Eine Branche sieht grün

Zukunft
26.11.2019

Wer vom Niedrigzinsniveau profitiert, wie die EU Finanzmittel in Richtung Nachhaltigkeit lenkt und welche Assets massiv an Wert verlieren werden – ein Gespräch mit Herta Stockbauer, der Vorstandsvorsitzenden der BKS Bank.
Herta Stockbauer, Vorstandsvorsitzende der BKS Bank

Der Klimawandel ist gerade ein extrem bestimmendes Thema, das auch den Finanzierungssektor voll erfasst hat. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?
Ich befasse mich schon lange mit Nachhaltigkeitsaspekten und sehe in der Thematik jede Menge Chancen. Was mich allerdings überrascht hat, war, wie präsent das Thema im Wahlkampf geworden ist. Wer hätte das vor einem halben Jahr gedacht? Für die Finanzindustrie ist Nachhaltigkeit jedenfalls ein zentrales Thema, und das ist aus meiner Sicht gut so.

Wie schlägt sich das konkret nieder?
Es gilt jetzt, die Finanzströme gezielt in Richtung Klimaschutz und nachhaltiger Investitionen zu lenken. Das ist es, was tatsächlich konkret im Gange ist. Für den Bankenbereich ist das eine immens große Herausforderung, und die Entwicklung schreitet rasch voran.

Liegt das daran, dass die Europäische Kommission einen Aktionsplan zum Thema Sustainable Finance auf Schiene gebracht hat, der die Finanzierung nachhaltigen Wachstums fördern soll?
Genau. Dieser Plan richtet sich allerdings nicht nur an Banken, sondern an die gesamte Finanzwirtschaft, an institutionelle Investoren, an Vorsorgekassen und viele weitere Player. Ich finde, dass gute Punkte darin enthalten sind. Dass der EU-Plan etwas bewirken würde, dachte ich mir gleich. Dass es so schnell gehen würde, davon bin ich positiv überrascht.

Was verändert sich dadurch?
Es muss jetzt zum Beispiel ganz eindeutig klargestellt werden, was ein nachhaltiges Produkt ist und wie es sich definiert. Damit wird Greenwashing vom Tisch sein. Die Vorgaben richten sich aber auch an Investoren, die sich daran orientieren sollen. Das ist durchaus sinnvoll. Die Richtlinie betrifft aber noch einen weiteren wesentlichen Punkt: das Risikomanagement.

„Wenn Schulden machen eine bessere Rendite als das Kerngeschäft abwirft , ist man auf der falschen Spur“.

Wie das?
Aufgrund der Richtlinie sind Banken angehalten, sich möglichst früh anzusehen, in welchen Bereichen sie tätig sind. Denn manche Branchen werden, wenn sie sich nicht nachhaltiger aufstellen, in Schwierigkeiten geraten. Neu ist auch der green supporting factor. Damit sollen Finanzierungen für nachhaltige Unternehmen ein geringeres Risikogewicht bekommen als herkömmliche. Das würde sich positiv auf die Eigenkapitalquote der Banken auswirken.

Wenn nun nachhaltige Investitionen gefördert werden, werden dann konventionelle benachteiligt?
Nein, denn es ändert sich nichts an den klassischen Krediten. Sie werden nicht bestraft. Nur grüne Investitionen werden gefördert. Es sollen Anreize geschaffen werden. Allerdings muss die gesetzliche Verankerung des green supporting factors erst umgesetzt werden. Das steht bislang nur im EU-Aktionsplan. Noch fehlt der konkrete Gesetzesentwurf.

Sie würden eine rechtliche Verpflichtung in diese Richtung begrüßen?
Ja, denn es ist konkret eine Möglichkeit, wie man Anreize schaffen könnte. Wenn man die Pariser Klimaziele ernst nimmt, ist es die richtige Antwort darauf.

Sehen Sie auch eine entsprechende Nachfrage nach solchen Finanzierungen?
Ja, ich glaube allerdings, dass man das Thema darüber hinaus gesamtwirtschaftlich betrachten muss, weil Investitionen in den Klimaschutz auch Wachstumspotenzial und Innovationspotenzial bedeuten. Die Frage lautet immer: Welche neuen Geschäftspotenziale ergeben sich aus der Auseinandersetzung? Wir werden den Klimawandel nur mittels Innovationen bewältigen können. Einsparungsappelle werden nicht reichen. Man muss die Unternehmen ermutigen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und ihnen auch die Möglichkeit geben, diese finanziell zu stemmen.

Das heißt, es geht aus Ihrer Sicht nicht so sehr um die neue PV-Anlage, sondern um radikalere Veränderungen der Geschäftsmodelle?
Es geht darum, die eigenen Geschäftsmodelle und auch die Strategien konsequent weiterzuentwickeln. Unternehmen, die das erkannt haben, gehen offensiv an Klimaschutzthemen heran, und wenn es Anreize gibt, ist es ein Vorteil. Widerstand gegen diese Entwicklungen sehe ich nicht.

