Ich bin kein Freund von kostenfreiem Versand

Logistik
11.05.2022

Wie erfolgreich Unternehmen sind, hängt immer öfter davon ab, wie gut die Lieferung klappt. Mit welchen Trends die Post Kunden und Händlern das Leben erleichtern will und wie sich das alles mit ökologischen Anforderung in Einklang bringen lässt, erklärt Vorstandsmitglied Peter Umundum im Interview.
Peter Umundum

Der Onlinehandel boomt, gleichzeitig steigen die ökologischen Anforderungen an die Logistik. Wie lässt sich das immer größere Versandvolumen mit den Anforderungen an Nachhaltigkeit in Einklang bringen? Man muss wissen, dass E-Commerce im Vergleich zum stationären Handel nachhaltiger funktioniert. Durch die An- und Abfahrten der Kund*innen und der gesamten Logistik, die Waren in Geschäfte bringt, ist der CO2-Fußabdruck im klassischen Handel wesentlich höher. Nichtsdestotrotz gibt es ein ganz klares Commitment von der Logistikbranche, die Emissionen zu optimieren und sogar auf null zu bringen. Das betrifft vor allem die letzte Meile und kann mittels E-Mobilität erreicht werden. Die Post betreibt dafür bereits den größten Elektro-Fuhrpark Österreichs. Diesen Ansatz werden wir noch weiter ausbauen. Komplexer ist die Situation dagegen im Schwerverkehr, weil noch taugliche Elektrolösungen über größere Distanzen fehlen. Dafür könnten mit Wasserstoff betriebene Lkws interessant werden. Allerdings benötigen wir dann auch eine entsprechende Infrastruktur und dafür die Unterstützung der öffentlichen Hand.

Sind die Umsatzziele der Post, die zu höherem Transport führen, mit Nachhaltigkeitszielen gekoppelt? Ja, diese beiden Aspekte müssen immer parallel gedacht werden. Es gibt Wachstumsziele im Umsatz, aber auch Optimierungsziele zur jährlichen Reduktion der Emissionen. Wir bekennen uns auch im ganzen Management zum Ziel, CO2-frei zu werden. Das wird auch von unseren Kunden sehr positiv bewertet. Bei Ausschreibungen schauen immer mehr Unternehmen sehr genau auf die CO2-Bilanz. Immer öfter werden Aufträge auch auf Basis von Nachhaltigkeitskriterien vergeben.

Wer ist für das Thema im Unternehmen zuständig? So eine Transformation muss Chefsache sein. Es braucht den gesamten Vorstand, der dahinter steht, die Programme forciert und Budgets freigibt. Darüber hinaus braucht man technologische Know-how-Träger, die mit dabei sein müssen. Wenn es um Aspekte wie Fahrzeugtechnik, Gebäudeoptimierung und Photovoltaik geht, ist echte Expertise gefragt. Wichtig ist auch die Kommunikation, damit das Thema vom ganzen Unternehmen gelebt wird. Von unseren 10.000 Zustellern sind knapp 2.500 mit E-Fahrzeugen unterwegs. Das schafft Bewusstsein und es kommt auch bei unseren Angestellten sehr positiv an. Nachhaltigkeit muss sich konsequent durch alle Bereiche ziehen.

Welche Handlungsfelder beschäftigen Sie ganz besonders? Wir haben drei wesentliche Verursacher: unsere Gebäude, den Transport der Sendungen auf der letzten Meile sowie die Transportlogistik insgesamt. Wir setzen in allen Bereichen darauf, die Emissionen sukzessive zu senken und was sich nicht komplett reduzieren lässt, kompensieren wir. Das Transportvolumen ist von 2009 bis 2021 um 71 Prozent gestiegen, trotzdem konnten wir unsere CO2-Emissionen reduzieren. Wir verzeichnen ein jährliches Wachstum von bis zu zehn Prozent im Paketvolumen, aber bis 2030 werden wir die Emissionen der letzten Meile komplett auf null bringen.

