Porträt

Länger durchhalten als die anderen

Familienbetrieb
05.10.2023

23 Jahre dauert die Erfolgsstory von Starwinzer Erich Scheiblhofer schon an. Nun hat er Sorgen.
Porträt - Erich Scheiblhofer im Weinkeller

Gerade mal ein Jahr alt ist „The Resort“, Erich Scheibl­hofers Vier-Sterne-Anlage im burgenländischen Andau. Großzügig ist der erste Begriff, der einem einfällt, wenn man sie betritt. Weitläufig, modernes Design, schicker Sichtbeton, warmes Edelholz. Perfekt orchestriertes Opening im Mai 2022. Lautlos die nahezu zeitgleiche Wiedereröffnung des frisch renovierten „The Hang Over“, seines Dreistern-B&B gleich nebenan. Ebenso die des früheren Pop-up-Heurigen „The Quarter“, heute ein zum Gesamtkonzept stimmiges Restaurant. Dazu ein paar Sidekicks wie der neue Kletterpark am 24 Meter hohen Andreas„berg“, der höchsten Erhebung der Pannonischen Tiefebene. Oder die Photovoltaikanlage, die Scheiblhofers Betriebe mit Strom versorgt, die Umstellung der Flotte auf E-Mobilität. Lauter kapitalintensive Paukenschläge in rascher Folge. Alle laufen wie geschmiert.

The ­Resort - Scheiblhofer
All-in: Für „The ­Resort“ – 118 Zimmer, 4.000 m² Spa-Bereich – muss Scheiblhofer zehn Grundstücke ­zukaufen.

Etwas richtig Großes

Erich Scheiblhofer (45) könnte zufrieden sein. Wenn nicht … Doch beginnen wir im Jahr 2000, als dem damals 22-Jährigen das väterliche Weingut anvertraut wurde. In anderen Familien wäre das schiefgegangen, denn da gab es noch Erichs älteren Bruder Harald, „drei Jahre älter und zwei Zentimeter größer“. Harald ist der Theoretische, der Wissenschaftler; Erich „der Praktiker, der sich dreckig macht und mit Reben und Trauben kämpft“. Harald studierte Lebensmittel- und Biotechnologie, unterrichtet an der HBLA Klosterneuburg und ist laut seinem Bruder „Österreichs bester Kellerwirt“. Er optimierte die Abläufe am Gut, „das hat uns super zusammengeschweißt“.
Dennoch: Seit 2000 steht Erich an der Front. Er trägt die Verantwortung, die Vision der Familie umzusetzen – aus dem Weingut die „Scheiblhofer World“ zu machen. Nicht ein nettes Boutiquehotel daneben hinzustellen, „wie es sich viele Winzer leisten“, sondern etwas richtig Großes. Etwas, wofür Erich „das gesamte Familiensilber einsetzen“ und „sich in die Gefahrenzone begeben“ darf. Diese Ausdrucksweise ist typisch für ihn: bildhaft, offen, geradeheraus.

Life is a Cabernet

Ebenfalls im Jahr 2000 wird der „Big John“, seine Signature-Rotwein-Cuvée schlagartig einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Zeitgleich kreieren die fünf befreundeten „vinophilen Revoluzzer“ Gerhard Kracher, Christian Tschida, Florian Gayer, Markus Altenburger und eben Erich Scheiblhofer ihren „Batonnage“. Das Weinmagazin „Falstaff“ zeichnete ihn als ersten österreichischen Rotwein wiederholt mit 100 Punkten aus. Zwei-Linien-Strategien – den Big John um 16 Euro, den Betonnage um das Zehnfache – bewähren sich immer.
Scheiblhofer baut sein Weingut zügig aus. Mit 104 Hektar Eigenfläche und laut Eigenangaben 22 Millionen Euro Umsatz zählt es heute zu den größten des Burgenlandes. 2015 macht er „das Weingut über gastronomische Sidesteps noch bekannter“. Das ist ungewöhnlich, andere hätten wohl erst für adäquate Übernachtungsmöglichkeiten im touristisch dahindämmernden Andau gesorgt. Doch Scheiblhofer eröffnet erst seine Fancy-Event-Location „The Hall of Legends“ mit Shop plus Verkostung. Wer danach das Auto besser stehen lässt, dem bleibt lange Zeit nur „The Hang Over“, damals wie heute ein Bed & Breakfast. Scheiblhofer spart auf den großen Wurf.  

