Multi-Channel ist wichtiger denn je

MasterCard
09.04.2020

Aufgrund der Corona-Krise hat sich das Konsumverhalten massiv verändert. Wie nachhaltig der E-Commerce davon profitiert, ob sich regionale Angebote durchsetzen werden und in welchen Shop-Systemen wir in Zukunft einkaufen, erklärt Christian Rau, Country Manager von Mastercard Austria.

Aufgrund der Corona-Krise spielt sich mehr Business denn je über digitale Kanäle ab. Wie schlägt sich das bei Ihren Analysen zum Zahlungsverkehr nieder?

Im klassischen stationären Einzelhandel und in der Gastronomie hat sich das Konsumverhalten natürlich stark verändert, da die Läden und Lokale aktuell noch geschlossen halten müssen. Der Bereich Lebensmittel und Drogeriemärkte ist dagegen recht stabil, verzeichnet aber deutlich mehr Kartenzahlung. Im E-Commerce ziehen vor allem Online-Gaming, Bildungsangebote und Streaming-Dienste, aber natürlich auch Lebensmittellieferungen stark an. Stark rückläufig ist dagegen die Reise-Branche, die zum Erliegen gekommen ist. Was wir ebenfalls beobachten können ist, dass die kontaktlose NFC-Zahlung an den Bankomatkassen extrem gestiegen ist. Das macht aus hygienischer Sicht absolut Sinn, weswegen auch die Händler dazu aufgerufen haben.

Darum wurde ja auch das Limit erhöht.

Genau. Das haben wir mit den Kartenherausgebern und Akzeptierenden umgesetzt. Wir wollten die Anzahl der Transaktionen, bei denen man den Pin eingeben muss, reduzieren. Jetzt kann man bis 50 Euro kontaktlos ohne Pin-Eingabe bezahlen.  

Vor der Krise lag der Anteil der Onlinekäufe bei 11 Prozent. Wo liegt er jetzt?

Der Anteil steigt nun natürlich rasant an. Wie das Ergebnis im Jahresmittel ausfällt, bleibt abzuwarten. Aber zum Quartalsende Q1 wird man diesen Trend sicher deutlich sehen. Beim Jahreswert traue ich mir keine Prognose zu.

Viele Händler versuchen jetzt rasch Onlineshops aufzuziehen. Wie schwierig ist das?

Die Komplexität einen Onlineshop aufzusetzen, ist zum Glück geringer geworden. Die Shopsysteme und das Bezahlen sind heute recht simpel. Es gibt Payment Service Provider, die einfache Plug-and-Play-Lösungen anbieten. Wichtig ist natürlich auf der anderen Seite die Basis, also dass die Konsumenten überhaupt digitalfähige Karten haben.

Wie gut sind die Konsumenten mit entsprechenden Karten versorgt?

Mittlerweile sehr gut. Denn die Österreicher können auch mit ihren Bankomatkarten im Internet bezahlen. Die sogenannte Debit Mastercard hat eine 16-stellige Kartenarchitektur, die im E-Commerce funktioniert. Sie wurde vor der Krise ausgerollt. Das zahlt sich jetzt aus.

Glauben Sie, dass sich durch die Krise das Konsumverhalten nachhaltig in Richtung E-Commerce verändern wird?

Ja. Aus zwei Gründen. Bei denen, die bislang nur stationär gekauft haben, und das sind nicht viele in Österreich, ist durch Corona ein gewisse Notwendigkeit entstanden, es auszuprobieren und dadurch ist sicher eine Hürde überwunden. Das gleiche gilt für das kontaktlose Bezahlen, das nun viele als praktisch und hygienisch erkennen.

Vermutlich werden auch viele Händler ihre E-Commerce-Aktivitäten beibehalten.

Das glaube ich auch. Rund 10% des Umsatzes im österreichischen Einzelhandel wurde 2019 im E-Commerce gemacht. Dieser Anteil steigt kontinuierlich an. Auch, weil immer öfter mit dem Handy über diversere Apps bestellt und bezahlt wird. Dieser Trend wird sich sicher fortsetzen. Die Corona-Krise kommt wie ein Mikrosprint dazu, der als Beschleuniger wirkt. Aufgrund der Pandemie hat sich einmal mehr gezeigt: Bezahlen ist kritische Infrastruktur. Sie sicher, einfach und bequem zu gestalten und für die Wirtschaft unerlässlich. 

Denken Sie, dass sich nun auch vermehrt regionale Angebote und Händler bei den Konsumenten durchsetzen können?

Das sehen wir noch nicht. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass in Zukunft alle Händler größere Puffer einbauen werden und darauf achten, ihre Wertschöpfungsketten stärker regional aufzustellen. Es würde generell Sinn ergeben, auch den E-Commerce regionaler aufzusetzen, um krisenfester zu sein und Domino-Effekte zu minimieren.

