Wenn die Kripo klingelt

Recht
12.02.2020

Richtiges Verhalten bei Hausdurchsuchungen in Unternehmen beugt weit reichenden Konsequenzen vor. Welche Fehler man unbedingt vermeiden soll und wie man sich vorbereiten kann, erklären Susanne Flöckner und Karin Bruchbacher von KPMG.

WANN ES ZU HAUSDURCHSUCHUNGEN KOMMT: Hausdurchsuchungen können nicht nur zur Aufklärung von strafrechtlich relevanten Sachverhalten durchgeführt werden. Auch Finanzstrafbehörden haben bei Verdacht auf Abgabenhinterziehung das Recht, die Räumlichkeiten von Abgabenschuldnern zu durchsuchen. Hausdurchsuchungen können auch von der Bundeswettbewerbsbehörde veranlasst werden, wenn zum Beispiel ein begründeter Verdacht auf Preisabsprachen vorliegt. Besteht der Verdacht auf Verstöße gegen EU-Recht, kann auch die Europäische Kommission eine Hausdurchsuchung anstoßen.

WER IM ERNSTFALL VOR DER TÜR STEHT: Unternehmen müssen sich grundsätzlich auf eine größere Personengruppe gefasst machen, die aus Kriminalpolizei, Vertretern der Bundeswettbewerbsbehörde oder der Europäischen Kommission bestehen kann. Exekutivbeamte können, müssen aber nicht dabei sein wie auch IT-Experten. Zehn bis 15 Personen sind also keine Seltenheit.

WANN DURCHSUCHUNGEN STATTFINDEN: Hausdurchsuchungen leben vom Überraschungsmoment. Dementsprechend früh können Beamte vor mehreren Standorten gleichzeitig eintreffen. Gern auch zu Zeiten, zu denen nur das Reinigungspersonal vor Ort ist. Das gilt nur nach der Strafprozessordnung, bei Hausdurchsuchungen wegen Verdachts auf Wettbewerbsverstöße hat ein Vertreter des Unternehmens das Recht, anwesend zu sein. Doch zumindest eine Vertrauensperson muss die Durchsuchung begleiten und den Beamten den Weg weisen.

WAS MAN ALS ERSTES TUN MUSS: Es gilt, so schnell wie möglich seine Rechtsvertretung zu erreichen, sie allenfalls mit dem Einsatzleiter zu verbinden und ihr das sogenannte Untersuchungsdokument zu übermitteln. Dieses gibt darüber Auskunft, welche Anschuldigung erhoben wird und welche Räumlichkeiten die Beamten durchsuchen dürfen. Das Durchsuchungsdokument sollte auch gleich gescannt und an einen zuvor festgelegten Verteiler gesandt werden.

WIE MAN DEN START DER HAUSDURCHSUCHUNG VERZÖGERT: Von diesem Versuch ist grundsätzlich eher abzuraten. Denn: Als Beschuldigter ist man verpflichtet mitzuwirken. Es gilt also, sich kooperativ zu zeigen, aber nicht alles herzugeben. Die einzige Möglichkeit, um ein paar Minuten zu gewinnen, ist, dass beim Empfang die Ausweisnummern und Daten der Beamten erfasst und dokumentiert werden. Dadurch gewinnt man auch einen Überblick und kann den Personen sogenannte „Schatten“ zur Seite stellen, die sie die ganze Zeit begleiten. Danach werden alle Beamten in einen möglichst nahegelegenen Besprechungsraum gebracht, um zu verhindern, dass die gesamte Belegschaft die Durchsuchung mitbekommt und Unruhe entsteht.

WARUM ÜBUNG DEN MEISTER MACHT: Im Ernstfall machen die Beamten Druck, und wenn der Ablauf nicht sitzt, entsteht rasch Panik. Sich vorzubereiten ist deswegen die beste Versicherung. Jeder muss wissen, was er tun soll: der Empfang, die Geschäftsführung, die Vertriebsmitarbeiter, die IT, die Rechtsabteilung und auch die Kommunikation. Man muss vorab festlegen, wohin die Beamten gebracht werden, wem man das Untersuchungsdokument schickt, welche Mitarbeiter als „Schatten“ fungieren und was genau zu protokollieren ist.

