Was Führungskräfte vom Buddhismus lernen können
Welche Lehren des Buddha sich auf die Unternehmensführung übertragen lassen und wie sie am besten in der Praxis gelebt werden können, erklären der buddhistische Mönch und Vizerektor der Thammasat Universität in Bangkok, Pipop Udorn, und der Dekan der WU Executive Academy, Bodo B. Schlegelmilch.

„Unser Sein ist das Echo unserer Gedanken. Was du denkst, das bist du. Deshalb erkenne dich selbst“, sagt Buddha. Alles beginnt mit dir selbst, und das gelte insbesondere auch für gutes Leadership. So weit, so bekannt. Allerdings bieten die Lehren des Buddha noch weitere zeitlose Leadership-Anleitungen, die Führungskräften gerade in herausfordernden Zeiten Inspiration, Richtung und Halt bieten sollen.
Von Druck bis Stress
Führungskräfte stehen täglich vor enormen Herausforderungen: große, geopolitisch bedingte Unsicherheiten, volatile Märkte und ein immer größer werdenden Veränderungsdruck in den Unternehmen machen schnelle und komplexe Entscheidungen notwendig. Gleichzeitig sollen Leader*innen Vorbildwirkung haben und ihre Teams zu Höchstleistungen motivieren.

Dieses Umfeld kennt Pipop Udorn, Vizerektor der thailändischen Thammasat Universität (TU) in Bangkok nur zu gut. Udorn absolviert derzeit eine viermonatige Auszeit als buddhistischer Mönch in einem Kloster nahe Bangkok. Er selbst sah sich als Führungskraft immer wieder mit großem Druck und Stress konfrontiert. Schon einmal hat er mehrere Wochen in einem buddhistischen Kloster verbracht und konnte von dort nicht nur neuen Elan, sondern auch fundamentale Erkenntnisse für seine eigene Führungsarbeit mitnehmen. „Im Buddhismus finden sich sehr viele wertvolle Anleitungen für erfolgreiches Leadership, gerade in herausfordernden Zeiten“, sagt er.
Auch Bodo B. Schlegelmilch, Dekan der WU Executive Academy, der seit vielen Jahren mit Pipop Udorn beruflich und freundschaftlich verbunden und seit über 20 Jahren Gastprofessor an der TU ist, sieht in der Lehre Buddhas zeitlose Prinzipien, die moderne Leader*innen erfolgreicher, ausgeglichener und vor allem resilienter machen.
Die drei Prinzipien fürs Leadership
Udorn und Schlegelmilch unterscheiden drei wesentliche buddhistische Prinzipien, die Führungskräften in ihrer eigenen Führungspraxis wertvolle Dienste leisten können:
- die innere Führung,
- das Führungsverhalten und
- das eigene Team zu fördern, zu fordern und zur Selbstverantwortung zu befähigen
Im Wandel und in Weisheit
Als erstes Prinzip wird „Innere Führung: Weisheit und emotionale Klarheit“ genannt. Leadership beginne bei einem selbst. Der Buddhismus lehrt, dass die Welt durch permanente Veränderungen, Komplexität und Wechselwirkungen geprägt ist. „Wer sich gegen den Wandel wehrt, kämpft gegen die Natur des Lebens. Alles entsteht, existiert und vergeht – ohne Ausnahme. Wer das versteht und akzeptiert, kann auch in Zeiten des schnelllebigen Wandels mit Gelassenheit und Weitsicht führen“, so Udorn.

