Gastbeitrag

Psychologische Sicherheit: ein Erfolgsfaktor im KI-Zeitalter

Sabine Prohaska
12.08.2025

Wie stark sich Mitarbeitende und Teams für das Erreichen der Unternehmensziele engagieren, hängt auch stark von deren Gefühl der Psychologischen Sicherheit ab. Also gilt es dieses gezielt zu stärken – gerade in Zeiten weitreichender Veränderungen.

Die moderne Arbeitswelt verändert sich rasant – primär aufgrund der zahlreichen Veränderungen, die sich im Unternehmensumfeld vollziehen. Entsprechend groß ist aktuell der Changebedarf in vielen Unternehmen und entsprechend viele Umstrukturierungsprojekte und Projekte zur Neupositionierung im Markt finden zurzeit in ihnen statt.

Viele Mitarbeitende sind zurzeit verunsichert

Diese Projekte sind nicht selten mit einem Personalabbau verbunden. Sie machen zudem Strukturen und Routinen obsolet, die den Mitarbeitenden bisher ein Gefühl der Sicherheit vermittelt haben. Entsprechend verunsichert sind zurzeit die Mitarbeiter vieler Unternehmen, zumal kein Ende dieses Prozesses absehbar ist.

Deshalb überrascht es nicht, dass man in der Managementdiskussion immer häufiger den Begriff „Psychologische Sicherheit“ vernimmt, wenn es um die Frage geht: Wie können Unternehmen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeitenden
• sich trotz des nötigen Changes weiterhin mit ihrem Arbeitgeber und Job identifizieren und
• sich für den Unternehmenserfolg engagieren?

Geprägt wurde der Begriff „Psychologische Sicherheit“ von US-amerikanischen Sozialwissenschaftlerin Amy Edmondson. Er beschreibt ein Arbeitsumfeld, in dem die Mitarbeitenden angstfrei
• ihre Meinungen, Ideen, Bedenken usw. äußern, weil sie keine Negativreaktionen befürchten, und
• auch Fehler, Versäumnisse usw. eingestehen, weil sie wissen, dass sie hierfür nicht sanktioniert werden.

Ziel: Die Innovationskraft und Performance steigern

Eine solches Arbeitsumfeld ist der Professorin für Führung und Management an der Harvard Business School zufolge von entscheidender Bedeutung für die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft von Teams und Unternehmen – unter anderem, weil es ein individuelles und kollektives Lernen ermöglicht; und dieses führt wiederum zu einer kontinuierlichen Verbesserung und Anpassung an neue Erfordernisse, Technologien usw., was wiederum die Marktfähigkeit von Unternehmen sichert.

Hände mit Zahnrad © NanoStockk iStock Getty Images Plus
© NanoStockk iStock Getty Images Plus

Folglich zählt es zu den Aufgaben der Führungskräfte und Personalfachleute in den Unternehmen in ihrem Umfeld bzw. in der Organisation ein Umfeld zu kreieren, das die psychologische Sicherheit der Mitarbeitenden erhöht. Also sollten sie sich regelmäßig fragen:
• Wie ausgeprägt ist das Gefühl der psychologischen Sicherheit aktuell bei den Mitgliedern meines Teams bzw. den Mitarbeitern des Unternehmens?
• Vor welchen spezifischen Herausforderungen stehen diese aktuell zum Beispiel aufgrund der laufenden Restrukturierung, fortschreitenden Digitalisierung, verstärkten KI-Nutzung?
• Welche Ängste, Bedenken usw. haben die Mitarbeitenden in diesem Kontext?
• Welche Maßnahmen kann ich bzw. können wir ergreifen, um die psychologische Sicherheit zu erhöhen? Und:
• Wie kann ich bzw. können wir die Entwicklung der psychologischen Sicherheit messen und bewerten?

Wie hängen Vertrauen und psychologische Sicherheit zusammen?

Um diese Fragen adäquat beantworten zu können, sollte man wissen, dass die beiden Gefühle Vertrauen und psychologische Sicherheit zwar eng miteinander verknüpft sind; sie haben jedoch, wenn es um das Entwickeln der angestrebten Unternehmenskultur geht, eine unterschiedliche Funktion.

