Energieversorgung

Achtung, Blackout

Energieversorgung
23.03.2022

Wir wollen erneuerbare Energien und Versorgungssicherheit, beides zugleich geht aber nicht.
Blackout

In letzter Zeit hat es in österreichischen Medien viele Berichte über einen möglichen Blackout in Österreich gegeben. Die zentralen Fragen lauten: Was passiert, wenn es finster wird? Und: Wie steht es tatsächlich um die Versorgungssicherheit?
„An diesen Medienberichten waren wir von der Industriellenvereinigung nicht ganz unschuldig“, sagt Dieter Drexel, Klima- und Energieexperte bei der IV, „wir wollten das Bewusstsein dafür wecken, dass Versorgungssicherheit nicht gottgewollt ist.“ Es gibt Länder der Welt, wo für ein paar Stunden am Tag der Strom abgedreht wird, damit dann andere Teile des Landes Strom haben. Und in den USA hat es schon einige flächendeckende Blackouts gegeben.

Drexel Dieter
Dieter Drexel, Energieexperte, IV

Anfang Jänner schrammte Europa durch einen Frequenzabfall in einem kroatischen Umspannwerk knapp an der ersten Blackout-Erfahrung vorbei. „Das Netz wird systematisch instabiler“, befürchtet Drexel, sei es durch den zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien, die das Netz unter Stress setzen, andererseits müsse man sich auch der Möglichkeit von Cyberattacken bewusst sein. „Wir reden viel über erneuerbare Energien, und so ein Blackout passt nicht ins Narrativ der schönen, neuen Welt“, so Drexel, „doch wir wissen: Was passieren kann, wird auch irgendwann einmal passieren.“

Versorgungs­sicherheit ist nicht  gottgewollt.

Dieter Drexel, Energieexperte, IV

Ein Szenario zum Fürchten
Blackout – das ist nicht das Abschalten des Stroms für eine Viertelstunde, weil der Elektriker schnell etwas reparieren muss. Da stecken tausende Menschen in Liften oder in Seilbahnen fest, die Ampeln auf den Straßen funktionieren ebenso wenig wie die Benzinzapfsäulen und die Bankomaten. „Das Stromnetz wird nicht instabiler“, heißt es vonseiten der Energie AG Oberösterreich, „das ist eine subjektive Wahrnehmung. Mit einer Ausfallsicherheit von 99,9 % ist Österreich hervorragend aufgestellt.“ Die Einschätzung bezüglich Ausfallsicherheit teilen auch Wien und Niederösterreich. „Wenn im Stromnetz ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herrscht, springen unsere Kraftwerke wie eine Art ‚Feuerwehr fürs Stromnetz‘ ein und stabilisieren das Netz“, sagt Alexander Hoor von Wien Energie. Aus dem Unternehmen hört man aber auch, dass „die Anzahl dieser Noteinsätze aufgrund der dezentralen und volatilen Erzeugung, aber auch aufgrund von Wetterextremen zunimmt.“ Die Hauptstadt hat mit Simmering und Donaustadt zwei Kraftwerke, die „schwarzstart- und inselfähig“ sind. Sie können also unabhängig vom Stromnetz in Betrieb gehen. So kann Wien im Ernstfall eine regionale Versorgungsinsel aufbauen. Auch der niederösterreichische Stromversorger EVN hält einen Blackout für sehr unwahrscheinlich. „Wenn er aber trotzdem eintritt, ist der Wiederaufbau des Stromnetzes eine große Herausforderung“, wie EVN-Sprecher Stefan Zach anmerkt.

Herausforderung Erneuerbare
Große Teile Europas setzen auf Wind, Sonne und andere erneuerbare Energieformen, würden sich aber kaum noch um die Versorgungssicherheit kümmern. Um ein Netz wieder hochfahren zu können, bräuchte es schnellstartende Gasturbinen. Mit Windrädern und PV-Anlagen wäre das nicht möglich und „für die Errichtung von schnellstartenden Gasturbinen fehlen leider geeignete Rahmenbedingungen in Österreich. Heimische Gaskraftwerke werden seit Jahren stillgelegt und durch nichts ersetzt.“ Der bizarre Effekt: Österreich wird abhängig von ausländischen Kohle- und Atomkraftwerken. Wir haben also eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit eines Blackouts und, falls er doch eintritt, eine eher unangenehme Situation. „Der Ausbau der Bereitstellungsanlagen stagniert“, betont auch Dieter Drexel.
Blicken wir über die Grenzen. In Deutschland führt der Ausstieg aus Kohle und Atom zur Errichtung vieler Gaskraftwerke, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt. Für viele Klimaschützer ist allerdings Erdgas ein rotes Tuch und so kommt die Frage der Versorgungssicherheit in Österreich in ein ideologisches Dilemma. Wir wollen Sicherheit und erneuerbare Energien, doch beides zugleich geht nicht unmittelbar. Mit kleinen dezentralen Gasturbinen, die mit Naturgas aus überschüssigem Ökostrom betrieben werden könnten, wäre es möglich, im Anlassfall die Stromnetze rasch wieder aufzubauen – Umspannwerk nach Umspannwerk, bis der Strom wieder in allen Regionen fließt.
„Diese kleinen Gasturbinen würden nur wenige Stunden im Jahr gebraucht werden und deshalb wenig CO2 emittieren“, so Stefan Zach, „sie wären eine umweltfreundliche und kostengünstige ‚Haushaltsversicherung‘ im Zusammenspiel mit den österreichischen Wasserkraftwerken.“ Doch solche Anlagen müssen genehmigt werden. Erdgas ist politisch-ideologisch nicht mehr beliebt und die Bevölkerung will am liebsten gar keine Anlage vor der Haustüre haben. Erneuerbare Energie – ja, aber nicht bei uns in der Gemeinde.

Altes weg, neues blockiert
„Die EVN hat alleine 70 Windräder in Genehmigungsverfahren, jedes einzelne davon ist beeinsprucht, einige davon schon seit 2013“, sagt Stefan Zach, „die Verfahren werden von Gegnern so lange vor Gericht verzögert, bis die auf Zeit erteilten Bescheide ihre Gültigkeit verlieren und alles wieder von vorne beginnt. Vielen Richtern ist sicher nicht bewusst, dass ihre Entscheidungen oder Nicht­entscheidungen oft ‚Klimaurteile‘ sind.“
„Um die ambitionierten politischen Energieziele zu erreichen, sind mehr Pragmatismus und Technologieoffenheit anstelle bürokratischer Gesetze und Verbote gefragt“, betont auch Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG OÖ. „Doch wir erwarten derzeit eher eine weitere Steigerung der Verfahrensdauer“, wie Dieter Drexel bedauernd feststellt.
Es braucht also raschere Genehmigungsverfahren, das Hochziehen einer Wasserstoffinfrastruktur, Ausbau der Speicher – sozusagen eine allgemeine Netzertüchtigung, um sowohl Versorgungssicherheit als auch die angestrebte Umstellung auf erneuerbare Energie zu gewährleisten. Was können Unternehmen tun, bis es so weit ist? Empfindliche Anlagen sollten redun­dant angelegt werden. Es braucht gute Pläne zum Herunterfahren der Anlagen und gegebenenfalls Notstromaggregate. Auch für KMU ist es eine Managementaufgabe geworden, sich zu überlegen, was passiert, wenn die Lichter ausgehen.