Christa Kolodej

Streiten sich zwei, freut sich kein Dritter

Konfliktmanagement
05.12.2022

Wenn Konflikte innerhalb der Belegschaft eskalieren, entstehen Unternehmen ganz enorme Kosten. Wie Führungskräfte korrekt reagieren und warum es bei Mobbing Null Toleranz geben kann, erklärt die Konfliktmanagement-Expertin Prof. Christa Kolodej.
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Konflikte sind aus unserem Arbeitsalltag kaum wegzudenken, doch sie können sich rasch hochschaukeln. Wann sollten Führungskräfte hellhörig werden?

In Unternehmen geht es vor allem darum, konstruktiv mit ihnen umzugehen und sie sogar synergetisch zu nutzen. Um Konflikte muss man sich aktiv ab dem Zeitpunkt bemühen, wo Mitarbeiter diese nicht mehr selbstständig lösen können.

Wann ist dieser Punkt gekommen?

Die Konflikttheorie verwendet das Modell der Eskalationsstufen. Es beinhaltet drei Hauptphasen, in denen unterschiedlich interveniert wird. Zunächst befinden sich Konflikte meist auf der Sachebene. Sie eskalieren weiter auf die Beziehungs- und Personenebene und dann noch höher auf die Handlungsebene. Führungskräfte müssen erkennen, in welcher Eskalationsphase sich ein Konflikt gerade befindet. Und sie müssen verhindern, dass der Konflikt weiter eskaliert.  Es ist wichtig, dass die Führungskraft entgegen der Dynamik interveniert Liegt zum Beispiel eine Eskalation bis auf die Handlungsebene mit Handgreiflichkeiten vor, dann ist er auf der dritten Ebene. In diesem Fall gilt es, die Gewalt unverzüglich zu unterbinden.

Sich in eine Rauferei einzumischen, ist nicht ohne. Wozu sind Führungskräfte denn rechtlich verpflichtet?

Unternehmen tragen für ihre Angestellten die Führsorgepflicht. Führungskräfte müssen deswegen in so einem Fall angemessen und unverzüglich Abhilfe schaffen. Wenn ein Konflikt handgreiflich wird, muss die Führungskraft die Gewalt unterbinden.

Unter körperlichem Einsatz?

Sie müssen unverzüglich angemessene Maßnahmen treffen und können dafür zu den Mitteln ihrer Wahl greifen. Das kann natürlich auch ein Anruf bei der Polizei sein. Andere Mittel sind etwa die Verwarnung, ein Konflikt-Gespräch, eine Versetzung oder eine Kündigung. Oft werden sie ja von dem Konflikt erst im Nachhinein erfahren. Bei strafrechtlichen Eskalationen kann auch eine Entlassung nötig sein. Es geht immer darum, das kleinste Mittel zu wählen, das die größte Wirkung entfaltet. Es ist ganz klar die Aufgabe von Führungskräften physische aber natürlich auch verbale, psychische, sexuelle und emotionale Gewalt zu unterbinden.

Mobbing gehört dagegen konsequent sanktioniert und umgehend unterbunden.

Prof. Christa Kolodej

Viel häufiger als handgreifliche Konflikte sind vermutlich verbale Auseinandersetzungen zwischen Angestellten. Wie unterscheiden sich alltägliche Zwistigkeiten von Mobbing?

Mobbing ist eine systematische, gezielte Schikane, um Mitarbeiter aus der Gruppe oder aus dem Arbeitsplatz zu drängen. (siehe Kasten) Bei Mobbing geht es nie nur um einen inhaltlichen Konflikt. Es geht darum, Person zu schädigen. Bei Konflikten stehen dagegen ein Sachthema und die Divergenz von Positionen im Zentrum. Auch die Austragung ist völlig unterschiedlich. Bei Mobbing geht es um schädigende Gerüchte, darum, Personen auszuschließen und ihnen den Zugang zu Arbeitsmitteln zu erschweren. Bei Konflikten geht es um unterschiedliche Positionen. Ein Konflikt ist eine Interessenskollision unter Einigungszwang. Mobbing ist dagegen systematische Schikane gegen eine konkrete Person oder Personengruppe.

