Mühlbauers Hüte: Tradition trifft Design

Redaktion Die Wirtschaft
25.07.2006

Klaus und Marlies Mühlbauer haben die Hutmanufaktur ihrer Eltern runderneuert und dem Hut ein zeitgemäßes Image verliehen. Die Devise lautet: „Wenn schon Kopfbedeckung, dann muss sie von uns sein.“ Den Standort Wien verkaufen sie gleich mit. Von Eva Stanzl e.stanzl@wirtschaftsverlag.at

Fotos Richard Tanzer

Mühlbauer-Hüte sind so schön, dass man einen haben möchte. Oder zwei. Aparte Kopfbedeckungen, unverkennbar wie die Dior-Kleider der 1950er Jahre, Jäckchen von Chanel, oder die Schuhmode von Manolo Blahnik heute. Sie tragen die Handschrift von Klaus und Marlies Mühlbauer. Doch bevor sich die Geschwister, die den elterlichen Betrieb 2001 übernahmen, als Designer austoben durften, mussten sie sich ein Erneuerungs- und Sanierungskonzept aushecken: Zuvor waren Hüte unmodern gewesen und die Verkaufszahlen dementsprechend.
Den Grundstein für den Familienbetrieb hatte 1903 Urgroßmutter Julianna Mühlbauer mit einer kleinen Hutmanufaktur in Wien-Floridsdorf gelegt. Ihr Sohn Robert baute dann das Unternehmen zu einem Filialenbetrieb aus – Mühlbauer wurde zu einem Markennamen für Kopfbedeckungen.Klaus‘ und Marlies‘ Eltern, Heinz und Brigitte Mühlbauer, leiteten das Unternehmen ab den frühen Siebzigerjahren. War der Hut zum Kostüm noch bis in die Fünfziger- und Sechzigerjahre so gut wie obligatorisch gewesen, fanden in den Siebzigerjahren weniger formvollendete Schlapphüte Eingang in den Modealltag, schließlich Tücher, Mützen, Kappen und schlussendlich verzichteten viele ganz auf Kopfbedeckungen. Die Mühlbauers erweiterten das Sortiment in den Wiener Läden um Damenoberbekleidung. In der alten Hutwerkstatt am Schwedenplatz im ersten Wiener Gemeindebezirk wurde es stiller.

Schluss mit den Wagenrädern
„In den Achtziger- und Neunzigerjahren hatten Hüte praktisch ausgedient“, fasst Klaus Mühlbauer zusammen. Übrig blieben „Wagenrad-Hüte“, wie sie denn in Großbritannien bei Pferderennen oder Hochzeiten gerne getragen werden. „Dazu braucht man allerdings Selbstbewusstsein für drei. Das hat mit Bekleidung nichts zu tun, sondern mit Verkleidung“, findet er. Im Sommer 2000 sagte schließlich sein Vater Robert zu ihm: „Ich möchte die Hutwerkstatt schließen. Sie rentiert sich nicht, die Zahlen sind rot.“ – „Warte noch“, antwortete der Sohn, und entschloss sich nach einem Dreivierteljahr den Betrieb zu übernehmen.
Eigentlich hatte Klaus Mühlbauer bereits ein Angebot aus Deutschland im Textil- und Modemanagement in der Tasche und „nie wirklich ins Auge gefasst“, das Geschäft der Eltern zu übernehmen. Nach der Matura hatte er eine Modistenlehre gemacht und danach vorübergehend im Betrieb gearbeitet, was jedoch „eine Patt-Situation war, denn meine Eltern waren ja noch nicht alt“, blickt der ruhige Mittdreißiger zurück. Er begann daher, Betriebswirtschaftslehre zu studieren und arbeitete nebenbei für eine Weberei und dann in der Parfumabteilung der Kosmetikfirma Yves Rocher. Nach dem Studium bekam Mühlbauer einen Job bei Frahmson Frottier im Waldviertel: Er sollte das Marketing und das Gesamt-Image des Badetücher- und Bademantel-Produzenten erneuern und den Export ankurbeln. „Es war eine äußerst wichtige Erfahrung“, erklärt er. „Meine Chefin war jung, und auch Frahmson ist ein Familienbetrieb. In ihrer Suche nach Hilfe bei der Erneuerung hat sie mir vertraut und ließ mir Freiraum. Allerdings“, sagt er mit einem Anflug von Schmunzeln, „muss ich im Unterschied zu damals heute die Verantwortung tragen. Heute 30.000 Euro auszugeben ist was anderes.“

