Unternehmensführung

Warum der Gender-Pay-Gap für KMU ein Problem ist

Jenny Hauser
05.06.2025

Die Gender-Pay-Gap-Debatte wird gerne auf große Konzerne fokussiert, doch in KMU ist die Lohnschere oft noch größer – und für Unternehmen selbst ein massives Problem – nicht nur ein moralisches, sondern ein wirtschaftliches.

Frauen verdienen in Österreich noch immer deutlich weniger als Männer – auch in kleinen Betrieben. Was oft als gesellschaftliches Randthema abgetan wird, hat längst wirtschaftliche Konsequenzen. Für KMU wird faire Bezahlung zunehmend zur Frage der Wettbewerbsfähigkeit: Wer nicht gerecht entlohnt, verliert Fachkräfte – und riskiert künftig sogar Strafen. Durch die Umsetzung von Lohntransparenz und gerechten Entlohnungssystemen können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, Mitarbeiter*innen langfristig binden und rechtliche Risiken minimieren.

Land der Lohnschere

Österreich formt mit der zweitgrößten Lohnschere zwischen Männern und Frauen das Schlusslicht der EU in Sachen gleicher Bezahlung. Hierzulande gibt es (unbereinigt, d. h. durchschnittlich über alle Beschäftigten hinweg) einen Gender Pay Gap von 18,3 Prozent. Das zeigt eine Eurostat Statistik aus dem Jahr 2023. Analysen von Statistik Austria, die Faktoren wie Qualifikation und Beruf in die Berechnung einbeziehen (bereinigt), erklären etwa ein Drittel dieser Lücke. Ganze zwei Drittel sind allerdings nicht durch solche Faktoren erklärbar und deuten
auf direkte Lohndiskriminierung hin. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist das nicht nur ethisch bedenklich, sondern auch wirtschaftlich unklug, denn Unternehmen, die keine Gleichberechtigung leben, werden schnell überholt.

Mehr als nur ein Zahlenspiel

Ein Teil der Ursachen für den hohen Gender-Pay-Gap in Österreich ist strukturell: Frauen arbeiten überdurchschnittlich oft in Teilzeit, übernehmen unbezahlte Care-Arbeit und sind in Branchen beschäftigt, die systematisch schlechter bezahlt werden – etwa Pflege, Handel oder Bildung. Doch selbst bei Vollzeit, vergleichbarer Ausbildung und Berufserfahrung bleibt eine Lohnlücke bestehen. Diese bereinigte Lücke macht durchschnittlich 6,3 Prozent aus – das ist keine Zufälligkeit, sondern systematische Ungleichbehandlung.
Gerade KMU stehen hier unter Beobachtung. Warum? Weil sie in Österreich rund 99 Prozent aller Unternehmen ausmachen und somit das Rückgrat der Wirtschaft bilden. Sie prägen Unternehmenskulturen, prägen Regionen – und könnten mit gutem Beispiel vorangehen. Doch während große Konzerne zunehmend auf Diversität und Equal Pay setzen, fehlt es KMU oft an Ressourcen, Bewusstsein oder schlicht an der Zeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dabei wäre es gerade jetzt ratsam, genau hinzuschauen. Junge Talente – Männer wie Frauen – stellen neue Anforderungen an Arbeitgeber*innen: Fairness, Transparenz, echte Gleichstellung. Wer hier nicht mitzieht, verliert. Und zwar nicht nur Fachkräfte, sondern auch Wettbewerbsfähigkeit: Intransparenz und unfaire Bezahlung verspielen Vertrauen in die eigene Marke und schwächen Motivation, Innovation und Loyalität der Mitarbeitenden.

Transparenz kommt, ob gewollt oder nicht

Seit Jahren ist die rechtliche Basis in Österreich klar: das Gleichbehandlungsgesetz verpflichtet Unternehmen dazu, Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit gleich zu entlohnen. Klingt logisch – wird aber in der Praxis zu oft ignoriert oder umgangen. Vor allem KMU mit weniger Mitarbeiter*innen fehlte es bis jetzt an Anreizen, Prozesse zu überdenken und Transparenz zu schaffen. Das wird sich bald ändern. Die neue EU-Richtlinie zur Lohntransparenz wird ab 2026 auch kleinere Unternehmen in die Pflicht nehmen. Dann gilt: Unternehmen ab 25 Mitarbeitenden müssen Gehaltsunterschiede offenlegen und aktiv gegen Diskriminierung vorgehen (Auskunftspflicht, Transparenz in Stellenausschreibungen sowie Berichterstattung für Unternehmen mit über 100 Mitarbeiter*innen). Wer nichts tut, riskiert Geldbußen und Imageschäden. Für KMU bedeutet das: Jetzt handeln, bevor die Regulierung kommt. Wer früh beginnt, profitiert doppelt – rechtlich abgesichert und gleichzeitig attraktiv für qualifizierte Arbeitskräfte.

