Robert Machtlinger, FACC

Man muss nach vorne denken

Weltmarktführer
05.05.2022

Es gibt Unternehmen, die immer besser als ihr gesamter Mitbewerb sein müssen, um attraktiv zu bleiben. Eines dieser Unternehmen ist der Weltmarktführer FACC aus dem Innviertel. Unter welchen Voraussetzungen Forschung und Entwicklung diesen Vorsprung sichern können, erklärt CEO Robert Machtlinger.
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FACC ist vor über 30 Jahren aus der Forschungsabteilung von Fischer Ski herausgegangen. Spiegelt sich diese Tatsache noch immer in der Struktur des Unternehmens? Das steckt tief in unserer DNA. Wir haben uns einen quirligen und disruptiven Charakter bewahrt. Mit dieser Art sind wir groß geworden. Dinge anders zu denken und zu tun, ist unser Markenzeichen geworden.

Haben Sie dafür ein Beispiel? Vor fünf Jahren haben wir damit begonnen, uns darüber Gedanken zu machen, wie man petrochemische Produkte in der Flugzeuginnenausstattung durch biologische Materialien wie Hanf ersetzen kann. Wir haben auch einen Kleber entwickelt, der im Brandfall keine toxischen Gase erzeugt und selbstlöschend wirkt. Als wir daran zu arbeiten begonnen haben, wurde manchmal gelächelt, heute werden wir gefragt, wann wir endlich liefern können.

Welche Rahmenbedingungen haben Sie für die Entwicklungen solcher Innovationen geschaffen? Wichtig ist: F&E muss kein Geld verdienen. Die Mitarbeiter dieser Abteilung dürfen frei denken. Sie sollen 15 Jahre in die Zukunft denken und analysieren, was der Markt benötigen wird, wie Materialen, Prozesse und Produkte aussehen müssen. Nur wenn Forschung frei arbeiten kann, entstehen großartige Ideen.

Sind diese Ideen dann auch immer ausreichend marktfähig? Wenn man nur forscht, verliert man den Ankerpunkt zur Business-Realität. Da wir unsere Innovationen aber immer auch auf den Markt bringen wollen, ist eine Durchmischung mit Personen aus dem Tagesgeschäft nötig. Wir stellen darum immer wieder neue Kolleginnen und Kollegen für zwei bis drei Jahre für die Forschung ab. Wir schicken unsere klügsten Köpfe in die Abteilung. Sie machen dort einen Zyklus von Produktentwicklungen mit, munitionieren sich auf und nehmen die besten Ideen wieder in die Serienentwicklung mit. Darüber hinaus gibt es in der CoLT Prüf und Test GmbH ein 60 Leute starkes Kernteam, das nur Grundlagenforschung macht.

Nur wenn Forschung frei arbeiten kann, entstehen großartige Ideen.

FACC CEO Robert Machtlinger

Bei wem ist das Thema im Management aufgehängt? Für Innovation bin ich selbst zuständig. Ich komme ja auch selbst aus dem Bereich, den ich schon bei Fischer verantwortet habe und den ich auch heute bei FACC leite. Es gibt aber natürlich einen Forschungsleiter, der mit seinem Team aus jungen und erfahrenen Kollegen die disruptiven Themen bearbeitet. Die Forschungsabteilung ist auch sehr stark mit der Produktentwicklung verzahnt, um zeitnah auf Kundenwünsche reagieren zu können. Manches wird nichts, dann lernen wir aus unseren Fehlern. Doch vieles wird gut und was gut wird, gibt uns eine technologische Absicherung für mindestens zehn Jahre.

Wie hoch ist das Budget für F&E? Es schwankt von Jahr zu Jahr. Für die Grundlagenforschung stellen wir zehn Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Das gesamte Forschungsbudget macht zwischen sieben und zehn Prozent des Jahresumsatzes aus.

Schlägt sich die Arbeit der Abteilung direkt in Patenten nieder? Wir haben circa 250 aktive Patente angemeldet. Zwischen fünf und zehn neue kommen pro Jahr dazu. Wobei man sagen muss, dass Patente auch viel Geld kosten. Wenn man sie verteidigen muss, wird das darüber hinaus manchmal sehr aufwendig. Vorab braucht man auch viel Zeit für die Recherche. Wir lassen darum auch nur die Meilensteine patentieren.

Wie leicht fällt es Ihnen, Personal für den Bereich zu finden? Im Bereich F&E können wir sehr erfolgreich qualifiziertes Personal gewinnen. Es gelingt uns auch, viele Spezialisten aus dem Ausland nach Österreich zu bringen. Wir haben Mitarbeiter aus beinahe 40 Nationen beschäftigt. Wir haben in Oberösterreich einen Forschungsschwerpunkt – und auch in Wien, das hilft uns, weil es eine große, attraktive Stadt ist. Wir haben auch Büros in Bratislava, Schanghai und Indien. Wir können Menschen rund um den Globus zur Mitarbeit an unseren Innovationen begeistern.

