Wie Nachhaltigkeitsministerin Köstinger den Klimaschutz verbessern will

Klimawandel
29.03.2018

Neuer Name, neue Agenden, neue Führung: Aus dem Umweltministerium wurde das Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. Auf Elisabeth Köstinger warten riesige Aufgaben. Wir haben nach ihren Plänen und ihrem persönlichen Zugang zu einer enkelgerechten Welt gefragt.

Ihr Ministerium trägt nun explizit die Nachhaltigkeit im Namen und umfasst etwa Landwirtschaft, Tourismus und Energie- und Bergbau. Wie leicht ist es, das Thema mit den Interessen dieser Wirtschaftszweige in Einklang zu bringen?
Das ist eine große Aufgabe, aber auch eine große Chance. Landwirtschaft und Umwelt waren ja bisher schon Teile des Ressorts. Die neue Verbindung mit Energie und Tourismus trägt auch die Möglichkeit in sich, dass wir all diese Dinge besser miteinander koordinieren und ein gemeinsames Denken entwickeln. Energie und Umwelt sind keine Gegensätze, sondern ergänzen sich idealerweise sogar. Wir haben große Ambitionen im Bereich der erneuerbaren Energieträger, da ist es gut, wenn die Kompetenzen für beide Bereiche unter einem Dach sind. Das Gleiche gilt für die Landwirtschaft und die Umwelt.

Wo hakt es noch? Wo ist das Thema schon voll angekommen?
Natürlich ist die vollständige Integration aller Bereiche ein erhebliches Projekt. Deshalb starten wir gerade im Ressort eine Reorganisation, damit wir die Abläufe und die Vernetzung untereinander verbessern können.

Welche Chancen stecken generell im Thema Nachhaltigkeit für die heimische Wirtschaft?
Österreich hat in vielen Bereichen eine Vorbildrolle, nicht nur europaweit. Auch weltweit finden wir mit unseren Ideen und Zugängen Beachtung. Wir sind zwar nur ein kleiner Player am Weltmarkt, das Interesse ist aber riesig. Im April fahren wir mit einer großen Delegation mit dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler nach China. Viele heimische Unternehmen werden diese Reise mitmachen, weil sie gefragte Gesprächs- und Handelspartner in Asien sind.

Sie haben dem Thema Klimaschutz eine eigene Sektion im Ministerium gewidmet. Was muss aus Ihrer Sicht passieren, um den Klimawandel einzudämmen?
Wir erarbeiten gerade eine umfassende Klima- und Energiestrategie. Das ist ein Novum in Österreich, das ist in den letzten 20 Jahren nicht gelungen. Das Ziel ist, einen gesamthaften Plan für die Klimapolitik zu entwickeln, weil wir sehen, dass die Summe an Einzelmaßnahmen, die es bisher gab, uns die gewünschten Ziele nicht erreichen lässt. Es passiert so viel Gutes im Bereich des Klimaschutzes in Österreich. Wir brauchen aber ein solides Planungsfundament, auf dem das alles aufbaut. Nur so ist eine gute Koordination möglich. Klar ist natürlich auch: Einer der größten Verursacher der Emissionen in Österreich ist der Verkehr. Ich bin trotzdem jemand, der nicht in Verboten denkt. Wir müssen Alternativen schaffen und sie so attraktiv machen, dass sie auch angenommen werden. Da geht es um die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs, aber natürlich auch um Elektromobilität. Dazu wiederum ist ein dichtes Netz an Ladestationen erforderlich.

Nachhaltigkeit ist ein extrem weites Feld, das auch in andere Ressorts und Ministerien hineinreicht. Wie können Sie dem Thema zur Durchsetzung verhelfen?
Es ist eine Querschnittsmaterie, die in fast alle anderen Ressorts hineinreicht. Deshalb ist es auch so wichtig und gut, dass sich alle Ministerinnen und Minister als Team sehen, das gemeinsam etwas weiterbringen will. Ich bin in bester Zusammenarbeit mit Verkehrsminister Norbert Hofer, wenn es um Mobilität und unser Zukunftspläne in diesem Bereich geht. Niemand in dieser Regierung arbeitet nur für sich selbst, alle arbeiten zusammen. Zum Beispiel auch, wenn es um nachhaltige Beschaffung in öffentlichen Einrichtungen geht. Erst kürzlich haben wir im Ministerrat eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, damit Qualität und Regionalität künftig auch bei Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung stärker berücksichtigt werden können. Das sind wichtige Schritte.