Figuren von männlichen und weiblichen Personen auf unterschiedlich hohen Geldmünzen, Konzept der unterschiedlichen Einkommen, Konzept der Lohngleichheit der Geschlechter
Gleichstellung rechnet sich – das ist längst kein Geheimnis mehr. ©Zigmunds Dizgalvis iStock GettyImages Plus

Warum sich gleiche Bezahlung lohnt

Gleichstellung rechnet sich – das ist längst kein Geheimnis mehr. Unternehmen, die gerecht bezahlen, profitieren messbar – Durch höhere Zufriedenheit (die zu besserer Leistung und weniger Krankenständen führt), weniger Fluktuation (die Recruitingkosten senkt und für stabile Teams sorgt) und eine attraktivere Unternehmensmarke, denn Fairness ist ein universelles Bedürfnis. Chancengleichheit bringt außerdem neue Perspektiven – besonders in Führungspositionen. Studien zeigen: Diverse Teams sind innovativer, lösungsorientierter und erfolgreicher. KMU, die auf Augenhöhe bezahlen schaffen nicht nur ein faires Miteinander, sondern sichern ihre Zukunftsfähigkeit – gerade in einem Markt, der sich zunehmend an Werten orientiert. Als kleine, oft regional verankerte Unternehmen sind KMU außerdem auf ihre Kundschaft angewiesen. Wenn Frauen über Jahrzehnte hinweg weniger verdienen und im Alter überproportional von Armut betroffen sind, dann fließt weniger Geld zurück in Pensionssysteme, Steuern und in lokale Wirtschaftskreisläufe. Laut Statistik Austria sind rund 17 Prozent aller Frauenpensionen unter der Armutsgefährdungsschwelle – und weniger Einkommen bedeutet weniger Konsum. Das trifft KMU unmittelbar. Der Gender Pay Gap kostet also nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch Kundschaft.

Großer Handlungsbedarf – Von der Theorie in die Praxis

Mögliche Maßnahmen um der Einkommensschere entgegenzuwirken, und Equal Pay aktiv zu fördern, können laut Deloitte Weltfrauentags-Studie die Implementierung von Lohntransparenz sowie Förderung von Frauen in Führungspositionen sein. WU-Professorin Isabella Grabner erklärt gegenüber der Business & Professional Women Initiative „Equal Pay Day“ die Wichtigkeit, als Unternehmen damit zu beginnen, die Ausgangslage zu analysieren: Der Online-Selfcheck des Projekts „100 Prozent” kann einen ersten Überblick verschaffen. Für Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf spricht sich die Ökonomin Katharina Mader gegenüber des Magazins profil aus, denn der Gender Pay Gap sei “im Wesentlichen auch ein Mutterschafts-Gap.”

Die Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft „equalitA“ zeichnet Österreichische Unternehmen mit einem Gütesiegel für ihre innerbetriebliche Frauenförderung aus, mit Geschlechtergerechtigkeit als Beurteilungskriterium. 2024 hat mitunter das Energiespeicherunternehmen RAG Austria diese Auszeichnung erhalten – mit einem Projekt, das es Mitarbeiter*innen leichter machen soll, Beruf und Familie zu vereinbaren. Maßnahmen inkludierten flexible Arbeitszeitgestaltung, ein Eltern-Kind-Büro sowie Förderung von Väterkarenzen. In Planung seien “flexiblere Rahmenbedingungen wie ‘Führen in Teilzeit’ und ‘Shared Leadership’.”
Damit sollen Karrierechancen für Frauen erhöht werden. Head of HR Operations Ulrich Cevela schreibt die Zufriedenheit und langfristige Bindung der Mitarbeiter*innen der Firma dieser Unternehmenskultur zu, wie er im equalitA Preisträger-Interview berichtet.

KMU sollten jetzt handeln

Unternehmer*innen von KMU sollten jetzt Prozesse überdenken und Transparenz schaffen. Weil es nicht nur das richtige ist, fair zu entlohnen, sondern auch klug, das Thema inmitten des Fachkräftemangels und wachsender gesellschaftlicher Erwartungen als Chance zu begreifen. Wer gerechte Löhne zahlt, bleibt wettbewerbsfähig, attraktiv und zukunftssicher. An veralteten Strukturen festzuklammern hingegen, oder sich mit dem Thema schlicht nicht auseinanderzusetzen, vergrault Mitarbeiter*innen, schreckt junge Talente ab, und schadet Unternehmen langfristig sogar finanziell. Der Wandel kommt – mit oder ohne Gesetz. Wer ihn gestaltet, statt ihn zu fürchten, wird davon profitieren.

Nützliche Links:

Kommentar:

„Wer behauptet, in Österreich sei gleicher Lohn für gleiche Arbeit längst Realität – und wenn nicht, lediglich der Berufswahl oder dem Verhandlungsgeschick verschuldet – ignoriert nicht nur die Faktenlage, sondern reproduziert ein Narrativ, das Frauen strukturelle Benachteiligung
selbst in die Schuhe schiebt. Der Unterschied zwischen den Zahlen zum bereinigten und unbereinigten Gender Pay Gap ist lediglich Beweis für ein System, das Care-Arbeit abwertet, Frauen in Teilzeit drängt und ihnen langfristig ökonomische Sicherheit raubt. Diskriminierung beginnt bei der ungleichen Verteilung unbezahlter Arbeit, dem Fehlen ganztägiger
Kinderbetreuung und der ungebrochenen Macht von Rollenbildern. Unternehmen sind hier gefragt, diesem System im Rahmen ihrer Macht entgegenzuwirken.“

Jenny Hauser
Wirtschaftsjournalistin

 

 

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