Management

Wie KI und Kreativität Entscheidungsprozesse revolutionieren

Künstliche Intelligenz in Kombination mit kreativen Ansätzen eröffnet Führungskräften neue Wege, um fundierte und innovative Entscheidungen zu treffen. Expert*innen erklären anhand konkreter Methoden, wie das gelingt.

Führungskräfte stehen täglich vor der Herausforderung, fundierte und zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen – allerdings wird es aufgrund komplexer Gegebenheiten immer schwieriger, deren Tragfähigkeit und Treffsicherheit zu gewährleisten. Gleichzeitig sind die Zeiten vorbei, in denen es möglich war, die Zukunft aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu gestalten, weil traditionelle Analyse- und Prognoseverfahren in unserer BANI-Welt zu kurz greifen. Kreativität und künstliche Intelligenz (KI) können hier den entscheidenden Unterschied machen: für bessere Entscheidungen und neue, innovative Lösungswege.

Auf einen Blick

  • KI und kreative Methoden helfen Führungskräften bei innovativen Entscheidungen.
  • Subtraktion: Bewusstes Weglassen schafft neue Lösungen und optimiert Prozesse.
  • KI liefert kreative Impulse und Szenarien, finale Entscheidung trifft der Mensch.
  • Task-Unification: Clevere Mehrfachnutzung steigert Effizienz und Mehrwert.

Mit Kreativität und KI neue Wege beschreiten

Gideon Nave
Gideon Nave, Marketing- und Kreativitätsexperte der Wharton School (C) WU Executive Academy

Gideon Nave, Marketing- und Kreativitätsexperte der Wharton School in den USA, und Monika Koller, wissenschaftliche Leiterin des Executive MBA Strategic Marketing & Sales an der WU Executive Academy, analysieren, wie die Zauberformel für bessere Entscheidungen in der Praxis funktioniert.
„Mit zunehmender Digitalisierung, KI und anderen technologischen Lösungen eröffnen sich uns gerade zahllose neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen und Hindernisse in Wirtschaft und Gesellschaft. Deshalb ist es gerade jetzt so wichtig, sich mit den psychologischen Aspekten des menschlichen Denkens und Handelns zu beschäftigen, die die Basis für unsere Entscheidungen sind“, sagt Monika Koller, wissenschaftliche Leiterin des Executive MBA Strategic Marketing & Sales an der WU Executive Academy.
Gemeinsam mit Gideon Nave erklärt sie anhand von drei Dimensionen, wie Führungskräfte KI und konkrete Kreativitätstools und -ansätze gezielt nutzen können, um zukünftig validere Entscheidungen treffen zu können.

1. Subtraktion: gezieltes Weglassen für mehr Innovation

Viele Führungskräfte sind der Meinung, dass mehr Möglichkeiten grundsätzlich zu besseren Entscheidungen führen – und dass mehr Features eines Produkts oder einer Dienstleistung für mehr Kaufanreize bei den Konsument*innen sorgen. Gideon Nave ist davon überzeugt, dass genau das Gegenteil der Fall ist: „Die innovativsten Ideen entstehen in der Regel nicht durch das Hinzufügen neuer Elemente, sondern durch das bewusste Weglassen von Optionen.“ Dieses Prinzip zeigt sich anhand einiger sehr erfolgreicher Produktinnovationen:

  • Twitter beschränkte die Textlänge auf 140 Zeichen und schuf so eine völlig neue Kommunikationsform.
  • Der iPod Nano entstand, indem der Bildschirm des ursprünglichen iPods entfernt wurde, wodurch das Gerät kleiner und tragbarer wurde.
  • Uber ohne Fahrer? Ein autonomes Fahrzeug. Uber ohne Passagier? Ein Lieferdienst wie Uber Eats.

Die Subtraktionsmethode ist nicht nur in der Produktentwicklung nützlich, sondern kann auch bei der Optimierung von Geschäftsprozessen und der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen helfen:

  • Prozessoptimierung: Unternehmen können mittels Subtraktion prüfen, welche Schritte in einem Prozess tatsächlich notwendig sind. Beispielsweise könnten sie überlegen, ob bestimmte Genehmigungsschleifen gestrichen oder automatisiert werden können, um so Entscheidungswege zu beschleunigen.

  • Geschäftsmodelle: Erfolgreiche Geschäftsmodelle entstehen oft durch das Weglassen bestimmter Elemente. Ein klassisches Beispiel ist das Freemium-Modell, bei dem Unternehmen zunächst auf direkte Umsätze verzichten, um durch spätere Premium-Angebote Gewinne zu erzielen. Auf diese Weise revolutionierte Netflix den Markt, indem es physische Videotheken überflüssig machte und Streaming revolutionierte. Ein weiteres Beispiel ist Airbnb, das auf Hotels verzichtet und auf Vermietung von Privaträumen setzt.