„Klimaschutz ist nicht allein ein staatliches Projekt, sondern eine Bewegung, eine Notwendigkeit, die alle Bürger betrifft.“,

Deutschland beteiligt sich an der „High-Level Support Group“, deren Mitglieder sich verpflichtet haben, beispielhaft zu einer raschen und ambitionierten Umsetzung der Agenda 2030 beizutragen. Welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um die Erreichung der SDGs vonseiten Österreichs zu ermöglichen?
Mein Ressort wird gemeinsam mit den Bundesländern im Zeitraum zwischen 22. Mai und 8. Juni 2018 die österreichweiten „Aktionstage Nachhaltigkeit“ zum nunmehr 5. Mal als Multi-Stakeholder-Mechanismus zur Umsetzung der SDGs auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene durchführen. Auf Grundlage eines Beschlusses der Landesumweltreferenten- Konferenz vom Juni 2017 wird von der gemeinsamen Expertenkonferenz der Nachhaltigkeitskoordinatorinnen und Nachhaltigkeitskoordinatoren der Länder und des Bundes aktuell ein nationaler Leistungsbericht zur Umsetzung der SDGs „Sauberes Wasser“, „Bezahlbare und saubere Energie“, „Nachhaltige Städte und Gemeinden“, „Nachhaltige Produktion und nachhaltiger Konsum“ und „Landökosysteme“ erarbeitet, der im Juli 2018 im Rahmen eines „Side Events“ beim diesjährigen „Hochrangigen Politischen Forum für Nachhaltige Entwicklung (HLPF)“ bei den Vereinten Nationen präsentiert werden soll. Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus nimmt weiters einen mehrjährigen Aktionsplan des Ressorts zur mittelfristigen Umsetzung der SDGs in Angriff.

Sie wollen, dass bis 2030 100 Prozent des heimischen Bedarfs aus erneuerbaren Energien produziert werden. Wie soll das gehen?
Bei diesem Ziel geht es um den Strombedarf, und auch da ist das ein sehr ambitioniertes Ziel, ich glaube aber, dass wir das schaffen können. Wichtig ist, dass jeder Hausbesitzer die Chance erkennt, sein Gebäude auch als kleines Kraftwerk zu begreifen. Photovoltaik in Verbindung mit Speichermedien kann erhebliche Mengen an Strom produzieren. Wenn es uns hier gelingt, eine Bewegung daraus zu machen, dann kommen wir dem Ziel einen großen Schritt näher.

Ökologische Maßnahmen zu setzen, wird oft durch Förderungen erreicht. Wo werden Sie Schwerpunkte setzen?
Die Photovoltaik ist mir ein großes Anliegen, das habe ich schon deutlich gemacht. Wir haben ja generell ein gutes und umfangreiches Portfolio an Förderungen im Umweltbereich. Allein in meinem Ressort geben wir jedes Jahr mehr als 100 Mio. Euro für klassische Umweltförderungen aus, dazu kommt noch die Förderlandschaft des Klima- und Energiefonds, für den ich zum Teil auch zuständig bin. Auch andere Ressorts haben umfangreiche Förderschienen, etwa im Bereich der Elektromobilität. Für mich ist aber auch klar, dass eine Förderung ein Bedürfnis nur verstärken kann, vielleicht den letzten Ausschlag gibt, um ein Projekt in Angriff zu nehmen. Am wichtigsten ist, dass die Menschen selbst die Notwendigkeit sehen und von der Sache überzeugt sind. Klimaschutz ist nicht allein ein staatliches Projekt, sondern eine Bewegung, eine Notwendigkeit, die alle Bürger betrifft.

Wie sieht Ihr persönlicher Beitrag/Zugang zu einer enkelgerechten Lebensweise aus?
Ich versuche, in meinem Alltag und meiner Lebensweise darauf zu achten, dass ich nicht unnötig Ressourcen verbrauche, die nicht nachhaltig sind. Das beginnt bei der Ernährung und geht über Verhaltensweisen über den ganzen Tag verteilt. Das ist in meinem Beruf gar nicht immer einfach. Mit meiner Arbeit und meinem politischen Amt versuche ich, die Voraussetzungen und Grundlagen dafür zu schaffen, dass unser Land auf Nachhaltigkeit aufgebaut wird und jeder einzelne seinen Beitrag leisten kann, um unsere Lebensräume bestmöglich zu schützen und in ihrer Vielfalt zu erhalten.