Jahresgespräche mit Stammkunden erfolgreich führen
Unternehmen verhandeln mit ihren wichtigen Lieferanten oft jedes Jahr die Lieferbedingungen neu. Diese Gespräche werden 2026 angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besonders herausfordernd. Deshalb sollten sich B2B-Verkäufer professionell und gründlich vorbereiten.
Jedes Jahr wiederholt sich dasselbe Ritual. Die Einkaufsteams laden ihre Zulieferer und Dienstleistenden zu sogenannten Jahresgesprächen ein. Dabei werden die Modalitäten der Zusammenarbeit für das kommende Jahr neu vereinbart. Schon Wochen vorher sind viele Key-Account-Manager nervös. Denn sie wissen: Der Verlauf dieser Gespräche entscheidet nicht nur über den Geschäftserfolg ihres Unternehmens, sondern oft auch über das eigene Gehalt. Denn viele Verkäufer werden erfolgsabhängig bezahlt.
Alle Jahre wieder
Entsprechend angespannt betreten die Key-Accounter die Gesprächsräume oder Online-Meetings. Kaum ist die Tür geschlossen oder das Gespräch gestartet, hören sie oft Aussagen wie: „Sie wissen ja, wie unsicher aktuell die wirtschaftliche Lage ist“, oder „mit welchen Schwierigkeiten die Unternehmen unserer Branche zurzeit aufgrund der Preissteigerungen, Absatzprobleme, technologischen Herausforderungen und weiterer Faktoren kämpfen.“
Und gleich darauf folgt meist die Forderung: „Deshalb müssen Sie uns mit dem Preis entgegenkommen.“
Unausgesprochen steht dabei oft die Drohung im Raum: Andernfalls suchen wir uns einen neuen Lieferanten.
Gründliche Vorbereitung
Wer schlecht vorbereitet ist, gerät schnell in die Defensive. Denn in Jahresgesprächen geht es keineswegs nur um Preise und Liefermengen. Weitere zentrale Themen sind zum Beispiel:
- Welche Qualität sollen die gelieferten Produkte oder Problemlösungen haben?
- Welche Serviceleistungen sind im Lieferpaket enthalten?
- Wie zuverlässig wird geliefert, und in welchem Zeitraum?
- Wie lauten die Zahlungsbedingungen?
Je besser man diese Punkte im Vorfeld analysiert – alleine, im Team oder mit Unterstützung eines Vertriebscoaches – desto größer ist der Handlungsspielraum in der Verhandlung.
Markt und Kunden analysieren
Ein zentrales Themenfeld ist die Marktentwicklung. Wie stark ist die Branche des Kunden betroffen von geopolitischen Krisen, protektionistischen Maßnahmen, neuen wirtschaftlichen Ordnungen, technologischen Umbrüchen und gesellschaftlichen Veränderungen? Führt die fortschreitende Digitalisierung, Automatisierung und der verstärkte Einsatz von künstlicher Intelligenz zu Umsatzzuwächsen oder -einbußen? Wie entwickeln sich Rohstoffpreise, Energie- und Personalkosten? Welche Gewinnspannen lassen sich in den relevanten Marktsegmenten erzielen?
Auch die spezifische Situation des Kunden sollte analysiert werden: Worin bestehen seine aktuellen Herausforderungen? Wird er von Mitbewerbern bedrängt? Muss er seine Prozesse krisenfester gestalten? Wie ist die Beziehung Ihres Unternehmens zum Kunden? Gab es im vergangenen Jahr Schwierigkeiten, und wie wurden diese gelöst? Welche Umsätze wurden erzielt, und in welchen Bereichen?
Leistungsbilanz erstellen
Überlegen Sie, welche Serviceleistungen Ihr Unternehmen im vergangenen Jahr zusätzlich erbracht hat – ohne vertragliche Verpflichtung und ohne gesonderte Abrechnung. Diese Leistungen sollten Sie dokumentieren, um im Gespräch ein starkes Argumentationsfundament zu haben.
Was wurde für den Kunden zusätzlich getan?
| Was? | Wann? | Wert oder Nutzen? |
|---|---|---|
| Muster kostenlos gesendet | 15. April 2025 | Wert der Ware, Versandkosten, Arbeitsaufwand |
| Ware persönlich geliefert | 18. Juni, 22. August 2025 | Fahrtkosten, Opportunitätskosten |
| Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellt | 24. Februar, 31. März 2025 | Welche Verbesserung wurde erzielt? |
| Fehlbestellungen auf eigene Kosten eingelagert | 24. Januar, 28. Mai, 13. September 2025 | Ca. 15 Prozent des Warenwerts |
| Reklamationen kulant abgewickelt | 15. Mai, 28. Oktober 2025 | Preisvorteil für den Kunden? |
| Preise trotz gesunkener Bestellmenge nicht erhöht | 2. und 3. Quartal 2025 | Preisvorteil für den Kunden? |
Kundenspezifisch argumentieren
Auf Basis Ihrer Vorarbeit können Sie nun konkrete Ziele formulieren: Mit welchem Minimal- und Maximalziel gehen Sie ins Gespräch? Welche Argumente bringen Sie ein? Entwerfen Sie eine maßgeschneiderte Argumentationskette.
Zunächst sollten Sie eine positive Gesprächsatmosphäre schaffen – etwa indem Sie den Kundennutzen der bisherigen Zusammenarbeit herausstellen. Fragen Sie zum Beispiel: „Wie zufrieden waren Sie mit der Anlieferung im vergangenen Jahr?“ oder „Hat sich die Lösung x für Sie bewährt?“
Darauf aufbauend kann das Gespräch zur Marktentwicklung übergeleitet werden. Beispielsweise mit:
„Die Marktforschenden prognostizieren, dass die Nachfrage nach Sensoren im Zuge der Digitalisierung und Automatisierung im kommenden Jahr um fünfzehn Prozent steigen wird. Gleichzeitig wird erwartet, dass Energie- und Rohstoffpreise im Frühjahr 2026 wieder sinken. Und das geplante Wirtschaftsförderungspaket der Bundesregierung dürfte die Investitionsbereitschaft erhöhen. Daraus ergibt sich für Sie die Chance, …“
Zukunft gestalten und Emotionen wecken
Hat der Kunde die Chancen erkannt, sollten Sie aufzeigen, wie Ihr Unternehmen ihn konkret unterstützt, diese zu nutzen. Dazu müssen Ihre Vorschläge ausgereift sein. Zeigen Sie Handouts oder Muster, wie bestehende Aufgaben besser gelöst werden können. Denn ohne Emotion kein Engagement – der Preis bleibt sonst das einzige Kriterium.
Auch wenn Sie Begeisterung auslösen, wird der Einkäufer nie sagen: „Dafür zahle ich gern den vollen Preis.“ Das wäre unklug aus seiner Sicht. Er wird bestenfalls kritisch nicken und sagen: „Das klingt interessant, aber…“, und dann wie gewohnt über Konditionen verhandeln. Doch Sie haben die Grundlage verändert – und so steigen Ihre Chancen, Ihr Maximalziel zu erreichen.
Der Autor

Peter Schreiber ist Inhaber der B2B-Vertriebsberatung Peter Schreiber & Partner in Ilsfeld bei Heilbronn, die u.a. Verkäufer und Vertriebsteams bei der Vorbereitung auf anstehende Jahresgespräche coacht. Er ist u.a. Dozent an der IHK-Akademie München in Westerham und am VDI Fortbildungszentrum Stuttgart sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim.



