Rechtsformen im Vertrieb: Was darf der Handelsagent?

Vertrieb
25.07.2006

Bei der Organisation des Vertriebs sind, insbesondere bei Handelsvertretern und Vertragshändlern, wichtige Rechtsfragen zu beachten. Von Gustav Breiter

Das beste Produkt nützt dem Hersteller beziehungsweise Lieferanten bekanntlich nichts, wenn es nicht verkauft wird. Dem Vertrieb kommt daher zentrale Bedeutung zu. Die Pflege des Kundenbestands und die Akquisition sind gleichermaßen von entscheidender Bedeutung. Werden die bestehenden Kunden nicht hinreichend betreut, besteht die Gefahr, dass sie "abspringen". Potentielle Kunden entscheiden sich von vornherein für den Mitbewerb, wenn die Kontaktaufnahme durch den Vertrieb nicht entspricht.
Bei der Organisation des Vertriebs ist zwischen dem Eigenvertrieb und der Vertriebspartnerschaft über Handelsagenturen oder Händler zu unterscheiden. Ein zentraler Vorteil von externen Vertriebspartnern liegt darin, dass - anders als bei einem Vertrieb über angestellte Außendienstmitarbeiter - keine Lohnnebenkosten anfallen und dass ein selbstständiger Vertriebspartner nur dann Provisionen beziehungsweise eine Spanne verdient, wenn er die Produkte/ Dienstleistungen verkauft. Darin liegt auch ein nicht zu unterschätzendes Motivationspotential. Gewisse rechtliche Rahmenbedingungen sind aber zu beachten.

Handelsagenten
In verschiedensten Branchen erfolgt der Vertrieb über Handelsvertreter. Der Bogen spannt sich von Textilien über Schmuck und Uhren bis zu Chemikalien, Baustoffen, Maschinen, ja ganzen Anlagen. Ein Handelsagent ist ständig mit der Vermittlung beziehungsweise mit dem Abschluss betraut, das heißt, er unterliegt einer Absatzförderungspflicht. Zugunsten von Handelsagenten besteht ein spezielles Schutzgesetz, nämlich das Handelsvertretergesetz 1993. Dieses Gesetz sieht einen gewissen Mindeststandard vor, sodass bestimmte in der Praxis immer wieder zu beobachtende vertragliche Regelungen unwirksam sind. So ist es zum Beispiel unzulässig, im Vertrag vorzusehen, dass eine bezahlte Provision im Reklamationsfall rückverrechnet wird. Ebenso wäre es unzulässig, einer Handelsagentur eine tägliche oder wöchentliche Berichtspflicht aufzuerlegen. Hier besteht zudem die Gefahr, dass der "Handelsagent" im Rahmen einer Betriebsprüfung in einen echten Arbeitnehmer umgedeutet wird, was mit Beitragsnachzahlungen verbunden wäre. Es sollte daher eine monatliche Berichtspflicht, gegebenenfalls unter Verwendung eines Berichtsformulars, vorgesehen werden. Wird auf eine tagesaktuelle Berichterstattung Wert gelegt, bleibt nur der Weg des Eigenvertriebs. Die Vor- und Nachteile des Vertriebs über selbstständige Partner sind also abzuwägen, wobei den ersparten Lohnnebenkosten und der Tatsache, dass die Provisionen der Handelsagentur variable Kosten sind, besonderes Gewicht zukommt.
Bei der Gestaltung von Handelsagentenverträgen sind weitere Aspekte zu beachten. So sind unter anderem die vertretene Produktgruppe, das Vertragsgebiet beziehungsweise die zu betreuenden Kunden/-gruppen festzulegen. Besondere Bedeutung kommt der Definition einer allfälligen Exklusivität zu. Es ist zwischen Bezirksvertretung, alleiniger Vertretung und einem speziellen Alleinvertriebsrecht zu unterscheiden. Der Provisionssatz sollte ebenso wie die Bemessungsgrundlage klar geregelt sein. Im Zusammenhang mit der Absatzförderungspflicht der Handelsagentur können auch Umsatzvorgaben vorgesehen sein. Sollen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse auch nach der Vertragsbeendigung geschützt sein (was durchaus ratsam ist) bedarf es einer gesonderten vertraglichen Regelung.