Vertrauen bezeichnet das individuelle Überzeugungsgefühl, dass eine Person, Gruppe oder Organisation zuverlässig, ehrlich und kompetent ist. Es basiert auf Erfahrungen, Beobachtungen und Erwartungen. Im Arbeitsumfeld bedeutet Vertrauen beispielsweise, dass Mitarbeitende sich sicher sind, dass ihre Führungskräfte ihre Versprechen einhalten und sie bei Bedarf unterstützen.

Merkmale von Vertrauen
Auf Erfahrung basierend: Vertrauen entsteht durch wiederholte, als positiv empfundene Interaktionen
Langfristig aufgebaut: Es braucht Zeit, um Vertrauen zu entwickeln.
Vertrauen ist transaktional: Es bezieht sich auf die Zuverlässigkeit in konkreten Situationen, z.B. beim Einhalten von Zusagen.
Vertrauen ist persönlich: Es kann auf individueller Ebene bestehen, z.B. zwischen Führungskraft und Mitarbeitender*m.

Der Begriff psychologische Sicherheit hingegen beschreibt das Gefühl der Mitarbeitenden, offen sprechen, Fragen stellen, Fehler zuzugeben und Bedenken äußern zu können – ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Hierbei handelt es sich um ein kollektives Gefühl, das die Teamdynamik und Unternehmenskultur prägt.

Merkmale von psychologischer Sicherheit
Kollektiv: betrifft das gesamte Team oder die Organisation.
Kurzfristig und situationsabhängig: Sie kann in bestimmten Situationen oder Teams stärker oder schwächer ausgeprägt sein.
Fokus auf Offenheit und Akzeptanz: Es geht darum, dass die Mitarbeitenden sich trauen, ihre Meinung usw. frei zu äußern, ohne Angst vor Ablehnung oder Sanktionen.
Ergebnis der Unternehmenskultur: Wird durch Führung, Kommunikation und Verhalten geprägt.

Vertrauen und psychologische Sicherheit: zwei Seiten einer Medaille

Hand hält Medaille © Liudmila Chernetska iStock Getty Images Plus
© Liudmila Chernetska iStock Getty Images Plus

Vertrauen schafft sozusagen die Grundlage für stabile Beziehungen im Unternehmen. Mitarbeitende, die ihren Führungskräften vertrauen, sind zum Beispiel eher bereit, sich auf neue Herausforderungen einzulassen. Psychologische Sicherheit hingegen sorgt dafür, dass Mitarbeitende ihre Ideen, Bedenken und Fehler offen kommunizieren. Vertrauen und psychologische Sicherheit bilden sozusagen die zwei Seiten einer Medaille: Vertrauen bildet die Basis für stabile Beziehungen; psychologische Sicherheit hingegen schafft die Atmosphäre, in der eine offene Kommunikation möglich ist. Beide Faktoren sind für eine gesunde, weil nachhaltige Team- bzw. Unternehmensentwicklung wichtig.

Sich mit dem Thema „Psychische Stabilität“ zu befassen, gewinnt im digitalen Zeitalter an Relevanz, weil sich in ihm die Arbeitsprozesse, technologischen Möglichkeiten und Marktanforderungen schneller und fundamentaler als früher wandeln. Für die Mitarbeitenden bedeutet dies, sie müssen – als Individuum und Team – permanent Neues lernen, sich anpassen und innovative Lösungen entwickeln. Zudem verändern sich durch den zunehmenden KI-Einsatz viele Berufsbilder. Deshalb verspüren die Mitarbeitenden Unsicherheiten bezüglich ihrer Rolle, Kompetenzen und Zukunftsperspektiven. Entsprechend wichtig ist Unternehmenskultur, die die psychologische Sicherheit fördert, Ängste abbaut und die Akzeptanz für Veränderungen erhöht.

