Whistleblower

Wer braucht denn sowas?

IT Security
08.10.2021

Ab Dezember brauchen alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden eine vertrauliche interne Meldestelle für Whistleblower. Doch manche haben bis heute nichts davon gehört. Und andere wieder glauben, die Sache sei optional.
Meldestelle für Whistleblower

„Sowas brauchen wir nicht“, hört Reyhaneh Darakhchan immer wieder von Unternehmer*innen, wenn sie diese über die Einführung einer vertraulichen internen Meldestelle für Whistleblower berät, also für Mitarbeitende, Auftragnehmer*innen oder Kund*innen, die einen Missstand im Unternehmen melden wollen – etwa Korruption, Geldwäsche oder Datenschutzvergehen. Die unwillkommene Antwort der Senior Managerin für Forensic & Integrity Services der Unternehmensberatung EY: „Sie müssen so eine Meldestelle aber einführen.“
Ja, so ist das mit vielem im Unternehmensalltag: Richtig lästig und doch führt kein Weg daran vorbei. Aber worum geht es genau? Um eine EU-Richtlinie, die privaten Gesellschaften ab 50 Beschäftigten vorschreibt, eine vertrauliche interne Meldestelle für Whistleblower einzurichten – und das bald. Während Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern wohl noch zwei Jahre Schonfrist bekommen, gilt die Verpflichtung für jene ab 250 Mitarbeitenden schon ab dem 17. Dezember 2021.
Das wird vor allem für die knapp, die zum ersten Mal davon hören. Darakhchan: „Es gibt immer noch Unternehmen in Österreich, die noch nichts von der Richtlinie wissen. Sie sind überrascht und glauben uns teilweise nicht, weil sie denken, es hätte sie doch jemand informieren müssen.“ Das könnte daran liegen, dass die Regierung, die die Richtlinie bis 17. Dezember in nationales Recht umwandeln muss, noch nicht einmal einen Gesetzesentwurf vorgelegt hat. Doch leider können sich Firmen deshalb nicht zurücklehnen. Angenommen, die Regierung beschließt das Gesetz Anfang Dezember, hätten sie nur noch zwei Wochen Zeit zur Umsetzung.
So lang warten ist nicht nötig. Unternehmen können sich schon jetzt nach den EU-Vorgaben richten, weil diese ohnehin wenig Spielraum lassen. Auch eine Online-Meldestelle einzurichten, ist, selbst wenn sie anonyme Meldungen ermöglicht und trotzdem mit dem Hinweisgeber weiter anonym kommuniziert werden soll, keine Hexerei bzw. bieten Beratungs- und IT-Unternehmen Systeme an, die sich rasch implementieren lassen.
Sehr wohl ein Problem ist es, personelle Strukturen zu schaffen, denn jemand muss die Meldungen ja bearbeiten. Und das sollte man nicht einem x-beliebigen Mitarbeiter umhängen, sondern erfahrenen Kolleg*innen, etwa aus der Compliance-Abteilung, überlassen – und die gibt es nicht überall. Darakhchan, die selbst ein Whistleblower-System bei ihrem früheren Arbeitgeber, SOS-Kinderdorf International, eingeführt hat, sagt: „Man muss bei jeder Meldung eine Erst-Einschätzung machen, um zu sehen, ob das plausibel ist und sich so zugetragen haben könnte oder aus der Welt gegriffen ist. Gibt es einen begründeten Anfangsverdacht, muss man geeignete Maßnahmen setzen. Das sollte jemand machen, der weiß, worauf es ankommt.“ Hat man sich als Unternehmen einen Prozess überlegt, welche Schritte gesetzt werden, sobald eine Meldung hereinkommt, sei das aber gegenüber Beschäftigten „sehr vertrauensbildend“. Wie vertrauensbildend es wohl ist, wenn Firmen erst heute anfangen, darüber nachzudenken, wie man eine solche Meldestelle einrichtet und wer sie betreuen wird?
Die EU-Regelung dient vor allem dazu, Whistleblower vor Konsequenzen wie Kündigung oder anderen Benachteiligungen zu schützen. Man hofft, dass sich dann mehr Hinweisgeber trauen, eine Meldung zu machen. Whistleblower müssen aber auch eine Möglichkeit haben, sich an eine Behörde zu wenden – welche, steht noch nicht fest. Aber das bedeutet: Wer keine Meldestelle im eigenen Unternehmen hat, geht vielleicht gleich zur Behörde – und die muss der Sache nachgehen. Wer weiß, vielleicht überzeugt das manch ein Unternehmen, dass es doch eine eigene Meldestelle braucht. Auch wenn es noch so lästig ist.