Ein starker Treiber sind vermutlich kostenfreie Lieferungen, die immer mehr Händler anbieten. Glauben Sie an eine Trendumkehr in dem Bereich? Ich bin kein Freund von kostenfreiem Versand. Wir investieren Hunderte Millionen Jahr für Jahr in unsere Infrastruktur und beschäftigen Tausende Mitarbeiter. Dass alles kostenlos sein soll, erzeugt ein völlig falsches Bild. Auf die Angebote der Händler haben wir aber keinen Einfluss. Um die steigende Paketmenge effizienter zu transportieren, haben wir die Zustellprozesse optimiert und in der Verbundzustellung von Briefen und Paketen konsolidiert. Ein wesentlicher Hebel liegt auch im Bereich der Verpackungen.

Geht es dabei um die Materialien? Ganz konkret haben wir ein Optimierungsprojekt zum Thema Verpackung mit großen Kunden gestartet, wo es um Mehrwegverpackungen und um alternative Materialien geht. Wir prüfen auch, wo individuelle Verpackungen sinnvoll sind, um Volumen zu reduzieren. Jetzt analysieren wir, wie die Akzeptanz bei den Empfängern ist. Ob sie bereit sind, Verpackungen wieder zurückzuschicken oder zu recyceln. Bislang sehen wir großes Interesse. Ob und wie unsere Erwartungen eintreten, wissen wir im September.

Welche Bedeutung hat die Lebensmittelzustellung für die Post als Wachstumsmarkt? Wir sehen ein gewisses Wachstum, aber auf einer geringeren Ausgangsbasis als in Märkten wie Großbritannien. Bei dem Thema spielen sehr rasche Zustellzeiten eine große Rolle, die ökologisch nicht ideal sind. Darum versuchen wir Lebensmittelzustellung als Teil des Paketnetzes anzubieten. Dabei gibt es drei Kernprodukte: normale Pakete für Trockenware, spezielle bruchsichere Pakete für Wein und Bier und  temparaturgeführte Pakete für verderbliche Ware. Diese Boxen sind wiederverwendbar und kommen bereits bei großen Kunden wie Unimarkt zum Einsatz. Wir haben aktuell einen Anteil von ein bis zwei Prozent. Im E-Commerce sind es 15, wenn wir dort hinkommen, wäre es ein gewaltiger Sprung.  

Ob Kunden online kaufen, hängt stark von der Convenience der Lieferung ab. Wie lässt sich der Komfort für Konsumenten noch steigern? Lieferungen am gleichen Tag werden immer wichtiger, genau wie die Auswahl eines Zeitfensters. Stark nachgefragt sind auch alle Lösungen, auf die Kunden rund um die Uhr zugreifen können: Empfangsboxen, Abholstationen, Versandboxen. Und Kunden wollen auch immer stärker eingreifen, sie wollen steuern, wann und wohin geliefert werden soll. Immer öfter geht es auch darum, die Lieferadresse kurzfristig ändern zu können.

Österreich verliert durch den E-Commerce massiv an ­Wertschöpfung.

Peter Umundum, Österreichische Post AG

Welche Rolle spielt der heimische Handel im gesamten Onlinehandel? Österreich verliert durch den E-Commerce massiv an Wertschöpfung. Im E-Commerce kommen 70 bis 80 Prozent der Mengen aus dem Ausland. Die Händler und deren Lager sind überwiegend im Ausland. Das ist ein Nachteil für den Standort. Es müsste mehr Motivation für Versandhändler geben, dass sie nach Österreich kommen. Und man müsste die stationären Händler stärker dazu motivieren, dass sie in mehreren Dimensionen verkaufen und auch auf E-Commerce setzen.

Woran liegt es, dass sich noch so viele lokale Händler dem Onlinehandel verschließen? Ein Kernproblem ist, dass sie oft zwei parallele Prozesse fahren würden und das nicht leistbar ist. Man muss den Onlinehandel integriert betrachten und mehrere Vertriebskanäle mit einer Logistik aus einem Guss bespielen. Wenn man für den stationären Handel und für den Onlinehandel zwei verschiedene Logistikkanäle betreibt, hat man nur höhere Kosten. Diesen gesamtheitlichen Ansatz auch von öffentlicher Hand zu forcieren, wäre wichtig. Interessensvertretungen und Politik müssten auch endlich aufhören, den stationären Handel gegen den vermeintlich „schlechten“ E-Commerce zu schützen. Sie sollten die Unternehmen vielmehr dabei unterstützen, selbst davon zu profitieren. 

Zur Person

Peter Umundum ist seit 2011 Vorstandsmitglied der Österreichischen Post AG und ist für die Division Paket & Logistik zuständig.