Achtsamkeit und Selbstreflexion seien dabei essenziell. Führungspersönlichkeiten sollten regelmäßig innehalten, ihre Gedanken ordnen und sich fragen: „Handle ich aus Ego oder aus Weisheit?“ „Ein unruhiger Geist führt zu unruhigen Entscheidungen. Wer seinen Geist schult, führt dagegen mit Klarheit“, betont Udorn. Achtsamkeit ziehe auch immer öfter in Führungsetagen ein: Marc Benioff, CEO von Salesforce, integriert Meditation in seinen Arbeitsalltag und hat Achtsamkeitsräume in seinen Büros eingerichtet. Der Software-Konzern SAP hat Mindfulness sogar auf C-Level mit der Position „Chief Mindfulness Officer“ angesiedelt.
Auch Bodo B. Schlegelmilch sieht die Innenschau und achtsame Selbstführung als wesentlichen Teil an, um sich auch in ungewissen Zeiten zu einer entscheidungsstarken und resilienten Führungspersönlichkeit weiterzuentwickeln. „Wenn äußere Sicherheiten wegbrechen, hilft die innere Sicherheit und das Vertrauen in die eigenen Stärken und Fähigkeiten, mit Veränderungen sinnvoll und konstruktiv umzugehen. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum Selbstführung ein wesentlicher Bestandteil unserer Programme ist: Im Leadership Lab des Global Executive MBA etwa gehen die Teilnehmer dem eigenen Sinn und der inneren Führungsstärken auf den Grund“, so Schlegelmilch.
Mit Klarheit und Kommunikation
Als zweites Prinzip eigne sich „Führungsverhalten: Mit Klarheit und Mitgefühl handeln“. Wie ein*e Leader*in mit anderen umgeht, bestimme die Unternehmenskultur. Der Buddhismus betont vier zentrale Verhaltensweisen, die Führungskräfte in ihren Arbeitsalltag integrieren können, um für Vertrauen und Mitarbeiter*innenbindung zu sorgen:
- Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft zeigen
Erfolgreiche Leader*innen würden ihr Wissen, ihre Zeit und ihre Ressourcen teilen, ohne sofort eine Gegenleistung zu erwarten. „Wenn du gibst, nur um vom anderen etwas zu bekommen, hast du nicht wirklich gegeben“, sagt Pipop Udorn. „So können Führungskräfte eine Vertrauenskultur in ihrem Unternehmen etablieren“, sagt auch Bodo Schlegelmilch. Führung bedeute, aktiv zu unterstützen, sei es durch Coaching, Mentoring oder tatkräftige Hilfe. „Ein Leader, der nur befiehlt, aber nicht dient, wird gefürchtet, aber niemals respektiert“, bringt es Pipop Udorn auf den Punkt.
- Wahrhaftig kommunizieren
Wahrheit und Nutzen sollten sich die Waage halten. Führungskräfte seien daher gutberaten, immer die Wahrheit zu sprechen, jedoch mit Bedacht. „Ein Wort kann heilen oder zerstören. Weise Leader wählen ihre Worte bewusst und wohlüberlegt – sie kommunizieren und agieren nicht aus der Emotion heraus“, so Udorn.
Klare Kommunikation sieht auch Bodo B. Schlegelmilch gerade in ungewissen Zeiten als essenziell an: „Teams brauchen psychologische Sicherheit, gerade wenn Unternehmen durch schwierige Zeiten gehen. Hier hilft offene und transparente Kommunikation. Dazu gehört auch, dass Führungskräfte zugeben, wenn sie etwas nicht wissen oder noch keine Entscheidung treffen können.“
- Gemeinschaftssinn und Teamspirit stärken
Wer sich als Teil eines Teams sieht, fördert den Zusammenhalt und die Loyalität. „Es ist wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jeder Einzelne wertgeschätzt und gehört fühlt“, erläutert Pipop Udorn.
Mit Fokus und Fleiß
Als drittes Prinzip wird „Chefs als Enabler: Wie Leader ihre Teams stärken können“ etabliert. Exzellente Führung bedeute in der modernen BANI-Welt nicht mehr Kontrolle, sondern vor allem auch Befähigung der Mitarbeitenden. Leadership würde laut Schlegelmilch auch zunehmend auf mehrere Köpfe verteilt: „Distributed Leadership und Selbstverantwortung wird in modernen Organisationen zur Conditio sine qua non: Teams entscheiden über ihre Bereiche selbst und die Führungskraft wird so zum Enabler des Teams“, sagt er. „Gute Leader machen andere besser – nicht (nur) sich selbst“, betont Pipop Udorn. Ein Beispiel ist Satya Nadella: Der CEO von Microsoft hat den globalen Konzern durch einen tiefgreifenden Wandel geführt, indem er eine Kultur des nachhaltigen Wachstums etablierte. Die drei Hauptpfeiler seines Erfolges: Er betrachte Fehler als Lernchancen, sehe kontinuierliche Weiterbildung als Pflicht – und habe Bescheidenheit als eine der wichtigsten Tugenden im Konzern verankert.
Um als Führungskraft das eigene Team bestmöglich zu „enablen“, damit sie ihr Bestes geben können, seien vier Verhaltensweisen ausschlaggebend, die grundlegenden buddhistischen Prinzipien folgen:
- Leidenschaft vermitteln
In der buddhistischen Lehre ist häufig von „Nicht-Anhaften“ die Rede – ein Prinzip, das oft missverstanden wird. Es bedeutet nicht Gleichgültigkeit oder Distanz, sondern die Fähigkeit, mit innerer Klarheit und emotionaler Unabhängigkeit zu handeln.
Wer sich nicht an Status, Erfolg oder Ego klammert, schaffe Raum für echte Leidenschaft. Führung, die aus dieser inneren Ausrichtung heraus geschieht, wirke kraftvoll und inspirierend. Wer liebt, was er tut, und dabei authentisch bleibt, könne andere mit Begeisterung mitreißen – nicht durch Druck, sondern durch Überzeugung und Sinn.
- Ausdauer zeigen
Ausdauer hat im Buddhismus mit Disziplin, Hingabe und innerer Stärke zu tun.
Erfolg entstehe nicht über Nacht, sondern durch Beharrlichkeit. „Per aspera ad astra: Wer aufgibt, wenn der erste Widerstand kommt, wird nie die Früchte harter Arbeit ernten“, sagt Udorn.
- Fokus bewahren
Zentrales Element des Buddhismus ist die Achtsamkeit – im Hier und Jetzt sein, ohne sich ablenken zu lassen.

