Eigenständiges Laden

Automatisiert und autonom

Logistik
22.12.2023

Gemeinsam mit Projektpartnern hat das Austrian Institute of Technology (AIT) einen Mitnahmestapler automatisiert, mit dem Ziel, das Be- und Entladen von Gütern zu erleichtern. Nach Abschluss des Projekts kann ein positives Zwischenfazit gezogen werden.
automatisierter Crayler von Palfinger

Obwohl eine Serienproduktion noch ein Stück entfernt ist, wurde doch in den letzten Monaten und Jahren viel und intensiv über selbstfahrende Autos gesprochen und über die Zukunft des Autofahrens diskutiert. Deutlich näher an einer baldigen Serienproduktion als die autonomen Kraftfahrzeuge ist der automatisierte Mitnahmestapler, der gemeinsam vom AIT Center for Vision, Automation & Control (VAC) sowie den Partnern Industrie-Logistik-Linz, der FH OÖ sowie Palfinger Europe, Agilox Services und DB Schenker entwickelt, getestet und umgesetzt wurde. Das Ziel des auf 36 Monate angelegten Projekts mit dem Namen Hopper war es, dem sogenannten Crayler, einem Mitnahmestapler, wie ihn Palfinger unter dem Namen BM 214 produziert und vertreibt, das eigenständige Be- und Entladen von Gütern beizubringen. Hopper steht für Handling of man-made Objects using automated Positioning, Planning and Enhanced Reasoning methods und beschreibt die Forschungsarbeit hinter dem autonomen Handhaben und Verladen von Gütern.

Schwierige Bedingungen

„Die Automatisierung von Fahrzeugen und Maschinen wird stetig vorangetrieben, angesichts Fachkräftemangel und um in Europa konkurrenzfähig zu bleiben. Der Fokus in den Forschungen liegt dabei auf dem autonomen Fahren (PKWs, LKWs). Das Be- und Entladen jedoch erfolgt meistens weiterhin durch eine Fachkraft, besonders außerhalb großer Logistikzentren, auf Baustellen oder bei Einsätzen in Gefahrenbereichen“, sagt Patrik Zips, Senior Scientist der Forschungsgruppe Complex Dynamical Systems am Center for Vision, Automation & Control und verantwortlich für das Forschungsprojekt Hopper. „Die Automatisierung im Bereich des Be- und Entladens ist noch nicht so weit fortgeschritten, wie in anderen Anwendungsbereichen. Das hat mehrere Gründe und viele Faktoren müssen ineinandergreifen“, wie der Projektleiter erklärt. „Fehlende Markierungen und Orientierungshilfen, Arbeitsumgebungen, deren „Aussehen“ sich ständig verändert, wie schwierige Sichtverhältnisse durch Staub, Schmutz, Regen, Schnee, Nebel aber auch schwierige Lichtverhältnisse, die die Sensoren beeinträchtigen, unebene und unterschiedliche Untergründe (Gelände, Bodenbeschaffenheiten) und das richtige Handling von Ladegut , das alles sind Herausforderungen für autonome Systeme.“

Komplexe Algorithmen

„Für das Projekt Hopper wurde aus dem Crayler von Palfinger ein eigens angefertigter Prototyp entworfen, der zwar auf dem BM 214 basiert, aber sich bei einigen Elementen unterscheidet“, erklärt Sebastian Wimmer, ACES Programm Leader bei Palfinger. So ist der Crayler mit hydraulischen Drucksensoren ausgestattet. „Diese dienen der Erstellung und Parametrierung eines mathematischen Modells, das die Grundlage für die Simulation und für die Ansteuerung des Fahrzeugs ist. Im automatisierten Betrieb des Fahrzeugs werden diese Sensoren nicht mehr verwendet.“ Und auch bei anderen Komponenten weicht der automatisierte Mitnahmestapler von der Vorlage ab. Der Prototyp besitzt Odometriesensoren für die Geschwindigkeit und Lenkwinkel. Weiters verfügt er über visuelle Sensoren in beide Fahrtrichtungen, die zur Umgebungserkennung dienen, sowie zwei Recheneinheiten. Sie dienen der Echtzeitregelung. Die sicherheitskritischen Aufgaben übernimmt das mobile Steuersystem B&R X90, das für Echtzeitregelung des Fahrzeugs verbaut wurde. Ein Industrial PC mit ROS 2 ist für die komplexen Algorithmen und AI-Komponenten zuständig.