WIE MAN DEN ERNSTFALL PROBT: Notfallpläne zu erstellen ist eine Sache, in der Situation korrekt zu reagieren eine ganz andere. Deswegen sollten die Szenarien regelmäßig geschult werden. Am besten geht das mit einer Simulation, einer sogenannten „Mock Dawn Raid“ unter der Leitung von Anwälten, Forensikund IT-Experten, die Mitarbeiter befragen, Handys abnehmen, Daten sichern und am Ende aufzeigen, was alles schiefgegangen ist. Wie beim Feueralarm dürfen die Mitarbeiter natürlich nicht wissen, dass es sich um eine Übung handelt.

WIE MAN SICH EINEN ÜBERBLICK VERSCHAFFT: Die „Schatten“ machen Fotos und dokumentieren, welche physischen Akten beschlagnahmt werden. Die IT hält fest, nach welchen Keywords gesucht wird, wird doch heute vornehmlich nach Dateien gesucht. Entsprechend wichtig ist ein Archivierungskonzept. Denn: Ein Großteil aller Daten sollte am Fileserver und nicht etwa auf einzelnen Rechnern gespeichert sein. Die Beamten dürfen nur in Ausnahmefällen den ganzen Server mitnehmen, da es meistens unverhältnismäßig wäre. Befinden sich aber die Daten mehrheitlich auf einem Laptop, wird dieser konfisziert. Die Dokumentation ist auch deshalb so wichtig, um im Nachgang rasch erheben zu können, was die Behörden finden könnten. Bei Terabytes an Daten kein einfaches Unterfangen. Vor allem, da die Geschäftsführung selbst oft nicht weiß, was genau vorgefallen ist.

WIE MAN VERHINDERT, DASS GERÜCHTE ENTSTEHEN: Auch die Kommunikation sollte strikt geregelt sein: nach innen und außen. Mitarbeiter müssen wissen, dass sie keine Fotos oder Nachrichten zur Durchsuchung verbreiten dürfen. Natürlich muss auch die Kommunikationsabteilung wissen, wie sie auf Anfragen von außen reagiert. Sonst kocht die Gerüchteküche hoch und die Reputation leidet. Selbst, wenn vielleicht nur nach Informationen gesucht wird, die einen Geschäftspartner betreffen.

WAS NACH DER HAUSDURCHSUCHUNG PASSIERT: Die Rechtsvertretung erhebt während der Hausdurchsuchung in vielen Fällen Widerspruch, um die Einsicht gewisser Daten einzuschränken. Das Einsichtsrecht wird dann geprüft. Nicht selten hat der Widerspruch Erfolg, da die Beamten meistens prophylaktisch lieber mehr mitnehmen als unbedingt nötig. Nach der Analyse der Beamten startet entweder ein Verfahren, es folgen weitere Erhebungen oder – wenn sich der Verdacht nicht erhärtet hat – es kann das Unternehmen aufatmen.

WELCHE NO-GOS NICHT PASSIEREN DÜRFEN: Mitarbeiter sollten auf gar keinen Fallen Daten löschen oder Dokumente schreddern, während die Beamten im Haus sind. Auch das Betreten von bereits versiegelten Räumen ist strafbar.

WELCHE VERHALTENSREGELN UNBEDINGT ZU BEFOLGEN SIND: Das oberste Gebot lautet: Kooperation. Die vorab geschulten Mitarbeiter sollten alle Fragen beantworten, die gestellt werden, aber auf keinen Fall mehr preisgeben. Genauso wichtig: Ruhe bewahren. Am Ende der Durchsuchung erstellen die Beamten ein Protokoll, von dem man eine Kopie anfordern sollte, um die eigenen Aufzeichnungen zu ergänzen.