Persönlich gefragt: „Am Ende hat man Wunden und Narben“

07.05.2014

Bleiben, wie man ist: Warum sich Brigitte Ederer heute dumme Fragen zu stellen traut, sie nicht mehr in die Politik zurück will und sich manchmal sogar ganz gern verspotten lässt.

Interview: Stephan Strzyzowski

Politik, Siemens, ÖIAG, ÖBB: Sie haben viele unterschiedliche berufliche Stationen absolviert. Wo ist es Ihnen leichter gefallen, Sie selbst zu bleiben, wo war es schwieriger?
Ich glaube, dass ich immer recht authentisch war. Außer zu Beginn meiner Zeit als Staatssekretärin, als es sehr starke mediale Kritik gab. Man hat damals öffentlich diskutiert, wie Bundeskanzler Vranitzky auf so eine junge unerfahrene Frau setzen konnte. Das hat mich sehr irritiert. Ich war nicht sicher, ob ich meiner Linie würde treu bleiben können.

Ist es Ihnen, im Rückblick betrachtet, gelungen?
Ja, ich habe aber sehr gelitten. „Die Presse" hat damals geschrieben, dass ich nicht einmal weiß, wie man Messer und Gabel in der richtigen Reihenfolge verwendet. Das hat mich natürlich gekränkt. Weil ich das mediale Spiel noch nicht beherrscht habe, konnte ich mich zu Beginn wohl auch nicht immer so geben, wie ich wirklich bin. Später ist mir das dann aber recht gut gelungen.

Denken Sie, dass Sie dadurch in Ihre Positionen gekommen sind?
Schwer zu sagen. Ich glaube, dass ich ausstrahle, dass ich engagiert bin, etwas verändern will und es nicht um der Position willen mache.

Was ist es denn, das Sie antreibt?
Dinge zu verändern und zu gestalten. Ich habe immer überlegt, was ich bei neuen Aufgaben erreichen will und was die Leute sagen sollen, wenn ich wieder rausgehe.

Konnten Sie den Erwartungen gerecht werden?
Meinen eigenen nur sehr selten. Ich war immer ein wenig unzufrieden mit mir selbst. Es gab aber etwas, das mir dabei geholfen hat, nicht gebrochen zu werden: Ich hatte nie existenzielle Ängste in meinem Leben, obwohl ich von ganz unten komme.

Warum nicht?
Als ich in der Politik begonnen habe, hatte ich mit einem Unternehmer eine Vereinbarung getroffen, dass ich immer bei ihm anfangen kann. Ich bin nicht sicher, ob es wirklich etwas geworden wäre, aber es hat mir eine gewisse Sicherheit gegeben.

Als Siemens-Vorständin haben Sie pro Jahr Millionen verdient. Vielen Menschen steigt so ein Vermögen zu Kopf. Waren Sie nie in Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren?
Nein, ich habe so viele Menschen die Karriereleiter hinaufgehen gesehen und so viele wieder hinunterfallen, dass ich mir nie Illusionen über meine Bedeutung gemacht habe. Es ist schließlich nicht der Mensch, zu dem dann alle freundlich und unterwürfig sind, es ist die Position. Geld hat mir zudem nie besonders viel bedeutet.

Welche Rolle spielt das persönliche Umfeld, wenn man so stark unter Beobachtung steht?
Man sollte zulassen, dass einem die unmittelbare Umgebung einen Spiegel vorhält. Meine Mitarbeiterin verspottet mich zum Beispiel manchmal ein bisschen, und das ist gut so. Denn eine Umgebung, die einem die Meinung sagt, hilft enorm, sich nicht zu wichtig zu nehmen.

Man hat bei vielen Politikern und Topmanagern den Eindruck, dass sie so geschult sind, dass sie überhaupt nicht mehr authentisch rüberkommen. Muss das sein?
Wenn man ganz klar und einfach spricht, kann man sehr leicht festgenagelt werden. Manchmal ist die Lage aber nicht so klar oder noch nicht entschieden. Dann ist es schwer, Klartext zu reden.

Ist das auch der Grund dafür, warum Sie nicht mehr in die Politik zurückkehren wollen?
Politik ist das Spannendste, was es geben kann. Aber es ist gleichzeitig auch das Kränkendste und das Verletzendste. Wenn man diese Kombination schon kennt und mein Alter hat, tut man sich das nicht mehr an. Es waren genug Verletzungen.

Ihr Mittel zur Heilung?
Die Zeit heilt alle Wunden! Und irgendwann denkt man sich halt auch: Habt mich doch alle gern!

Fällt Ihnen das heute leichter?
Selbstverständlich. Heute ist es auch leichter für mich, den Mut aufzubringen, meinen Hausverstand einzuschalten und ganz naiv nachzufragen, wenn mir etwas komisch vorkommt. Bestimmt haben sich immer wieder Leute gedacht: Was ist das für eine blöde Gans? Doch oft hat sich herausgestellt, dass jene, die hochtrabend herumphilosophiert haben, selbst keine Ahnung hatten.