Wir müssen unsere Schulden reduzieren

28.11.2016

Schulden haben kein gutes Image. Keiner will sie, und doch sind sie Realität und oft notwendig. Wir haben Hanno Lorenz, Projektleiter beim Thinktank Agenda Austria, um seine Expertise rund um das unliebsame Thema befragt.

Gefahren steigender Staatsschulden: „Es wäre naiv anzunehmen, die Staaten würden irgendwann schuldenfrei werden. Das heißt aber nicht, dass sie nicht zurückgezahlt werden müssten. Dies geschieht durch die Aufnahme neuer Schulden in der Zukunft. Die Gefahr besteht darin, dass bei den geringen Zinsen das Gefühl für die Tragfähigkeit der Schuldenlast verloren geht. Österreich hat die Mehrheit der Schulden jetzt zu sehr günstigen Konditionen für einen langen Zeitraum umgeschuldet. Die Probleme treten in 20 bis 30 Jahren auf, wenn es gilt, die Schulden zu wohl deutlich höheren Zinsen zu refinanzieren. Müsste Österreich die heutigen Schulden zu einem Zinssatz von 2005 bezahlen, wären die Tilgungskosten bereits um 70 Prozent oder rund fünf Milliarden Euro pro Jahr höher. Hält der Trend zu mehr Schulden an, wird das sehr teuer – und das Geld müsste durch höhere Steuern oder Kürzungen aufgebracht werden. Ein Risiko ist auch, seine Freiheit zu verkaufen: Ist man sehr abhängig von Geldgebern, können sie Einfluss nehmen.“ 

Der Sinn der Schulden: „Eine wichtige Frage ist, wofür wir Geld ausgeben. Geht es um kurzfristigen Konsum, oder gebe ich Geld für langfristige Investitionen aus, die möglicherweise auch langfristig das Wachstum erhöhen? Die goldene Regel zur Fiskalpolitik besagt: Eine Verschuldung sollte nur für Investitionen getätigt werden.“

Schuldenhöhe – die Grenzen des Erträglichen: „Solange Gläubiger an eine Rückzahlung glauben und dem Staat Geld leihen, bleibt er liquide. Dies hängt von der Leistungsfähigkeit eines Landes und von der Struktur der Gläubiger ab. Japan ist zum Beispiel mit einer sehr hohen Verschuldung, rund 250 Prozent des BIPs, weiter zahlungsfähig, da die Schulden in japanischer Hand sind. Die griechischen Staatschulden mit einer deutlich geringeren Verschuldung im Verhältnis zum BIP (ca. 180 Prozent) werden vom IWF regelmäßig als nicht tragfähig deklariert. Die Mehrheit der Gläubiger sind hier ausländische Institutionen. Neben der Tragfähigkeit gilt es, auch politische oder wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen, etwa den Maastricht-Vertrag. Um den Euro als stabile Währung zu erhalten, haben sich die Euro-Länder verpflichtet, die öffentliche Verschuldung unter 60 Prozent des BIPs zu halten. Denn das Wachstum verringert sich, wenn der Staat mehr als 60 Prozent des BIPs ausländischen Investoren schuldet.“

Schuldenabbau: „In Österreich müssen jene, die das Geld ausgeben, mehr Verantwortung bei der Einhebung bekommen. Bei einer Föderalismusreform würden die Landeshauptleute mehr darauf achten, ob die Ausgaben sinnvoll und effizient sind. Eine schärfere Schuldenbremse würde den Gebietskörperschaften verbieten, mehr Geld auszugeben als sie einnehmen. Das würde den Druck auf strukturelle Reformen verstärken.“ 

Verschuldung österreichischer Unternehmen: „Die Banken würden gern mehr Kredite an solide geführte Unternehmen verteilen. Viele dieser Unternehmen sind aber abwartend und nehmen keine neuen Schulden auf. Durch die Finanzkrise sehen wir verstärkt eine Bilanzrezession: Unternehmen versuchen, die Wertverluste über geringere Ausgaben und höhere Ersparnis zu kompensieren. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die gern investieren würden, wo die Banken aber zu viel Risiko sehen und keinen Kredit vergeben.“

Auswirkungen der Schulden auf KMU: „Unternehmen müssen ein Auge auf die Staatsfinanzen haben. Bei Investitionen müssen sie abschätzen, ob sie Geld auch wieder hereinspielen können. Je höher die öffentliche Verschuldung, desto höher die Gefahr, dass das über Steuern finanziert werden muss. KMU sind von der Thematik noch etwas stärker betroffen, da sie nicht die Möglichkeit haben, die Produktion in ein anderes Land zu verlagern. Diese Unternehmen sind das Rückgrat der Wirtschaft – die Politik kann es sich nicht erlauben, ihnen langfristig zu schaden.“

Hanno Lorenz

Sieht: Die Gefahr der steigenden Einflussnahme durch die Gläubiger.
Glaubt nicht: Dass die Staaten irgendwann schuldenfrei werden.
Rät: Zu einer Föderalismusreform und mehr Verantwortung für die Landeshauptleute.
Warnt: Davor, dass die öffentliche Verschuldung auf Dauer zulasten der KMU geht.