Ablenkungen seien die größten Feinde des Fortschritts. Leader*innen müssten sich darauf konzentrieren, was wirklich zählt, und dürften sich nicht von Nebensächlichkeiten vereinnahmen lassen. Steve Jobs ließ sich von der Zen-Philosophie inspirieren und lebte nach dem Prinzip des „leeren Geistes“ (Shoshin): Offenheit für Neues und Fokussierung auf das Wesentliche. Dies spiegele sich auch in der minimalistischen und klaren Designsprache von Apple wider. „Der Geist eines Anfängers ist frei von Vorurteilen und offen für neue Möglichkeiten. So entstehen echte Innovationen“, erklärt Udorn.
- Regelmäßig reflektieren
Selbstreflexion ist im Buddhismus ein ständiger Begleiter – auf dem Weg zur Erkenntnis und Entwicklung.

Erfolg beruhe auf kontinuierlicher Verbesserung. „Ein Leader, der nie innehält und sein Handeln hinterfragt, wird sich im Kreis drehen“, so Udorn. Selbstreflexion sei somit der Schlüssel zu nachhaltigem Wachstum als Führungskraft, aber auch für Teams und Mitarbeitende. Reflexion ist auch ein wesentlicher Bestandteil der MBA-Studien an der WU Executive Academy: „Neben dem gemeinsamen Reflektieren und voneinander lernen, das die Studierenden als besonders wertvoll für ihre Führungsarbeit ansehen, erweitern wir ab Herbst 2025 alle unsere MBA-Programme um ein „Reflexive-Practice-Element“. Dieses neue Feature ermöglicht es den Studierenden, Herausforderungen aus dem eigenen Unternehmen angeleitet und strukturiert zu betrachten, um so neue Erkenntnisse zu gewinnen und Lösungsansätze zu erarbeiten“, so Bodo Schlegelmilch.
Stärke statt Schwäche
Das gezogene Fazit gestaltet sich wie folgt: Viele buddhistischen Prinzipien funktionieren wie ein Coaching-Werkzeugkasten für Leadership. Leadership by Buddha bedeutet also keinesfalls Schwäche oder Zurückhaltung, sondern bewusste, klare und mitfühlende Stärke: sich selbst als (Führungs-) Persönlichkeit gut zu kennen, mit Mitgefühl zu handeln und Teams zu Höchstleistungen zu befähigen. „Wer sein Ego loslässt und im Dienst seiner Mitarbeitenden handelt, wird langfristig Erfolg haben“, sagt Udorn. Leader*innen, die diese Prinzipien verinnerlichen, würden nicht nur leistungsstarke, sondern auch zufriedenere und motiviertere Teams schaffen.