„Die Rechnung macht Sinn“

Industriellenvereinigung
20.09.2010

Rücken die Banken kein Geld raus, springt oftmals die Austria Wirtschaftsservice ein. Geschäftsführer Bernhard Sagmeister erklärt, warum er heuer noch 340 Millionen zu vergeben hat und welche Forderungen er an die Politik stellt.

Interview Stephan Strzyzowski

Beim AWS gibt es noch 340 Millionen Euro an geförderten Krediten für 2010, die über das Konjunkturpaket der Bundesregierung zu vergeben sind. Wie kann das sein?
Wir haben die geförderten Kredite aufgrund der schwierigen Wirtschaftsphase im Vorjahr von einem Volumen von 400 Millionen auf 600 Millionen ausgedehnt. 2009 wurde diese Summe auch zu 95 Prozent ausgeschöpft. In das vergangene Jahr wurden allerdings einige Projekte aus 2008, in dem die Investitionsbereitschaft noch höher war, mitgenommen. Das ist der Grund, wieso heuer noch rund die Hälfte des Volumens übrig ist.

Wie unterscheiden sich AWS-Kredite vom klassischen Bankkredit?

Der Vorteil eines solchen Darlehens liegt in erster Linie beim Zinssatz. Wir haben bei individuell unterschiedlichen Laufzeiten einen Fixzins, der bei maximal 1,5 Prozent und in der tilgungsfreien Zeit bei 0,5 Prozent liegt. Das Volumen reicht bei Kleinkrediten von 10.000 Euro bis zu großen Finanzierungen im Ausmaß von sieben Millionen Euro. Dieser Fixzins liefert den KMU eine sichere Kalkulationsgrundlage, weil sie von einem etwaigen Anheben des Leitzinses derEZB nicht betroffen sind. Im Vergleich mit einer Bank steigt der Kunde trotz Besicherungskosten deutlich besser aus. Die Rechnung macht für die Unternehmen also schon rein betriebswirtschaftlich Sinn.

Welche Veränderungen ergeben sich aufgrund der Krise beim Finanzierungs-bedarf von KMU?

Vor allem Haftungs- und Garantieprodukte haben an Bedeutung gewonnen. Kleinkredite sind ein großer Verkaufsschlager geworden. Wir haben darauf  beispielsweise mit dem Mittelstandsfond, der Venture-Capital-Initiative oder Produktausgestaltungen wie dem Ökobonus reagiert.

Beim Mittelstandsfond wird das Eigenkapital über eine Beteiligung aufgestockt. Wie funktioniert das konkret?
Wir beteiligen uns im Ausmaß von 300.000 Euro bis fünf Millionen Euro an Einzelunternehmen. Dabei handelt es sich um eine atypische stille Beteiligung, da wir nur gewinnbeteiligt sind und uns nicht ins Tagesgeschäft einmischen. Das kommt natürlich vor allem bei den mittelständischen Familienunternehmen sehr gut an. Normalerweise sind wir an den Unternehmen vier bis sieben Jahre lang beteiligt, dann wird die Beteiligung zurückgefah-ren. Die bisherigen Projekte sind eine Erfolgsgeschichte. Uns gelang es, höhere Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte zu erzielen. Die Wachstumsschritte sind enorm groß im Vergleich zum Mittel-einsatz.

Setzen Sie auch branchenspezifische Schwerpunkte?

In den exportorientierten Branchen wie der Sachgüterproduktion herrscht eine gewisse Aufbruchsstimmung. Deshalb liegt dort sowohl bei Darlehen als auch bei Garantien ein Schwerpunkt. Weiters versuchen wir etwa im Bereich Clean-Tech bewusst Impulse zu setzen. Dies geschieht mit dem Ökobonus, mit dem wir gezielt ökologisch nachhaltige Produktionen unterstützen.

Ihr Auftrag vom Gesetzgeber lautet ganz klar: den Standort stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Welche Bilanz können Sie vorweisen?

Die aktuelle Evaluierung beweist, dass unsere Produkte sehr oft die Finanzierung mobilisieren. Insbesondere bei Zuschüssen tragen wir dazu bei, dass auch wieder größere Projekte angegangen werden. Im abgelaufenen Jahr hat rund eine Milliarde an Förderleistungen seitens der AWS zu Investitionen von mehr
als drei Milliarden Euro geführt. Das hat etwa 9.000 neue Arbeitsplätze geschaf-
fen und mehr als 80.000 bestehende gesichert.

Wie erfahren Unternehmer von Ihren Angeboten?

Gemeinsam mit den Landesorganisationen der Wirtschaftskammer sorgen wir für regionale Informationsarbeit in den Bundesländern. Viele unserer Kunden beziehen die Erstinformation über unsere Leistungen aber auch über ihren Steuerberater oder die Banken, mit denen wir eng zusammenarbeiten.

Viele KMU bemängeln die langwierige Bürokratie. Was tun Sie dagegen?

Aufgrund steigender Anfragen kam es bei uns zu einigen Engpässen. Wir müssen hier noch unsere Hausaufgaben machen. Gerade bei der Bearbeitungsgeschwindigkeit haben wir aber im letzten Jahr eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die schon zu greifen beginnen. Unsere Kunden können auch mithelfen. Wenn die Unterlagen vollständig geliefert werden, sind die Anträge freilich viel schneller zu erledigen.

Welche Schwerpunkte hat sich die AWS für die Zukunft gesetzt?

Wir befinden uns weiter in einer Sondersituation, in der KMU relativ schwer an Kapital kommen. Auch 2011 wird der Schwerpunkt unserer Tätigkeit darin liegen, antizyklische Impulse zu setzen. Wir haben vor, in etwa eine Milliarde Euro an Förderungen zur Verfügung zu stellen. Ein politisch heißer Herbst steht bevor. Die Kürzung von Wirtschaftsförderungen wird bestimmt ein Thema sein. Man muss sich das Thema Förderungen ganz genau anschauen. Ein Großteil der Transferleistungen in Österreich fließt in staatsnahe oder staatliche Unternehmen wie die Bundesbahnen, Asfinag oder die Krankenkassen. In der Diskussion darf es zu keiner Vermengung dieser Gelder und der Unterstützung des unternehmerischen Mittelstandes kommen.

Welche Forderungen stellen Sie an die Politik?

Wir müssen den eingeschlagenen Weg weitergehen. Der Mittelstandsfond hat zentrale Bedeutung. Es ist essenziell, die Frühphasenfinanzierungen und die Venture-Capital-Initiative fortzuführen, solange die Geldinstitute ihrer Aufgabe, Unternehmen mit Kapital zu versorgen, nur eingeschränkt nachkommen.
Hier wünschen wir uns von der Politik, dass es auch in den kommenden Jahren Gelder gibt. Freilich muss das mit der Budgetkonsolidierung akkordiert werden.  Die grundsätzliche Bereitschaft dazu ist von Wirtschafts- und Finanzminister gegeben.

Wagen Sie eine Prognose? Ist der Aufschwung wirklich da?
Das Bild ist noch immer sehr heterogen. Es gibt noch große Unterschiede zwischen den Branchen. Manche ziehen deutlich besser an als andere. Die Ende des Jahres auslaufenden Konjunkturprogramme werden bestimmt noch nachwirken. Die Frage wird sein, wie gut der Konsum das Ausbleiben der staatlichen Konjunkturspritzen auffangen kann.