Alles oder nichts

Für „The Resort“ – 118 Zimmer, 4.000 m² Spa-Bereich – muss er erst zehn Grundstücke zukaufen. „Wenn auch nur einer der Weinbauern Nein gesagt hätte, weil er mit meinem Vater vor 20 Jahren beim Kartenspielen gestritten hat – dann wäre es nichts geworden.“ Drei Runden „beherzter“ Verhandlungen und „Fair Play mit allen“ überzeugen schließlich. Finanziell geht Scheiblhofer All-in: der Wert aller Familienunternehmen zur Besicherung des Resorts. Die Hausbank ist entzückt, die Pandemie jedoch keine Hilfe.
2022 eröffnet er endlich. „Für die ersten Wochen wollten wir nur 30 Prozent Auslastung, um zu sehen, wie es funktioniert. Küche und Service sind jeden Abend gestorben.“ Soll heißen: Nichts funktioniert, aber die Gäste bemerken es nicht. Kaum ist das Team einigermaßen eingespielt, bricht ein goldener Herbst herein – 70 Prozent Auslastung, am Wochenende 90 Prozent. „Und wieder sind wir jeden Abend gestorben.“
Lesson learned: „Eine Eröffnung auf der grünen Wiese ist nur für den Architekten schön. Ein Team muss sich erst finden.“

Glück am Arbeitsplatz: ein Lotto-Jackpot

In jener Zeit muss Scheiblhofer jede/n Mitarbeiter*in einstellen, die er bekommen kann. Fluktuation? „Ehrlicherweise 70 Prozent. Damals.“ Heute ist das Team stabil, „extrem stabil sogar“. 170 Leute im Resort, 255 insgesamt, fast alle regional. Wie ein Magnet zieht das Resort viele aus der Ferne heim oder lässt sie neu zuziehen – und bleiben. Doch warum bleiben sie, wenn Hoteliers in ganz Österreich über Abgänge klagen? „Wir sind kein Saisonbetrieb, das hilft. Die Jobs sind das ganze Jahr über sicher. Und, wichtig: Hier gilt gleiches Recht für alle. Auch für mich.“ Fair Play nennt er es: Vier- oder Fünf-Tage-Woche für jeden, am Wochenende wird typischerweise gearbeitet, aber nicht jedes Wochenende. Das Zimmermädchen genießt dieselbe Wertschätzung wie der Resortmanager, darauf legt er Wert, das lebt er vor. Die Bezahlung ist „prinzipiell über KV“. Im Gegenzug erwartet Scheiblhofer Leistung: „Wenn ich mehr gebe, kann ich auch mehr verlangen.“ Vor allem verlangt er von seinen Leuten das Verständnis, dass alle Betriebe zusammenspielen – eine synergetische „World“ eben, nicht „Ich arbeite am Weingut, mich geht das Resort nichts an.“ Alle müssen auch neugierig sein auf die Bereiche der anderen. „Wenn einer dauernd beim Sommelier nach den Weinen fragt oder in der Küche herumhängt, dann bauen wir das aus. Dafür sorgen die Teamleiter.“ Jene Kolleginnen und Kollegen, die jetzt bei ihm sind, haben diesen Gedanken verstanden und leben ihn: „Glück am Arbeitsplatz ist immer ein Lotto-Jackpot.“

Wolken am Horizont

Wo also sind die Probleme? Sie sind finanziell, natürlich. Jetzt ist Scheiblhofers offener Blick erstmals wolkenumhangen. Erstens, die Zinserhöhungen: „Vor Kurzem hieß es noch, Fixkredite sind etwas für Warmduscher.“ Natürlich hat er Verträge mit flexiblem Zinssatz. Die jüngsten Leitzins-Erhöhungen waren ein Schlag in die Magengrube.
Zweitens, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise: Die Preiserhöhungen treffen ihn überall, ob beim Heizen des Pools oder bei den Bezugspreisen für Flaschen und Kartonagen: „Das ist weder nachvollziehbar noch gerechtfertigt. Es würgt die Wirtschaft ab.“
Drittens die Teuerung: „Wie viel darf ein Big John kosten?“ Augenblicklich korrigiert er sich: „Die Frage ist unzulässig. Es muss heißen, wie viel müssen wir verlangen.“ Deshalb konzentriert er sich derzeit lieber nicht auf den Export: „Der läuft nur über den Preis.“
Sein größtes Asset ist das Cross-Business: Ein Barbecue im „The Quarter“ bringt ihm Nächtigungen im „The Hang Over“, Events in „The Hall of Legends“ füllen „The Resort“ und kurbeln den Shopverkauf an. Ganz sicher wird er nicht an der Qualität schrauben. Auch wenn ihn seine Hausbank schon nach einem revidierten Businessplan fragte. Er verweigerte ihn: „Weil unser Businessplan heißt: länger durchhalten als die anderen.“

Auszeichnungen & Zertifizierungen Weinwelt Scheiblhofer

Falstaff-Winzer des Jahres 2021
„Weingut des Jahres“ 2017 & 2019
Bester Familienbetrieb des Burgenlands (2017)
Leitbetriebe Austria – Zertifizierung (2017)
10 x Best Producer of the Year (AWC Vienna)
Nachhaltigkeitszertifizierung
24 Bundessiege
26 Landessiege
261 AWC-Goldmedaillen