Pflegen Sie auch Kooperationen mit externen Einrichtungen? Wir setzen auf vielfältige Partnerschaften. Wir unterstützen zum Beispiel eine Stiftungsprofessur an der TU Wien. Es gibt auch sehr spannende Kooperationen mit der Montanuni Leoben, der FH Joanneum in Graz und der FH in Wels. Dort haben wir sogar gemeinsam einen Studienzweig gegründet. Das sind übrigens auch Quellen, aus denen wir Mitarbeiter bekommen. Wir fördern auch die HTLs in der Umgebung und vergeben Stipendien für die weiterführende universitäre Ausbildung.

Wie lange dauert es, bis Innovationen von der Idee bis zur Umsetzung gelangen? Zwischen drei und zehn Jahre. Kleinere, inkrementelle Forschungen an Prozessen, Produkten und Materialien lassen sich oft nach drei Jahren in Produkte gießen. Wenn es disruptiv wird, wie beim biologischen Innenraummaterial, ist man eher bei sieben Jahren. An manchen Themen forschen wir seit fünf Jahren. Die Ergebnisse werden dann erst bei der nächsten Generation der Flugzeuge mit an Bord sein. 

Wir setzen auf ­vielfältige ­Partnerschaften.

FACC CEO Robert Machtlinger

FACC arbeitet mit sehr langfristigen Roadmaps. Welche Prognosen und Megatrends fließen in Ihre Strategien ein? Unsere Strategie ist klar definiert. Die Aviation-Industrie ist und bleibt der Kernmarkt von FACC, der sich im nächsten Jahrzehnt eine Ebene nach oben und unten erweitert. Drohnentechnologien werden den Luftraum unmittelbar über dem Boden für breite Mobilitätsanwendungen erschließen. Der Bedarf an neuen Lösungen für die urbane und interurbane Mobilität steigt. Logistik-, Such-, Rettungsdrohnen und elektrisch betriebene Lufttaxis sind eine Antwort darauf. Parallel geht durch die Privatisierung der Raumfahrt eine Verschmelzung von Aviation und Space vor sich, durch den steigenden Bedarf an Trägerraketen, Satelliten und Raumfahrtanwendungen ist der Weltraum ein signifikanter Wachstumsmarkt, der bis 2040 um 800 Milliarden Dollar wachsen wird. Das ist eine Verfünffachung des Volumens. Spannend ist dieser Bereich auch, da er durch Player wie SpaceX oder Blue Origin auf 100 bis 200 Starts pro Jahr wächst.

Wie schafft man es, die Ressourcen für Zukunftsprojekte zu bekommen, die nicht so rasch Umsätze bringen? Das sind strategische Entscheidungen. Wenn eine Konzernleitung einen raschen Return will, wird das nichts. Wenn man zehn Jahre nach vorne schaut, wird manches nichts, aber was einschlägt, macht gute Umsätze. Wir forschen auch deshalb so viel, weil wir in diesem Umfeld nur tätig sein können, wenn wir besser sind als der Rest der Welt. Wir müssen besser und innovativer sein als die Konkurrenz, um attraktiv zu bleiben.

Wie schaffen Sie eine gelebte Kultur der Innovation? Ich glaube, das Thema muss konsequent vorgelebt werden. Man kann nicht warten und sagen: Seid innovativ. Man muss laufend nach Möglichkeiten suchen und eine Mannschaft bilden, die das begeistert aufnimmt und die gebotenen Freiräume nützt. Im Zusammenhang mit den Drohnen zum Personentransport bin ich oft gefragt worden, warum wir das machen, wenn wir fünf Milliarden in den Auftragsbüchern stehen haben. Ich denke, dass man auf Innovation setzen muss, um auch in zehn Jahren so gefragt zu sein. Man muss nach vorne denken. Denn es gibt viele Beispiele, wie Weltfirmen Innovationen verpassen und den Anschluss verloren haben. Man muss ein Umfeld schaffen, in dem Leute innovativ sein können. Das braucht Budget und Zeit und geht nicht von selber.

Machen Ihnen die steigenden Energiekosten aktuell stark zu schaffen? Die Energiekosten machen bei uns einen sehr kleinen Teil der Gesamtkosten aus. Wir haben bei unseren Werken stark auf Geothermie gesetzt und wir verfolgen den Plan, bis 2040 CO2-neutral zu sein. Wie es mit den steigenden Energiekosten weitergeht, beobachten wir in einer Taskforce sehr genau.

Glauben Sie, dass Europa tatsächlich so schnell autark werden kann, wie es jetzt von manchen Politikern gefordert wird? Transformation braucht ihre Zeit. Was man in 20 Jahren schaffen wollte, kann nicht in zwei Jahren klappen. Ich glaube, dass die Energiewende ihren Weg gehen wird, aber es braucht einen soliden Plan.

FACC

In fast jedem Flugzeug sind Teile von FACC verbaut. Das Innviertler Unternehmen ist global führend in Design, Entwicklung und Fertigung von fortschrittlichen Komponenten und Systemen für die ­Aerospace-Industrie.