Die psychologische Sicherheit der Mitarbeitenden stärken

Bewährte Ansätze bzw. Maßnahmen zum Stärken der psychologischen Sicherheit in Unternehmen sind:
1. Offene und transparente Kommunikation fördern. Zum Beispiel durch regelmäßige Meetings, in denen die Mitarbeitenden ihre Fragen, Bedenken und Ideen frei äußern können und die Führungskräfte transparent über Entscheidungen, Veränderungen und Herausforderungen informieren, um Unsicherheiten abzubauen.
2. Fehlerkultur etablieren. Wenn Fehler nicht sanktioniert, sondern als Lernchancen gesehen werden, über die man offen sprechen sollte, können individuelle und kollektive Lernfelder identifizierte werden. Führungskräfte sollten diesbezüglich Vorbilder sein und zeigen, dass Fehler menschlich und ein Teil des Lernprozesses sind.
3. Wertschätzung und Respekt zeigen. Ein öffentliches Anerkennen der geleisteten Arbeit und des Muts zur Meinungsäußerung stärken das Gefühl, wahrgenommen und gehört sowie wertgeschätzt zu werden.
4. Partizipation und Mitbestimmung ermöglichen. Werden Mitarbeitende (soweit möglich) in Entscheidungsprozesse eingebunden, erhöht dies das Gefühl der Zugehörigkeit und Selbst- statt Fremdbestimmung. Dies ermutigt Teams, eigene Ideen zu entwickeln und (Mit-)Verantwortung zu übernehmen.
5. Die emotionale Intelligenz der Führungskräfte erhöhen. Führungskräfte sollten lernen, aktiv und empathisch zuzuhören, auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden einzugehen und eine unterstützende Haltung zu zeigen. Ein offenes Ohr für deren Sorgen und Ängste fördert das Vertrauen und die psychologische Sicherheit.
6. Klare Rollen und Erwartungen definieren. Transparente Zielvereinbarungen und Verantwortlichkeiten schaffen Klarheit und reduzieren Unsicherheiten. Da die Mitarbeitenden wissen, was von ihnen erwartet wird, fühlen sie sich sicherer in ihrer Rolle.
7. Unterstützung bei Stress und Belastung anbieten. Angebote wie Coaching, Supervision oder Gesundheitsförderprogramme helfen, psychische Belastungen zu reduzieren. Eine Unternehmens- und Führungskultur, die auf das Wohlbefinden jedes Mitarbeitenden achtet, stärkt das Gefühl der Sicherheit.
8. Team-Building und soziale Interaktion fördern. Gemeinsame Aktivitäten stärken den Zusammenhalt und das Vertrauen im Team. Ein gutes, auch persönliches Miteinander schafft eine Atmosphäre, in der sich alle sicher und geborgen fühlen und sich deshalb – intrinsisch motiviert – für das Erreichen der gemeinsamen Ziele engagieren.

Mit solchen Maßnahmen kann das Gefühl der psychologischen Sicherheit bei den Mitarbeitenden erhöht werden. Also sollten Unternehmen diesbezüglich aktiv werden, denn: Die Herausforderungen, vor denen sie stehen, können nur mit Teams gemeistert werden, die sich voll mit ihrem Arbeitgeber und ihren Aufgaben identifizieren, unter anderem, weil sie sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen.


Vertrauen und Psychologische Sicherheit: Unterschiede im Überblick

Vertrauen Psychologische Sicherheit
Definition Überzeugung, dass jemand zuverlässig, kompetent und ehrlich ist Gefühl, offen sprechen und Fehler machen zu können, ohne negative Konsequenzen zu befürchten
Fokus Beziehung zwischen Individuen (z.B. Führungskraft und Mitarbeiter) Team- oder Unternehmenskultur bzw. Kultur der Zusammenarbeit, die Offenheit und Akzeptanz fördert
Entstehung Durch wiederholte positive Erfahrungen, Zuverlässigkeit Durch offene Kommunikation, respektvollen Umgang, Fehlerkultur
Dauer Langfristig aufgebaut Variiert situativ und kann kurzfristig beeinflusst werden
Auswirkungen Fördert Zusammenarbeit, Engagement, Loyalität Fördert Innovation, Lernen, Problemlösung, Teamzusammenhalt

Hier der Link zu einem Fragebogen, der die Psychologische Sicherheit in Ihrem Team misst.


Zur Autorin:

Zur Autorin:

Sabine Prohaska ist Inhaberin des Beratungsunternehmens seminar consult prohaska, Wien, das Unternehmen unter anderem beim Entwickeln einer neuen Lernkultur und Kultur der Zusammenarbeit in ihrer Organisation unterstützt.

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