Was ist zu tun, wenn Führungskräfte so einen Fall identifizieren?

Genau an dieser Stelle zeigt sich der große Unterschied zu klassischen Konflikten. Konflikte brauchen Raum und einen Rahmen, damit sie ausgetragen werden können und zu einer Lösung und damit zu einem Mehrwert führen. Sie sind nämlich ein Zeichen, dass es die Notwendigkeit gibt, sich einem Thema zu widmen. Wenn ein Konflikt in der ersten Eskalationsphase gelöst werden kann, entsteht sogar eine Win-Win-Situation. Mobbing gehört dagegen konsequent sanktioniert und umgehend unterbunden. Mobbing richtet ausschließlich Schäden an.

Auf welche Auswirkungen müssen sich Unternehmen gefasst machen, wenn solche Situationen nicht entschärft werden?  

Unzählige Studien belegen eindeutig, dass die Kosten von langandauernd Konflikten enorm sind. Sie binden viel Zeit bei Führungskräften und auch die Mitarbeiter fokussieren sich nicht mehr nur auf die Arbeit, sondern auf die Konfliktaustragung. Eine weitere Folge sind nachweislich mehr sowie langfristige Krankenstände. Auch die Fehleranzahl steigt, weil die Angestellten nicht konzentriert sind. Zudem erzeugen unaufgelöste Konflikte nachweislich mehr Kündigungen. Bei Konflikten wegzuschauen, schafft enorme nachhaltige, negative Effekte. Noch schlimmer ist es bei Mobbing.

Wie können Unternehmen präventiv ansetzen?

Untersuchungen haben gezeigt, dass es einen großen Unterschied macht, wenn Firmen Konfliktlösungs-Tools anbieten. Menschen, die Mobbing erleben, stehen doppelt bis viermal so selten Lösungstools und Unterstützung im Unternehmen zur Verfügung. Das ist wissenschaftlich ein deutliches Ergebnis.

Was für Tools können das sein?

Zum Beispiel Mediation, geschulte Ansprechpersonen im Betrieb, präventive Klärungsgespräche sowie Schulungen, die die Kompetenzen der Angestellten mit Konflikten konstruktiv umzugehen erhöhen. Wenn es solche präventive Strategien gibt, entstehen weniger Mobbing-Situationen. Gutes Konflikt-Management bedeutet, dass Konflikte rechtzeitig und angemessen ausgetragen werden und sich erst gar nicht zu Mobbing entwickeln.

Gibt es klassische Konfliktthemen und Konstellationen, die zur Eskalation neigen?

Konkurrenz ist eines der Topthemen. Dahinter stehen oft unklare Arbeitsaufteilungen und Strukturen, der Mangel an adäquaten Kommunikationsmitteln und, dass die Leute keine Möglichkeit haben, ihre Konflikte produktiv auszutragen. Sie müssen miteinander arbeiten, haben aber kein Forum, um ihre Konflikte zu lösen.

Schauen Führungskräfte vielleicht auch zu oft weg?

Manche Führungskräfte sprechen Konflikte lieber nicht an, weil sie fürchten, dass diese dadurch eskalieren könnten. Zudem fehlt sicher auch vielen Führungskräften das Knowhow, um optimal mit solchen Situationen umzugehen. Besonders die mediative Gesprächsführung ist hier wichtig, so dass Führungskräfte die Fähigkeit haben Konflikte schnell mit den Beteiligten zu lösen.

Wie schafft man eine Kultur, die nicht wegschaut?

Ich glaube, dass der Dreh- und Angelpunkt die Führungskräfte sind. Darum sollten Unternehmen zunächst in die Kompetenzen ihrer Führungskräfte investieren. Damit sie gestärkt werden und ermächtigt in Prozesse gehen können, in denen Mitarbeiter inkludiert sind. Zuerst müssen also die Führungskräfte fit gemacht werden, damit sie mit den Themen gut umgehen können. Führungskräfte sind der Schlüssel zur Etablierung guter Konfliktkultur. Wenn sie nicht überzeugt sind, lässt es sich so ein System schwer  implementieren.

