In Sachen Digitalisierung vorne dabei zu sein, gehört zur Strategie der Voestalpine. Farthofer: „Unser gelebter Anspruch ist die Technologieführerschaft. Dafür müssen wir auf neue zukunftsorientierte Methoden setzen.“ Die Digitalisierung mit all den neuen Technologien dahinter habe sehr viel Änderung mit sich gebracht – und werde noch mehr bringen, konkret verbesserte, effizientere Prozessabläufe, Differenzierungsmöglichkeiten durch fokussiertere Kundenkontakte, besser gestaltete Kundenschnittstellen, aber auch neue Leistungsangebote und Geschäftsmodelle, die helfen, besser auf die individuellen Anforderungen einzugehen. Allesamt Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt, wenn man am Weltmarkt bei den Top-Playern mitspielen möchte.

TEURES ABO AUF ERFOLG

Vor allem, weil heute nicht nur die potenziellen Kunden weltweit zu finden sind, sondern auch die Konkurrenz. Was aber brauchen Unternehmen jetzt besonders, um in einem volatilen, schnelllebigen und fordernden Umfeld nicht unterzugehen? Schützt das permanente Streben nach Wachstum wirklich vor dem Untergang?

Wachstum ist sicher eine Möglichkeit, um als Unternehmen längerfristigen Erfolg zu haben und der Konkurrenz Boden abzugraben. Doch das „gewusst, wie“ ist entscheidend. „Wachstum um jeden Preis“, sagt Mathias Farthofer, „ist nicht die richtige Vorgangsweise. Und der Wille zum Wachstum ist per se noch keine Strategie.“ Das alleinige Ziel einer Umsatzsteigerung könne sogar kontraproduktiv sein: „Beim Wachstum geht es vor allem darum, ausgehend von seinen Kompetenzen, neue und vor allem richtig eingeschätzte Chancen zu nutzen.“ Nur so könne profitables und qualitativ hochwertiges Wachstum erreicht werden, das mit einer verbesserten Rentabilität und einem besseren Ergebnis einhergehe. Farthofer rät: „Wenn man sich für Wachstum entscheidet, sollte man dort ansetzen, wo man gut ist, anstatt in Richtung ganz neuer Felder zu diversifizieren.“

IN DIE ZUKUNFT DENKEN, ANSTATT GELD VERBRENNEN

Man kann beim Wachstum nämlich auch folgenschwere Fehler machen. Will man etwa mit einem Angebot wachsen, das nicht mehr zeitgemäß ist, kann man rasch viel Geld verbrennen. Mathias Farthofer betont: „Um am Weltmarkt erfolgreich zu sein und zu bleiben, ist meiner Meinung nach eine klare, fokussierte und vor allem konsequent gelebte strategische Ausrichtung am wichtigsten. Dazu muss ich mir die Frage stellen: Wo kann ich mit meinen Kompetenzen Mehrwert schaffen für meine derzeitigen und zukünftigen Kunden?“

Auch für KMU und EPU könne seiner Ansicht nach Wachstum per se keine Strategie sein: „Solange sie sich ausreichend differenzieren, sich gut in einer lokalen Nische positionieren können und den entsprechenden Kundennutzen erzeugen, indem sie besser sind als andere, werden sie auch in dieser Nische hervorragend aufgestellt sein.“ Für kleinere Unternehmen gelte noch mehr, dass Wachstum Komplexität verursache, und diese wiederum führe zu gesteigerten Kosten. Doch das ist keine Aufforderung zum Relaxen: „Was – für Kleine und Große – wichtig ist, ist Anpassungsfähigkeit und Flexibilität.“ Volatilere Umfelder machen es notwendig, so aufgestellt zu sein, dass man schnell auf Veränderungen und neue Anforderungen reagieren könne.