Händlerverträge
Im Unterschied zu Handelsagenturen vermittelt der Händler nicht, sondern er kauft und verkauft in eigenem Namen. Ein Wiederverkäufer wird dann zum Vertragshändler, wenn eine enge Beziehung zum Lieferanten/Importeur besteht, das heißt, wenn sich der Händler ständig um einen florierenden Absatz bemühen muss und er dabei unter der Marke des Lieferanten auftritt.
Anders als ein Handelsvertreter, der schon nach dem Gesetz einem Konkurrenzverbot unterliegt, gilt dies für einen Vertragshändler nur dann, wenn dies vereinbart wird. Erreicht der Lieferant einen gewissen Marktanteil beziehungsweise bezieht sich die Vereinbarung auf Gesamtösterreich, muss das Wettbewerbsverbot aus europarechtlichen Gründen auf 5 Jahre befristet werden. Ein Wettbewerbsverbot hat aber Folgewirkungen auf die Beendigungsansprüche, denn es stellt eines der Kriterien für einen Ausgleichsanspruch des Händlers dar.
Im Rahmen der Vertragsgestaltung von Händlern ergeben sich aufgrund der Rechtsstellung des Händlers als Wiederverkäufer andere Fragen als bei Handelsagenten. So ist zu überlegen, ob auf die einzelnen Kaufverträge, die zwischen Händler und Lieferant abgeschlossen werden, auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Lieferanten angewendet werden sollen. Daraus ergeben sich in der Regel Beschränkungen zu Lasten des Vertragshändlers. Aus dessen Sicht wären umgekehrt Sonderregelungen zu seinen Gunsten wünschenswert, insb. eine Lieferpflicht des Herstellers und Verzugsregelungen. Ein weiterer Punkt, der für alle Beteiligten große Bedeutung hat (für den Händler auch im Verhältnis zu seinen Kunden), sind Gewährleistungs- und Haftungsfragen. Hier sollte der Händler gegenüber seinen Kunden nur solche Verpflichtungen eingehen, die er gegenüber dem Herstellerwerk durchsetzen kann. Auch in einem Vertragshändlervertrag können Umsatzvorgaben vorgesehen werden.

Beendigung
Auch wenn bei Vertragsabschluss die Zusammenarbeit gerade erst beginnt, sollte eine allfällige Auflösung (mit)bedacht werden, zumal ja jeder Vertrag irgendwann ein Ende findet. Gerade im Zusammenhang mit Handelsagenturen stellt sich immer wieder die Frage nach dem Ausgleichsanspruch. Dieser steht dem Vertriebspartner bei Beendigung des Vertrags zu, sofern er nicht aus wichtigem Grund gekündigt wurde oder er den Vertrag nicht selbst grundlos aufgelöst hat. Der Ausgleich stellt eine Vergütung für die Stammkunden dar, die der Handelsagent neu akquiriert hat (oder deren Umsatz er zumindest verdoppelt hat) und mit denen der Lieferant weitere Geschäfte machen kann. Die Berechnung ist durchaus schwierig. In der Praxis wird zwar regelmäßig eine Jahresdurchschnittsprovision einverlangt; diese steht dem Handelsvertreter aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zu, insb. nur dann, wenn er entsprechend viele Neukunden akquiriert hat. Auch einem Vertragshändler kann ein solcher Anspruch - unter ganz besonderen Voraussetzungen - zustehen.
Für alle Beteiligten gilt, dass eine sorgfältige Vertragsprüfung ratsam ist und hilfreich sein kann, einen teuren Rechtsstreit zu vermeiden oder zumindest die eigene Position entsprechend zu verbessern. Auch die Vertragsbeendigung sollte von den Beteiligten sorgfältig vorbereitet werden, um spätere Diskussionen ehest möglich zu vermeiden. Steht ein Ausgleichsanspruch zu, sind bei der Berechnung verschiedenste Parameter zu berücksichtigen. Hier empfiehlt es sich jedenfalls, professionellen Rat einzuholen.
(7-8/06)