Wie können Angebote für die Belegschaft aussehen?

Das können sehr niederschwellige Maßnahmen sein. Es hilft schon zu diskutieren, wie Konflikte im Betrieb angemessen angesprochen werden können und dafür ein Trainingsangebot zu machen. Mitarbeiter dürfen oft nicht einmal sagen, wenn sie verärgert sind. Eine klare Information welche Schritte bei der Konfliktbearbeitung erwünscht sind und wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Organisation dabei unterstützt werden ist natürlich besonders hilfreich.

Wenn Konflikte so eskalieren, dass Dritte involviert werden, bleiben vermutlich häufig negative Gefühle. Wie sind die Aussichten, Konflikte vollständig aufzulösen?

An dieser Stelle kann Mediation weiterhelfen. Durch sie gelangen die Konfliktparteien von den Positionen zu ihren wahren Interessen. Ein Beispiel aus dem Harvard-Konzept: Ein Vater hat eine Orange und zwei Kinder, die sie haben wollen. Als er fragt, warum sie die Orange möchten, stellt sich heraus, dass es dem einen Kind, das einen Kuchen backen möchte,  um die Schale geht und dem anderen um den Saft. So löst sich ein Problem auf, wenn man erst auf die Interessenebene gelangt. Die Chance Konflikte nachhaltig aufzulösen, ist also sehr hoch.

Zur Person:

Prof. Dr. Dr. Christa Kolodej lehrt als Fakultätsmitglied der Executive Academy Coaching, Konfliktmanagement, Mediation und Verhandlungsführung. Als Expertin in diesen Bereichen unterstützt sie internationale Unternehmen und KMU seit mehr als 25 Jahren. Sie leitet das WU Executive Academy Online-Programm Konfliktmanagement & Mediation. Ihr Anliegen ist es, zielorientiert, kompakt und kompetent Wissen zu vermitteln, sodass dieses schnell in die je individuelle Praxis umgesetzt werden kann.

Schnelltest von Christa Kolodej: So erkennen Sie Mobbing

Mittels diesen drei Fragen können Sie die Mobbingbetroffenheit erheben.

Die drei Fragen werden hintereinander gestellt, wenn alle drei Fragen aufeinanderfolgend mit „Ja“ beantwortet werden, liegt der Verdacht nahe, dass Mobbing besteht. Falls nicht alle Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, handelt es sich nicht um Mobbing.

  • Ich bin wiederholt schikanösen Handlungen ausgesetzt? Ja, Nein
  • Die schikanösen Handlungen sind systematisch gegen mich gerichtet? Ja, Nein
  • Die schikanösen Handlungen haben das Ziel, mich zu isolieren? Ja, Nein

Was unter Schikanen zu verstehen ist: Unter systematischen Schikanen werden vielfältige Handlungen subsumiert, die gezielt Menschen ins Abseits stellen und nicht mehr auf eine konstruktive Konfliktaustragung fokussieren. So kann die Möglichkeit sich mitzuteilen massiv eingeschränkt sein, z. B. durch ständige unberechtigte Kritik, Unterbrechungen, Beschimpfungen oder Drohungen. Die Betroffenen können gezielt sozial isoliert werden, indem z. B. nicht mehr mit ihnen gesprochen wird, sie wie Luft behandelt oder räumlich isoliert werden. Schikanen können auf das soziale Ansehen abzielen, indem über die Betroffenen z. B. Gerüchte verbreitet, sie öffentlich lächerlich gemacht werden oder sie Verleumdungen ausgesetzt sind. Schikanen können zudem die Berufs- und Lebenssituation beeinflussen indem die Betroffenen z. B. gezielt über- bzw. unterfordert, ihnen bewusst kränkende oder sinnlose Aufgaben zugeteilt oder Informationen bewusst vorenthalten werden. Des Weiteren kann es zur Beeinträchtigung der Gesundheit kommen, z. B. durch Gewaltandrohungen oder Gewalt, Zuweisung gesundheitsschädigender Arbeiten oder sexuelle Belästigung.