Mathias Farthofer, Voestalpine „Wenn man sich für Wachstum entscheidet, sollte man dort ansetzen, wo man gut ist“

BEIM WACHSTUM MIT AN BORD

In manchen Situationen kann Wachstum aber tatsächlich überlebenswichtig sein. Farthofer: „Wenn ich in einer Nische tätig bin, wo mein Kunde stark auf Internationalisierung ausgerichtet ist, muss ich dieses Wachstum oftmals mitbegleiten können.“ Stark und widerstandsfähig werden Unternehmen, wenn sie dem Kunden einen Nutzen nachhaltig besser anbieten können als die Konkurrenz, also einen USP haben – in Europa sei Forschung und Entwicklung, kombiniert mit Innovationsfähigkeit, oft der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Und dann müsse der Kundennutzen aufrechterhalten bleiben: „Das geht nur durch eine sehr starke Kundenorientierung, sodass ich frühzeitig spüre, wenn sich Anforderungen ändern könnten.“

VORWÄRTS GERICHTETE STRATEGIE

Ein Unternehmen, das seit fast 135 Jahren existiert, muss einiges richtig gemacht haben. Der 95-Mitarbeiter-Betrieb Klinger Dichtungstechnik mit Sitz in Gumpoldskirchen exportiert seine Produkte seit 70 Jahren – mittlerweile gehen 86 Prozent des Gesamtvolumens an Kunden im Ausland. Geschäftsführer Christoph Klinger-Lohr hält das Wachstumsstreben aus Unternehmenssicht für sehr wichtig: „Jedes Unternehmen braucht den Willen zu wachsen und eine vorwärtsgerichtete Strategie.“ Und Wachstum bedeutet für ihn nicht nur eine Umsatzsteigerung, sondern vor allem, im Ergebnis zu wachsen.

Christoph Klinger-Lohr, Klinger-Dichtungen
„Man kann auch zu lange das Richtige tun und dabei vergessen, sich mit Trends und neuen Möglichkeiten zu beschäftigen und für den Kompetenzaufbau zu sorgen“

Wachsen kann ein Unternehmen durch die Eroberung neuer geografischer Märkte, aber auch durch andere Veränderungen. Klinger-Lohr: „Neue Märkte kann man auch von einer Anwendung her entwickeln, die zum Beispiel mit dem ursprünglichen Zweck eines Produktes nichts zu tun hat.“ Konkret werden heute etwa Klinger-Dichtungen auch im Möbeldesign oder in der Baubranche eingesetzt. Dass einem durch die Digitalisierung die neuen Märkte in den Schoß fallen, kann Klinger-Lohr nicht allgemein bestätigen, denn „in manchen Ländern wie zum Beispiel im Nahen Osten oder Afrika muss vieles noch auf informellen Wegen gelöst werden.“ Beziehungsaufbau und -pflege ist also oft nach wie vor entscheidend für den Geschäftserfolg.

GESUNDER WETTBEWERB

Sich intensiv mit neuen Trends und technologischen Möglichkeiten auseinanderzusetzen sieht man bei dem Weltmarktführer als eine wichtige Aufgabe des Managements an und verweist etwa auf Nokia, wo man sich zu lange auf den bestehenden Erfolg verlassen hat. Klinger-Lohr: „Man kann auch zu lange das Richtige tun und dabei vergessen, sich mit Trends und neuen Möglichkeiten zu beschäftigen und für den Kompetenzaufbau in Form von Mitarbeitern zu sorgen.“ Unternehmen müssten sich regelmäßig die Frage stellen: „Wie gesund sind wir?“ Klinger-Lohr vergleicht das mit einem Arztbesuch: „Man muss nicht zum Arzt gehen, aber wenn man nicht hingeht, ist die Gefahr größer, eine Krankheit zu übersehen.“

Dass heute die Konkurrenz aus aller Welt kommen kann, hält Klinger-Lohr nicht per se für ein Problem: „Das ist keine Gefahr, sondern Wettbewerb, und der ist bekanntlich gesund.“ Ja, der Wettbewerb sei stärker und die Umgebung dynamischer geworden, aber genau darin liege der Spaß für Unternehmer: „Wenn man wie wir Marktführer in einem bestimmten Segment ist, ist es relativ anstrengend, diese Position zu halten.“ Aber manchmal sei es gar nicht schlecht, diese Position zu verlieren und überlegen zu müssen, wie man wieder zurückfinden kann.

