Qualitätsfaktor: Mitarbeiter

02.12.2013

Für den Palfinger-Vorstand für Produktion Martin Zehnder ist Qualitätsbewusstsein die zentrale Maßnahme, um sich gegenüber Mitbewerbern zu behaupten. Wie man die Qualität steigert, die Marke stärkt und jede Menge Geld spart – wir haben nach den wesentlichsten Hebeln gefragt.

Sie haben das Thema Qualitätssteigerung in den vergangenen Jahren massiv vorangetrieben. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Qualität beginnt immer bei einer hohen Transparenz. Darum haben wir als Erstes einen neuen Qualitätsreport entwickelt. Ein internes Tool, das die Qualitätskosten für jedes Produkt ausweist, aber auch die Anzahl der Garantiefälle. Dem Kunden ist es schließlich egal, ob das Produkt nicht funktioniert, weil eine große Stahlbaukomponente fehlerhaft ist oder ein Annäherungsschalter, der nur ein paar Euro kostet. Ihn interessiert nur, wie oft er in die Werkstatt muss.

Für Sie macht es aber vermutlich einen enormen Unterschied.
Genau. Darum haben wir auch diese zwei Größen festgelegt und über die ganze Gruppe standardisiert. Diese Kennzahlen werden auf die wesentlichen Komponenten unserer Produkte heruntergebrochen, um zu ermitteln, ob es etwa eine schleichende Verschlechterung bei Komponenten gibt, ob Mechatronik und Sensoren Probleme machen oder ob wir etwas übersehen oder falsch verbaut haben.

Wie gewährleisten Sie denn die Qualität der Komponenten, die verbaut werden?
Indem wir Audits mit unseren Lieferanten machen, die Prozesse besprechen und messen, wie die Bauteile hergestellt werden. Wir haben eine eigene interne Abteilung, die den internen und externen Lieferanten dabei hilft, besser zu werden. Mit den Auditreports können wir die Ergebnisse über die Jahre vergleichen und beobachten, wie wir besser werden.

Welche Steigerung war bei Ihnen möglich?
Beim Schweißen haben wir zum Beispiel eine Qualitätssteigerung um den Faktor zehn erreicht. Wenn man die Mitarbeiter gewissenhaft ausbildet, diese wissen, dass wir unangemeldet einmal pro Quartal kommen und Audits machen, kann man solche Ergebnisse erreichen. Man glaubt ja vorher gar nicht, wie verbesserungswürdig vieles ist.

Wie hoch war die Einsparung aufgrund der diversen Qualitätsmaßnahmen?
In den letzten sechs Jahren sind wir bei den Kosten von 1,4 auf 0,6 Prozent gesunken. Palfinger macht ein Ebit zwischen sieben und acht Prozent, und ein Zehntel davon kommt aus der Qualitätsverbesserung. Das haben wir bei weitem nicht investieren müssen. Vor allem bekommen wir auch ein zusätzliches Geschäft durch bessere Qualität. Und schließlich gibt es auch gar keine Alternative für einen Premiumhersteller.

Ist die Qualität bei Palfinger das zentrale Argument, um sich vom Mitbewerber abzugrenzen?
Wir wollen nicht die billigsten sein und sind es auch nicht. Unsere Kunden zahlen ein gewisses Premium für unsere Produkte. Eine der Rechtfertigungen dafür ist die bessere Qualität.

Klappt das auch in Krisenzeiten, oder werden dann eher günstiger Produkte nachgefragt?
Ich glaube, dass Qualität sehr oft missverstanden wird. Sie wird häufig mit Variantenreichtum gleichgesetzt. Darum geht es aber nicht. Natürlich gibt es auch preissensitive Kunden, die ein einfaches Produkt wollen. So etwas haben wir auch. Es hat weniger Möglichkeiten als das teurere. Aber auch das kostengünstige Produkt muss einwandfrei funktionieren.

Wie bekommt man den Qualitätsanspruch bei Akquisitionen in neuen Firmen rein?
Wir machen im Schnitt zwei bis drei Akquisitionen pro Jahr, und das ist eine Riesenherausforderung. Wenn wir eine Firma kaufen, erwarten die Kunden, dass sie sofort auch die Palfinger-Qualitätslevel bekommen. Darum ist bei unseren Integrationsprozessen das Qualitätsmodul ganz wesentlich. Die Prozessbeherrschung spielt da eine ganz wesentliche Rolle: Wie kaufe ich ein? Wie produziere ich? Wie teste ich? Die akquirierten Kollegen werden in diesen Prozessen geschult. Es dauert aber ein paar Jahre, das Level auf unseren Stand zu bringen.

Klingt, als wäre neben allen Prozessen der Mitarbeiter Dreh- und Angelpunkt.
Die Qualität hängt definitiv von den Mitarbeitern ab. Sie sind der Erfolgsfaktor. Alle müssen in ihrem Bereich einen hohen Qualitätsanspruch haben. Wenn man es nur durch Überprüfungen und Prozesse schafft, wird es zu teuer. Ganz wesentlich ist übrigens auch die Fertigungsüberleitung. Also dass die Entwicklungsabteilungen und die Lieferanten frühzeitig zusammenkommen und darüber sprechen, ob man die Komponenten auch prozesssicher herstellen kann. Es ist nämlich ein Unterschied, ob es nur einmal oder reibungslos in der Serie klappt. Dafür muss man sich Zeit nehmen und die Teams zusammenspannen.

Welche Unterschiede beobachten Sie bei Kundenbedürfnisse in puncto Qualität zum Beispiel in Indien oder der Schweiz?
Da gibt es Riesenunterschiede! In einem Land wie Indien, wo es nur lokalen Wettbewerb gibt, sind die Kunden auf einen anderen Qualitätslevel eingestellt. Wir haben auch festgestellt, dass wir in den Bric-Ländern viel weniger Umsatz mit den Ersatzteilen machen und bedeutend niedrigere Qualitätskosten haben.

Woran liegt das?
Daran, dass dort viel mehr selbst repariert wird. Wenn etwas nicht funktioniert, reparieren die Kunden oft sogar in der Garantiezeit selbst. Danach sowieso. Da wird viel rumgebastelt. Aufzuzeigen, dass die Produkte wesentlich länger halten, wenn sie professionell gewartet und repariert werden, ist ein großes Potenzial.

Wie reagieren Kunden auf Qualitätssteigerungen? Bekommt man rasch Feedback?
Wenn Sie etwas verbessern, sieht man das in den Kennzahlen in zwei Jahren, und der Kunde meldet das in vier Jahren. Wenn etwas schlechter wird, sagt es der Kunde sofort. Verbessern dauert. Wenn man sich strategisch verbessern will, darf man nicht nur auf den Kunden und auf die Tagesprobleme schauen, sondern braucht eine gute Datenbasis, um die Schwerpunktthemen herauszufiltern und zu bearbeiten – sonst verzettelt man sich. Man muss den Kunden und Händlern erklären, woran man arbeitet und warum. Da muss man aktiv sein!