Manolo Blahnik der Kopfbedeckungen
„Was können wir? Wir können gut Hüte machen. So gut wie wir können es nur wenige andere, aber wir sind größer. Es gibt eine abzählbare Anzahl an Hutformen von der Sorte, die wir haben. Außerdem haben wir Erfahrung als Mode-Einzelhändler.“ Das waren Schlüsselüberlegungen der Betriebserneuerung. Hinzu kam, dass die Eltern ihren Kindern freie Hand ließen: „Ich dachte mir: Wenn ich es mache, dann mache ich es“, sagt Mühlbauer. „Zuallererst mussten wir mehr Hüte verkaufen, und dazu mussten die Hüte anders aussehen: Es mussten Designer-Artikel werden, um die sich Modebewusste reißen. Das Marketing muss vermitteln: Wenn überhaupt Kopfbedeckung, dann von uns.“ Die Geschwister begannen zu entwerfen, begaben sich auf Fachmessen. Mit Erfolg: Die ihre gehört nach eigenen Angaben heute „zu den fünf bis zehn meistbeachteten Hut-Kollektionen“.
Die Produkte wenden sich an „die Nische der Modebewussten, die klein ist, aber wohlhabender wird“. Da der österreichische Markt zu klein ist, wird in die ganze Welt verkauft – und in Wien erzeugt. Die Machart ist traditionell wie vor 100 Jahren mit alten Hutformen, Wärmelager und Dampfglocke. „Ehemalige Studienkollegen fragen mich, ob ich verrückt bin, in Österreich zu erzeugen“, erklärt Mühlbauer: „Ich spüre aber, dass sich dadurch die Authentizität des Produkts erhöht. Ich gehe täglich zwei Mal durch die Werkstatt und schaue, ob alles passt. Die Leute werfen mir zwar vor, dass ich unmodern bin, aber ich glaube, dass gerade das gut ist. Denn wir verkaufen den Standort Wien dazu. Japaner fragen mich: Ist es wirklich in Wien erzeugt? Ich sage: Ja.“

Japan als größter Markt
Japan ist mit 35 bis 40 Prozent der Exporte der größte Markt mit 50 Geschäftsvertretungen. Warum gerade dort so viel? „Japan stellt viele Rätsel“, sagt der Firmenchef: „Sie haben die größte Kopfbedeckungstradition, tragen Hüte, Kapperl, Mützen, sind dabei aber viel kreativer als etwa die Briten. Außerdem stehen sie auf den blassen Teint, und die Auseinandersetzung mit Design ist intensiver. In Europa sagt man schnell: Ja, das ist gut. Die Japaner hingegen nehmen sich Zeit, die Kollektionen anzuschauen, und es kann gar nicht verrückt genug sein, das gleitet manchmal sogar ins Seltsame ab. Außerdem ist dort eine der Haupt-Freizeitbeschäftigungen nicht ins Grüne fahren, sondern der Konsum. Nicht nur für Modisten, sondern für viele Modeleute ist Japan daher der wichtigste Markt.“
Nach Japan folgen die Märkte Deutschland, Italien, Großbritannien (Harrod’s in London), Spanien, Belgien, Frankreich (Bon Marche in Paris) und die USA. Auch nach Russland will Mühlbauer expandieren. In Zahlen: 2005 wurden 13.000 Hüte verkauft, das Unternehmen machte rund zwei Millionen Euro Umsatz bei „etwas über 20 Mitarbeitern“. Das „früher marginale“ Auslandgeschäft macht heute 80 Prozent aus. Gleichzeitig wurden in Wien von zwölf Filialen die unrentableren sechs geschlossen. Flaggschiff ist seit letztem Winter das neue Hutgeschäft in der Seilergasse. Geplant ist außerdem ein Geschäft mit Designermode, die in der Linie zu den Hüten passt. Um den Break Even zu erreichen, müssen die Geschwister allerdings noch arbeiten. „Nächstes Jahr könnte es sich ausgehen“, sagt Klaus Mühlbauer: Bis dahin werde er allerdings noch zwischen zehn bis 15 Ausstellungen bei Messen absolvieren und aufs Jahr verteilt drei Monate im Ausland verbringen.
www.muehlbauer.at/
(7-8/06)

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