Am Beginn der Krise hat sich gezeigt, dass unglaubliche Mengen von Bargeld abgehoben worden sind. Warum ist das Vertrauen in unser System so gering?

Neben Klopapier und Nudeln war Bargeld sicher ein zentraler Triggerpunkt. Wenn wir später zurückblicken, werden wir sehen, dass das Vertrauen insgesamt trotzdem sehr hoch war. Die WHO, die Politik und alle Händler haben sich klar für den unbaren Zahlungsverkehr ausgesprochen. Dass die Nationalbanken so rasch versichert haben, dass der volle Zugang zum Bargeld sichergestellt ist, war eine vertrauensbildende Maßnahme. Das letzte, was man wollte, war ein Bankrun. Die nichtbaren Zahlungssysteme haben demonstriert, dass sie verlässlich als Wirtschaftsstütze fungieren können.

Immer wieder denken Firmen wie Facebook über eigene Währungen nach. Ein gefährlicher Trend, oder eine Innovation, die nicht aufzuhalten ist?

Mittel bis langfristig ist es eine Innovation, die in Teilbereichen nicht aufzahlten sein wird. Ob sie massenrelevant sein wird, bleibt abzuwarten. Ich bin davon überzeugt, dass zumindest Kryptowährungen durchaus eine Daseinsberechtigung haben. Aber aus unserer Sicht ist es wichtig, wenn wir so etwas stützen, dass die Anforderungen bei Konsumentenschutz, Wertstabilität, Datenschutz, Rechtssicherheit und Regulation gegeben sind - bevor wir uns engagieren.

Viele Wertschöpfungsketten werden mobiler und auch stärker durch verschiedene Devices wie Alexa gesteuert. Was müssen Unternehmen bedenken, um nicht von der Entwicklung vor sich her getrieben zu werden?

Die Handelsunternehmen müssen sich damit anfreunden, always on zu sein. Die Konsumenten können heute alles einfach vom Handy aus bestellen. Händler müssen entsprechende Services anbieten können. Dabei muss die User Experience stimmen. Multi-Channel ist wichtiger denn je. Denn der Konsument unterscheidet nicht mehr zwischen on- und offline. Man googelt im Geschäft, vergleicht den Preis, und der Händler sollte dieses Bedürfnis auch mitbedienen können.  

"Jedes mit dem Internet verbundenes Gerät wird ein Shopping-Gerät werden."

Der Handel wird seine Konzepte also bald anpassen müssen? Bislang sehen wir ja noch wenig innovative Ansätze in Österreich.

In der Zukunft wird es garantiert vermehrt auch andere Bezahlprozesse im Einzelhandel geben. Wenn man einen Fernseher kauft und beraten wird, muss man sich dann nicht mehr noch bei der Kassa anstellen. Wieso sollte man nicht gleich bei der Beratung per Smartphone bezahlen und am Nachmittag wird das Gerät geliefert? Wohin die Reise geht, sehen wir bei den Shops mit Selfservice wie beispielsweise von Spar, oder bei den Amazon-Flagshipstores, die komplett ohne Kassenpersonal auskommen. Die treibenden Kräfte sind dabei immer Technologie, Kultur und Datenschutz. Jedes mit dem Internet verbundenes Gerät wird ein Shopping-Gerät werden.

Für Konsumenten wird dabei der Bezahlvorgang immer einfacher gestaltet. Kontaktlos, über Alexa, mit nur einem Klick. Wie wirkt sich das auf das Konsumverhalten aus?

In Österreich sehen wir, dass die Menschen die Debit-Karten bevorzugen, weil sie den kontinuierlichen Geldabfluss gegenüber der Kreditkarte, die einmal abbucht, vorziehen. Dass bargeldloses Einkaufen zu Überschuldung führt, sehe ich nicht in den Zahlen und ich halte es für einen Trugschluss. Wenn man 200 Euro abhebt, weiß man nach ein paar Tagen nicht so genau, wo sie geblieben sind. Bei der Kartenzahlung kann man es sich genau ansehen. Konsumenten bekommen über Onlinebanking-Tools heute sogar noch deutlich mehr Transparenz.

Stichwort Cybercrime: Wie geht Mastercard mit dem Thema um?

Das ist natürlich eine riesen Herausforderung für uns. Wir haben deswegen in Brüssel ein eigenes Cybercrime-Center eingerichtet. Für die bösen Buben des Internets sind wir ein interessantes Ziel, darum schützen wir unser Netz entsprechend und investieren viel in Technologie, die uns vor Zugriffen sichert. Wir leben davon, dass wir sicher sind. Und davon, dass es auch so bewertet wird.