MOMENTE DER STÄRKE

In der Geschichte von Klinger Dichtungstechnik habe es zwei besondere Momente gegeben, die zur Stärkung und Resilienz beigetragen haben – zunächst das Asbestverbot: „Nach dem Verbot Ende der 80er-Jahre waren wir die Ersten, die eine passende Kombination an Ersatzmaterialien entwickelt hatten.“ Der zweite wichtige Faktor ist die Tatsache, dass man ein umfassendes Produktionsnetzwerk aufgebaut hat. Klinger-Lohr: „Das ist einzigartig. Alle unsere Mitbewerber betreiben nur ein Werk. Wenn dort etwas schiefgeht, steht alles still. Wir haben eine Fallback-Solution, das heißt wir haben fast deckungsgleiche Werke auf allen Kontinenten.“

„Es liegt in der Führungsverantwortung des Managements, dass die Veränderungen verstanden werden und die Mitarbeiter sich nicht fürchten.“ Christoph Klinger-Lohr, Klinger-Dichtungen

Und jetzt klopft wieder eine große Herausforderung an: die Digitalisierung. Bei Dichtungen bedeutet das, dass sie künftig mit Sensoren ausgestattet sein könnten, die rechtzeitig melden, wenn der Verschleiß naht oder ein Rohr zu verstopfen droht. Darauf arbeite man derzeit hin, sei seitens einer Marktakzeptanz aber noch „weit entfernt“. Wie bei allen Change- Themen sieht Klinger-Lohr auch in der Digitalisierung den Faktor Mensch als eine der größten Herausforderungen an, denn mit der Einführung von Digitalisierungsprojekten und neuen Arbeitsschritten sei es noch nicht getan. Es liege in der Führungsverantwortung des Managements, „dass die Veränderungen verstanden werden und die Mitarbeiter sich nicht fürchten“.

Wer rastet, der rostet: Diese alte Spruch hat also scheinbar nichts von seinem Wahrheitsgehalt eingebüßt. Neue Märkte zu erobern, Produkte zu optimieren, noch globaler zu denken und die Chancen der Digitalisierung zu heben wird zum Gebot der Stunde. Zumindest dann, wenn eine verdiente Ruhepause nicht aufs Abstellgleis führen soll.

WACHSTUM DURCH DIGITALISIERUNG

6 Tipps von Klaus Müller, CEO von 123sonography

1. Selber machen
Eine Digitalisierungsstrategie ist laut Klaus Müller nichts, was Unternehmer delegieren sollten: „Sonst sind sie im Blindflug unterwegs“. Die Geschäftsführung muss selbst ein Gefühl für das Thema und die geschäftlichen Möglichkeiten entwickeln, die eine intelligente Digitalisierung mit sich bringt.

2. Das Rad nicht neu erfinden
Es braucht nicht immer die große und noch nie dagewesene Digitalstrategie. Klaus Müller rät Unternehmen, die Mitbewerber genau anzuschauen und bei denen, die es besonders gut und erfolgreich machen, abzukupfern. Speziell über den Atlantik und in den Norden lohnt sich ein genauerer Blick: Die USA und Großbritannien sind uns in Sachen Digitalisierung weit voraus.

3. Schritt für Schritt
Viele Unternehmer sind überfordert, weil sie nicht wissen, wo sie bei der Digitalisierung ihres Geschäfts anfangen sollen. Klaus Müller beruhigt sie: „Bergauf sind fünf kleine Schritte besser als ein großer.“ So ist man oft schneller und agiler, wenn man zum Beispiel nicht unglaublich viel Zeit und Geld in die Entwicklung eines Prototypen steckt, sondern „Rapid Prototyping“ betreibt und einen ersten Entwurf schnell der Online-Community vorstellt – und von ihr wertvolles Feedback einholt.

4. Mut zur Lücke
Verabschieden Sie sich vom Gedanken, von heute auf morgen ihr komplettes Geschäft zu digitalisieren und alles umzukrempeln. Machen Sie eines nach dem anderen – und als Erstes das, was Sie am schnellsten voranbringt. Vielleicht sind Sie ein regionaler Händler und die Kunden finden nur deshalb nicht zu Ihnen, weil sie auf Google schlecht zu finden sind? Oft reicht es, Kleinigkeiten zu ändern, die weder viel kosten noch aufwendig sind.

5. Denke mobil
Heute greifen die meisten Menschen zum Smartphone, wenn sie etwas zum ersten Mal suchen oder sich über etwas informieren wollen. Der Laptop wird zwar nach wie vor verwendet, aber Kunden holen sich meist einen ersten Vorgeschmack auf ihrem smarten Telefon. Denken Sie bei all Ihren Digital- Aktivitäten daran, dass Ihr Angebot auch auf mobilen Endgeräten einen schlanken Fuß machen muss.