Massiver Widerstand gegen den Status quo kommt dafür gerade von jungen Menschen, die für Maßnahmen gegen den Klimawandel demonstrieren. Genau diese Jungen werden sich aber sehr schwer tun, durch Sparen Vermögen aufzubauen. Haben Sie für diese Generation ein Angebot?
Das ist ein sehr ernstes Thema. Dass die Zinspolitik der EZB der Weisheit letzter Schluss ist, bezweifle ich stark. Sie nimmt einer ganzen Generation die Möglichkeit, zumindest die Inflation auf ihre Reserven abgegolten zu bekommen. Wenn wir zumindest zur Kaufkrafterhaltung zurückkommen würden, wäre schon viel gewonnen. Wer heute Geld zur Seite legt, muss einen realen Wertverlust hinnehmen. Die Jungen müssen also die Zeche zahlen.

Auch in der Phase der Hochkonjunktur wurde das Zinsniveau nicht angehoben. Wer profitiert aus Ihrer Sicht davon?
Profiteure sind die hochverschuldeten Länder.

Weil Länder wie Italien durch höhere Zinsen automatisch bankrott wären?
Ja, aber das sagt keiner. Das Argument lautet ja immer, dass das Niveau so niedrig ist, um Investitionen zu fördern. Aber Kredite bekommt man auch so. Da sehe ich keine Nöte. Wir haben vielmehr die perverse Situation, dass sich Großunternehmen verschulden können und dafür bezahlt werden. Das ist eine Fehlallokation. Wie kann es sein, dass zum Beispiel Siemens eine Anleihe mit negativen Zinsen begeben hat? Wenn Schulden machen eine bessere Rendite als das Kerngeschäft abwirft, ist man auf der falschen Spur.

Was raten Sie dann Ihren Kunden?
Es bleiben nur andere Anlageformen, aber die haben Risiken. Ein kleiner Sparer hat davon nicht viel. Lediglich mit Fondssparen können sie ein bisschen partizipieren. Man könnte sich auch an Unternehmen beteiligen, das wird aber durch höhere KeSt bestraft. Das ist auch unlogisch. Welche Möglichkeiten bleiben dann noch? Aber nur zu sagen, dass die Menschen ihr ganzes Geld in den Konsum stecken sollen, ist auch Unsinn.

Erwarten Sie eine Abkehr von der Niedrigzinspolitik?
Aktuell ist davon nichts zu sehen. Auch wenn die Maßnahme am Höhepunkt der Finanzkrise sicher sinnvoll war, als es um die Existenz des Euros gegangen ist, war EZB-Chef Mario Draghi in der Hochkonjunktur zu zögerlich. Genauso beherzt, wie man reingegangen ist, hätte man auch wieder rausgehen müssen.

Wenn die Politik die Klimaziele weiter so ernst nimmt, könnte bald der Zeitpunkt kommen, an dem Kohle, Gas und Öl aufgrund von staatlichen Restriktionen an Wert verlieren. Wie bewerten Sie die Gefahr der Strandet Assets?
Das ist ein Punkt, dem man sich stellen muss. Aber man sollte auch die Kirche im Dorf lassen. Die Situation ist nämlich sehr differenziert zu betrachten. Österreich hat eine andere Situation als andere Länder. Man kann nicht überall einfach sofort aus Kohle aussteigen, sonst wird es dunkel und kalt. Aber gar nichts zu machen, weil es schwierig ist, das geht auch nicht. Man braucht also mitunter lange und vor allem realistische Übergangszeiträume. Ganz klar ist: Rohstoffreserven wie Kohle werden einen anderen Wert als heute haben. Fast alle Banken arbeiten mit Ausschlusskriterien, und Kohle steht ganz weit oben. Banken müssen nachdenken, wenn sie neue Finanzierungen gewähren, ob diese nachhaltig sind oder ob in ein paar Jahren nichts mehr produziert werden darf und die Investition abgeschrieben werden muss. Es ist zu beurteilen, welche Branche von der Klimadiskussion im Geschäftsmodell bedroht sein kann. Und ob sie genug Maßnahmen setzen, um da rauszukommen.

Kommt diese Sichtweise auch bei der Veranlagung entsprechend zum Tragen?
Bei den privaten Anlegern gibt es manche, die sich noch nicht damit befasst haben. Da liegt es an uns, sie zu beraten. Es gibt aber immer mehr Kunden, denen das wichtig ist. Bei einem Greenbond wollen die Leute wissen, was man mit dem Geld konkret macht. Wenn die Mittel in Projekte in der Region fließen, ist das Commitment groß. Bei den Gesellschaften haben alle Nachhaltigkeitsprodukte im Portfolio.

Nachhaltigkeits-Fonds werden also ein lukrativer Zukunftsmarkt?
Ja, das sind sie bereits. Und damit das so bleibt, müssen sie lukrativ sein.

Auch für die Anleger, oder müssen sich die mit dem guten Gewissen begnügen?
Man wird immer gefragt, welche pekuniären Anreize damit verbunden sind. Wir bepreisen nachhaltige Veranlagungen grundsätzlich gleich wie andere Produkte. Vergleiche zeigen, dass es keine Renditeunterschiede weder nach oben noch nach unten gibt. Doch ich finde, dass auch dem Investor klar sein muss, dass jeder einen Beitrag zu leisten hat.