Die Hopper Konsortiumsmitglieder

Bei Hopper kommen die Projektpartner aus diversen Fahrtrichtungen und das vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) geförderte Projekt kann als ein interdisziplinär angesehen werden, da die Teilnehmer über unterschiedliche Expertisen und Blickwinkel verfügen. Bei der Industrie-Logistik-Linz (ILL) beispielsweise steht die Sicht eines Anwenders im Mittelpunkt. Hier standen die Anforderungen für den autonomen Mitnahmestapler im realen Betrieb im Fokus. So stellte man bei der ILL unterschiedliche Lastenträger zur Verfügung um den Stapler mit unterschiedlichen Situationen zu „konfrontieren“ und auch die Enddemonstration fand in einer realen Lagerhalle des Logistikers statt. Die FH Oberösterreich wiederum war für die Basisautomatisierung des Staplers verantwortlich. „Die Herstellung aller elektronischen Verbindungen, die Verarbeitung von Sensorsignalen, die Ansteuerung der Hydraulikventile, die Definition von Anwendungsfällen, sowie die Prozessanalyse und wirtschaftliche Potentialanalyse der betrachteten Anwendungsgebiete, übernahm die FH OÖ“, so Zips. Palfinger Europe, seit über 90 Jahren Spezialist im Bereich Hebe-Lösungen. stellte, wie erwähnt, mit dem BM 214 Mitnahmestapler, die Basis für den Hopper-Prototyp. Agilox hingegen bot Expertise im Bereich automatisierter Stapler und entwickelt und produziert intelligente fahrerlose Transportsysteme. DB Schenker ist in Europa einer der größten Logistikdienstleister und brachte ebenfalls die Expertise eines Anwenders mit ein.

Auf dem Weg zur Serienreife

Das AIT Center for Vision, Automation & Control entwickelte die „Intelligenz“ der Automatisierung. „Der Aufbau der Kamerasensorik und die Entwicklung neuer AI-Algorithmen zur flexiblen Erkennung von Ladungsträgern, sowie die Lokalisierung des Fahrzeugs im offen Gelände ohne GPS waren Teil unserer Kompetenz“, erklärt Zips.
Dass ein ambitioniertes Projekt wie Hopper vor einer Vielzahl an technischer Herausforderungen steht, ist naheliegend. Die Präzessionsanforderungen sind hoch, und der BM 214 grundsätzlich nicht auf einen automatisierten Betrieb ausgelegt. Auch Licht- und Wetterbedingungen spielen eine erhebliche Rolle, denn Sommer und Sonnenschein oder Winter und Schneefall, stellen gänzlich andere Voraussetzungen dar und mussten daher mitbedacht werden. Und natürlich gibt es eine große Anzahl an unterschiedlichen Lastenträgern in den Lagern. „Daher musste der Crayler lernen, Paletten zuverlässig zu erkennen. Es gibt deutliche Unterschiede in der Erscheinung von Paletten durch Alterung und durch die Beladung“, gibt Zips ein Beispiel, mit welchen Aufgaben man konfrontiert war. 

ein Prototyp auf Basis des Crayler von Palfinger
Für das Projekt Hopper wurde auf Basis des Crayler von Palfinger ein Prototyp entworfen.

Doch die Herausforderungen konnten alle gemeistert und das Projekt Hopper erfolgreich abgeschlossen werden. Zur Serienreife wird es noch etwas dauern, jedoch konnten bereits wichtige Schritte in diese Richtung gemacht werden. „Mit Anfang 2023 wurden wir in das H2020 Projekt Award (All Weather Autonomous Real logistics operations and Demonstrations) aufgenommen“, sagt Zips. Hier wird der Technology Readiness Level (TRL) (Technologie-Reifegrad, Anm.) erhöht. Aktuell steht Hopper bei TRL 4, was bedeutet, dass der autonome Mitnahmestapler im Laborumfeld bereits seine Fähigkeiten zeigen konnte. Durch die Aufnahme in H2020 wird der TRL auf die Stufen 6 bis 7 gesteigert werden. „TRL 7 stellt dann einen typischen Übergabezeitpunkt der Technologie des AIT zum Serienentwickler - hier bspw. Palfinger - dar. Das bedeutet, dass der Hauptteil der Arbeit an den Partner übergeht, um eine Serienreife in Bezug auf Serienhardware, Normen und Sicherheit, u.ä. zu erreichen. AIT begleitet diesen Prozess technologisch“, so Zips. Demonstrationen, um das TRL zu steigern soll es im Dezember diesen Jahres und im März 2024 geben.
Ein weiterer Schritt soll die Steigerung der Lernfähigkeit des Staplers sein. Die Schnittstellen Mensch und Maschine bzw. Maschine und Maschine sollen ausgebaut werden. Der Crayler könnte so noch flexibler auf sich verändernde Situationen reagieren. „Für autonome mobile Roboter wie wir sie für die Intralogistik entwickeln bieten solche KI-basierten Methoden großes Potential, noch besser mit den verschiedenartigsten Szenarien in Warenlagern und Produktionsumgebungen umzugehen“, sagt Wolfgang Pointner, R&D Coordinator bei Agilox. Vorläufig müssen Unternehmen aber noch auf nicht autonome Mitnahmestapler zurückgreifen, doch wenn die Serienreife erlangt sein wird, kann der Crayler für mehr Sicherheit sorgen, in dem er Schäden und Unfälle vermeidet. Außerdem gibt es einen großen Mangel an Fachkräften mit Erfahrung, die wissen, wie man einen Stapler routiniert bedient. Diese fehlenden Kräfte können mit einem autonomen Mitnahmestapler ebenfalls kompensiert werden.