Exportieren heißt riskieren

Exportversicherung
11.05.2022

Der Export birgt immer mehr Risiken. Manche sind so neu, dass Unternehmen sie noch nicht im Blick haben, andere klingen so unvorstellbar, dass kaum jemand damit rechnet. Gegen manche Risiken kann man sich versichern.
Export Versicherung

Die Welt ist nicht mehr die gleiche nach Corona, Lockdowns, Lieferengpässen, Inflation und dem Krieg in der Ukraine. Für exportierende Unternehmer, die ein recht reibungsfreies globalisiertes Wirtschaften gewöhnt waren, bedeutet das viel mehr Unsicherheiten als früher. Unternehmen sollten die Risiken im Auge behalten und darüber nachdenken, ob und wie sie sich absichern können. Gudrun Meierschitz, Vorstandsmitglied der Acredia Versicherung AG, Österreichs größter Kreditversicherung, sagt: „Der Export bietet große Chancen, aber Risiken gehören auch dazu. Schlecht ist es, wenn man sich im Unternehmen keine Gedanken darüber macht.“ Risikomanagement bedeute, die Risiken zu kennen und dann zu entscheiden: „Welche will ich tragen und gegen welche will ich mich absichern?“ Und letztlich auch: „Welche muss ich tragen, weil ich mich dagegen nicht versichern kann?“ Manche der Risiken klingen kafkaesk. Meierschitz verweist bei der Frage, wo es im Moment für Unternehmen am risikoreichsten ist, unter anderem auf China: „China ist ein riesiger, total interessanter Markt mit attraktiven Gewinnspannen, aber man sollte nicht vergessen, dass es keine Demokratie ist.“ Das heißt, dass es wenig Rechtssicherheit gibt. So berichtet Meierschitz von einem österreichischen Unternehmen, das in China ein Werk betrieben hat. Plötzlich informierten es die Behörden, dass das Werk sofort weg müsse oder drei Wochen später planiert werde: „Dagegen kann man nichts machen, denn in China herrschen andere rechtliche Rahmenbedingungen.“ Für Unternehmen, die zum Beispiel 40 Prozent ihres Umsatzes in China machen, kann es schnell existenzbedrohlich werden – und gerade, wenn man an die aktuellen geopolitischen Entwicklungen denkt, ist hier leider viel Unerfreuliches vorstellbar. Meierschitz: „Man sollte sich bewusst sein, dass man in China wohl oft den Kürzeren ziehen wird.“ Es gebe dort auch kaum internationale Joint Ventures, bei denen nicht eine chinesische Gesellschaft die Mehrheit hat.

Zahlungsverpflichtung unklar
Meierschitz berichtet von einem Fall eines Acredia-Kunden, der an ein chinesisches Unternehmen exportieren wollte, bei dem es aber zum Zahlungsverzug kam. Erst nach Einschalten des Rechtsanwalts stellte sich heraus, dass das chinesische Unternehmen gar nicht zahlungspflichtig war: „Wir haben festgestellt, dass der Zahlungsverpflichtete eine komplett andere Firma war, die der Lieferant auch nie auf offene Rechnung beliefert hätte, weil ihre Bonität viel zu schwach war.“ Das muss keine Betrugsmasche sein, sondern hat oft mit anderen internationalen Gepflogenheiten zu tun.

Gudrun Meierschitz,  Acredia Versicherung AG
Gudrun Meierschitz, Acredia Versicherung AG

Zum Beispiel komme es oft in Großbritannien zu diesem Problem: „Dort ist es Usus, dass irgendwo in den Unterlagen ‚On behalf of‘ steht. Dann ist derjenige, der die Bestellung tätigt, nicht zur Zahlung verpflichtet, denn er handelt nur im Auftrag eines anderen. Wenn ich das als Exporteur nicht weiß, weil ich es anders gewohnt bin, kann es passieren, dass ich das übersehe.“
Gegen solche Risiken hilft eine Versicherung: In der Regel überprüft der Kreditversicherer die Bonität des Abnehmers und kann feststellen, dass dieser eigentlich nicht der Zahlungsverpflichtete sein kann: „Wir schauen uns dessen Bilanzen an und stellen fest, dass der Abnehmer beispielsweise nicht fähig sein kann, einen Auftrag über fünf Millionen Euro zu erfüllen. Dann fragen wir unseren Kunden, ob das wirklich sein Kunde sein kann?“

Zum Export gehören auch Risiken dazu.

Gudrun Meierschitz, Acredia Versicherung AG

Einhaltung von Sanktionen
Manche Risiken beim Export sind so neu, dass sie viele Unternehmen noch nicht im Blick haben – dazu gehört vor allem das politische Risiko, also etwa einschneidende Ereignisse wie Unruhen, Streiks, Zahlungsverbote und Moratorien, die zu Problemen für Export-Unternehmen führen können. Seit dem Krieg in der Ukraine ist dieses Risiko plötzlich recht wahrscheinlich. Meierschitz: „Bis zum 24. Februar war das politische Risiko eher ein Randthema, mittlerweile ist es relevant. Ich glaube aber, den meisten Unternehmen ist die Tragweite noch nicht bewusst.“ Im Moment sei es nicht möglich, sich gegen politische Risiken für Russland und die Ukraine zu versichern. Eine weitere dringende Empfehlung sei, sich immer über Sanktionen am Laufenden zu halten. Ein Risiko, das in den letzten Jahren immer häufiger auftaucht, ist das einer Zahlungsanfechtung. Dabei wird ein Geschäft abgewickelt, man bekommt die Zahlung, aber Monate oder manchmal Jahre später tritt die Zahlungsunfähigkeit des Kunden ein. Meierschitz: „Dann kommt der Masseverwalter und untersucht genau, ob es in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, wo Zahlungen geleistet wurden, durch die vielleicht einzelne Gläubiger begünstigt wurden. Da wird genau untersucht, ob man zum Zeitpunkt der Zahlung eventuell bereits von der Zahlungsunfähigkeit des Kunden wusste oder wissen hätte müssen –, da sind wir im theoretischen Bereich unterwegs.“ Oder es werde angeschaut, ob der Vertrag, den man abgeschlossen hat, nachteilig für die anderen Gläubiger war. Wenn so etwas entdeckt wird, wird die Zahlung angefochten: „Da muss man wirklich vorsichtig sein und auf mögliche Anzeichen achten. Wenn der Kunde normalerweise immer pünktlich zahlt und plötzlich nach Ratenzahlungen oder Aufschüben fragt, kann es passieren, dass einem das Masseverwalter später einmal negativ auslegen und eine Zahlung anfechten.“ Gegen das Anfechtungsrisiko kann man sich versichern: „Das würde ich jedem ans Herz legen, weil dieses Risiko gar nicht griffig ist.“ Es besteht nicht nur in fernen Ländern, sondern in den letzten Jahren etwa auch besonders oft in Deutschland, wo laut Meierschitz zufolge Masseverwalter aufgrund von sehr geringen Insolvenzen die Kapazität hatten, die Fälle genau zu prüfen. Doch welche Risiken auch bestehen, Meierschitz betont, wie wichtig es für Unternehmen ist, nicht nur die Gefahren zu sehen, „aber auch nicht nur die Chance und den Gewinn, denn das ist zu kurzsichtig“. Wer einen Auftrag bekomme, solle sich zuerst immer freuen und dann noch einmal genauer hinschauen, um mögliche Risiken zu erkennen.