6. Sei die Nummer eins
Im Idealfall sollte man darüber nachdenken, mit welchem Angebot man die Chance hat, weltweit zur Nummer eins zu werden. Die Digitalisierung macht zwar nicht alles möglich und einfach, aber das Bespielen des Weltmarkts lässt sich heute wesentlich besser bewerkstelligen als noch vor 20 Jahren.

WOHIN ÖSTERREICHISCHE UNTERNEHMEN
EXPORTIEREN

Wer Top-Produkte und Dienstleistungen hat, darf zu Recht an Expansion und Erweiterung des Marktes denken – ein Muss ist das sogar für Unternehmen, die viel in Forschung und Entwicklung und qualifizierte Mitarbeiter investieren und für die der Heimatmarkt zu klein wäre. In Österreich gilt all das für viele Unternehmen – und so sind wir schon jetzt eine Exportnation. Das zeigt sich an den Waren- und Dienstleistungsexporten gemessen am BIP, also an der Exportquote: Sie lag 2016 bei 52,2 Prozent und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von 43,9 Prozent. Das heißt: Österreich verdient mehr als die Hälfte seines Wohlstands durch Geschäfte mit ausländischen Kunden.

Dem Thinktank Agenda Austria zufolge, der Zahlen der Statistik Austria und der ÖNB als Basis herangezogen hat, ging der Löwenanteil der aus Österreich exportierten Waren und Dienstleistungen, nämlich 82 Prozent, in andere europäische Länder inklusive Russland. In asiatische und amerikanische Länder gingen 2016 jeweils acht Prozent der Exporte. Am wenigsten exportiert Österreich nach Afrika und Ozeanien: zusammen nur zwei Prozent der Exporte.

Wenig überraschend: Deutschland ist die wichtigste Exportnation für Österreich. Dennoch ist erstaunlich, dass uns das große Nachbarland gleich ein Drittel aller Exporte abnimmt. Als Nächstes folgen Italien und die Schweiz mit je sechs Prozent Anteil an den Gesamtexporten. Außerhalb Europas sind die USA mit 5,6 Prozent und China mit 2,1 Prozent die für Österreich wichtigsten Exportnationen. In die Zahlen fließt übrigens auch der Tourismus ein.

PATENTE ALS
GRADMESSER FÜR ERFOLG

Erfindungen und geistiges Eigentum zu schützen ist für den geschäftlichen Erfolg vieler Unternehmen heute entscheidend. KMU spielen dabei eine wichtige Rolle: Auf ihr Konto gehen fast ein Drittel aller Patentanmeldungen im Europäischen Patentamt (EPA), dem 38 Mitgliedstaaten, darunter Österreich, angehören.

Das EPA hat deshalb aktuell die Intellectual-Property- Strategien von zwölf KMU unter die Lupe genommen und dafür ausführliche Interviews mit den Führungskräften von KMU aus elf Ländern geführt. Die Ergebnisse dieser Fallstudien werden unter dem Titel „Unlocking untapped value. EPO SME case studies on IP strategy and IP management“ vorgestellt und sind online frei abrufbar. Österreich ist das einzige Land, aus dem gleich zwei KMU präsentiert werden: das biopharmazeutische Unternehmen Marinomed, das seit der Gründung 2006 Grippemittel aus Rotalgen produziert, und Lithoz, das 2011 als Spin-off der TU Wien gegründet wurde und auf 3D-Druck von Hochleistungskeramiken spezialisiert ist.

Die Einblicke in die Unternehmen zeigen beispielhaft auf, wie Patente und der Schutz geistigen Eigentums zum geschäftlichen Erfolg beitragen können, insbesondere auch in Hinblick auf den Zugang zu Finanzmitteln, die Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen – und letztlich Wachstum.

Nachzulesen ist darin auch, was die Unternehmen sich vom Europäischen Einheitspatent erwarten, das im Laufe des Jahres 2018 starten soll. Dieses wird es ermöglichen, mit nur einem einzigen Antrag den EPA-Patentschutz in bis zu 26 EU-Mitgliedstaaten zu erhalten.