  • Serviceangebote: Unternehmen haben die Möglichkeit, durch die Reduktion von Optionen oder Dienstleistungen ihren Kernnutzen stärker zu betonen. Beispielsweise setzen viele Fast-Fashion-Händler auf eine limitierte Auswahl an Zahlungsmethoden oder Rückgabeoptionen, um operative Kosten zu senken und Effizienz zu steigern.

  • Kundenströme: Auch Kundensegmente können gestrichen werden, um den Fokus ganz auf eine spezifische Zielgruppe zu legen und so den Markt mit kundengerechteren Produkten und Dienstleistungen in die Tiefe zu bearbeiten. Die Sportschuhmarke Nike setzte ab den 1980ern verstärkt bei der Markenpositionierung auf professionelle Sportler*innen und nahm 1984 Basketballstar Michael Jordan unter Vertrag, statt auf den breiten Freizeitschuhmarkt zu setzen.

Monika Koller
Monika Koller, wissenschaftliche Leiterin des Executive MBA Strategic Marketing & Sales (C) WU Executive Academy

Aus Konsumentenverhaltensperspektive steht vor allem der wahrgenommene Produktnutzen im Vordergrund. „Kund*innen konsumieren ja nicht nur die Produkte und Services an sich, sondern vielmehr auch den Nutzen, den Wert, den sie dadurch erfahren“, so Monika Koller. Dabei geht es nicht immer nur um reine Funktionalität oder das Preis-Leistungs-Verhältnis, auch Emotionen und soziale Aspekte sind ausschlaggebend. Kreativität kann hier sehr nützlich sein, um den mehrdimensionalen Nutzen in den Angeboten zu schärfen.

2. Kreative Szenarienanalyse mit KI

Fest steht: KI kann nicht nur Daten in unglaublicher Geschwindigkeit analysieren, sondern auch kreative Lösungen generieren. Gideon Nave: „Der Schlüssel liegt aber nicht darin, die Entscheidung komplett an die KI abzugeben, sondern sie als Co-Creator zur Ideen- und Entscheidungsfindung einzusetzen.“ KI kann dabei helfen, Muster zu erkennen, Optionen zu simulieren und unkonventionelle Ansätze vorzuschlagen. Die Überarbeitung, finale Bewertung und letztendliche Entscheidung müsse jedoch immer mit kritischer Haltung geschehen und beim Menschen bleiben. KI könnte etwa eingesetzt werden, um verschiedene Zukunftsmodelle durchzuspielen und so neue Möglichkeiten aufzuzeigen.

Auch in den unterschiedlichen Phasen der Marktforschung findet KI vermehrt Anwendung, von der Konzeption über die Datenerhebung und -auswertung bis hin zur Ergebnisdarstellung und Interpretation. „Wenn Führungskräfte die Erkenntnisse aus der Marktforschung zur Entscheidungsfindung im Unternehmen heranziehen, ist es umso wichtiger, dass die kritische Reflexion nicht zu kurz kommt“, sagt Monika Koller.

  • ChatGPT und Co.: Durch gezielte Prompts lassen sich unkonventionelle Perspektiven auf Herausforderungen gewinnen. Beispielsweise könnte eine Führungskraft zu ihrer Strategie fragen: „Was wäre das Gegenteil meiner aktuellen Strategie und welche Vorteile hätte sie?“

  • Datenbasierte Entscheidungsunterstützung: KI-Modelle können Muster und Gesetzmäßigkeiten erkennen, die für das menschliche Auge nicht offensichtlich sind, und so Risiken und Chancen früher identifizieren.

3. Task-Unification: clevere Mehrfachnutzung von Ressourcen

Ein kreativer Ansatz, den Nave empfiehlt, ist die „Task-Unification“-Methode: Bestehende Komponenten oder Features eines Produkts, einer Dienstleistung oder eines Prozesses werden gleichzeitig für mehrere Zwecke genutzt. Zwei Beispiele:

  • CAPTCHA-Abfragen dienen nicht nur zur Identifizierung von Menschen, sondern trainieren gleichzeitig KI-Modelle bei der Bilderkennung.
  • Das Duolingo-Modell nutzt Übersetzungsaufgaben in erster Linie zum Sprachenlernen, gleichzeitig dienen sie aber auch zur Verbesserung der eigenen automatischen Übersetzungssoftware.

„Beim Problem CO2-Emissionen könnte man beispielsweise die in der Produktion entstehende Abwärme über einen Wärmetauscher speichern und ins Heizungssystem umleiten“, sagt Gideon Nave.

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