Firmenporträt

Eine Tischlerin mit Gespür

Unternehmensführung
07.02.2024

Seit dem Jahr 2000 führt Ulrike Reischl-Kaun den Tischlereibetrieb Kaun, den ihr Großvater 1911 gegründet hat und den sie in „Kaun – Die Tischlerin“ umbenannt hat. Anders als ihr Vater führt sie bewusst nicht hierarchisch – und mit einer guten Portion Bauchgefühl.
Ulrike Reichl-Kaun

Als Ulrike Reischl-Kaun vor 34 Jahren die Meisterklasse für Tischlerei in Pöchlarn besuchte, war sie eine von zwei Frauen – unter 30 Männern. 1996 hat ihr Vater sie dann gefragt, ob sie die Tischlereifirma in St. Florian bei Linz übernehmen möchte, die schon ihr Großvater 1911 gegründet hatte. Sie hat keine Brüder und ihre Schwester war Landwirtin. Die Entscheidung fiel prompt: „Ich musste nicht lange überlegen - ich wollte das machen.“ Bevor sie als Geschäftsführerin begann, machte sie jeden Bereich im Unternehmen durch, arbeitete etwa in der Tischlerei, in der Planung und sie restaurierte auch, was ihr besonders viel Spaß machte. Ihr ursprünglicher Berufswunsch war Restauratorin. Doch ihr Vater riet ihr, Tischlerin zu werden. So machte sie die Tischlerlehre, und zwar parallel zum Kunstgeschichts-Studium in Graz.

Im Jahr 2000 war es dann soweit: Ulrike Reischl-Kaun übernahm als erste Frau die Geschäftsführung des Familienunternehmens. Damals hatte Kaun 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Heute sind es inklusive Leasing-Personal und Subfirmen um die 130. Das erste Jahr war eine große Herausforderung – und das lag nicht daran, dass Reischl-Kaun eine Frau in einer Männerdomäne war, sondern daran, dass sie die Organisationsstruktur umstellte.

dirigierende Hand

Firma in der Firma

Statt der klassischen hierarchischen Führung, wie sie ihr Vater jahrzehntelang praktiziert hatte, stellte sie mit Hilfe eines Beraters auf ein Team-Unternehmen mit flacher Hierarchie um. Jedes Team organisiert seine Arbeit und das Budget eigenverantwortlich, quasi als „kleine Firma in der Firma“, wie Reischl-Kaun sagt. Einmal wöchentlich gibt es eine Sitzung mit den Kernteamleitern. Aufgaben wie das Marketing und die finalen Personalentscheidungen liegen bei der Chefin: „Wenn jemand eingestellt oder gekündigt wird, geht das über meinen Tisch, genauso wie jegliche Werbung, die außer Haus geht.“ Dazu gehören auch die Kundenbriefe, die sie zweimal im Jahr selbst schreibt.

Die Organisationsumstellung wurde nicht von allen Mitarbeitern mitgetragen: „Die alteingesessenen Mitarbeiter wollten das nicht“, erinnert sich Reischl-Kaun. Ihr bereitete diese erste Zeit großen Stress, sodass sie in diesem ersten Jahr sogar eine Gürtelrose bekam. Zum Glück befürworteten die meisten Mitarbeiter die neue Organisationsform, die mehr Eigenverantwortung für die Teams bedeutete, beispielsweise auch was die Einteilung der Arbeitszeit betrifft. Letztlich verließen die Mitarbeiter, die beim Alten bleiben wollten, das Unternehmen. Dieses erste Jahr war für Reischl-Kaun die schwierigste Zeit in den 23 Jahren an der Spitze des Unternehmens.

Alleinstellungsmerkmal

Auch nach außen hin war klar, dass sich etwas Wesentliches verändert hatte: Reischl-Kaun entschied sich, das Unternehmen umzubenennen. Statt nur Kaun heißt das Unternehmen seit 2000 „Kaun – Die Tischlerin“. Die Idee kam von ihrer „Werbedame“, einer Freundin, die sich nach wie vor um das Marketing kümmert. Die Entscheidung war wichtig und richtig: „Der Name gefällt mir und auch meinen Leuten.“ Gerade, weil die meisten Mitarbeiter Männer sind, fällt die Aufschrift „Die Tischlerin“ hinten auf der Arbeitsjacke besonders auf. Reischl-Kaun ist sich bewusst: „Wir heben uns damit sehr vom Mitbewerb ab.“

Reischl-Kaun nennt weitere Alleinstellungsmerkmale. Übergeordnet ist es das breite Angebot, wie es nicht viele Tischlereien haben. Ein Schwerpunkt liegt auf Fenstern und Türen für den Objektbau, vor allem im Wohnbau. Hier sind die meisten Kunden in Linz, das in 15 bis 20 Autominuten erreichbar ist. Die Tischlerin macht nicht nur Holzfenster und -türen, sondern ist auch an Waku, einem Produzenten von Kunststoff-Fenstern und -Türen beteiligt. Diese werden industriell gefertigt und von den Kaun-Monteuren eingebaut. Sanierung und Renovierung, auch für den Denkmalschutz, zählt ebenfalls zum Angebot. Kaun verleiht Holzfenstern bei Bedarf auch einen Alurahmen, sodass diese nicht mehr regelmäßig gestrichen werden müssen. Die hauseigene Bautischlerei fertigt auch für Privatkunden Möbel, Türen und Fenster nach Maß. Seit Kurzem gehören auch Dan-Küchen zum Angebot, wobei Kunden sich gleich einen passenden Tisch oder ein Küchenkasterl dazu machen lassen können. Sonnen- und Insektenschutz ergänzen das Angebot. In einem Schauraum unweit vom Firmenzentrum können sich Kunden inspirieren lassen.

Leidenschaft für Antiquitäten

Seit rund zwei Jahren hat Reischl-Kaun mit Georg Feichtenschlager einen zweiten Geschäftsführer an der Seite, der unter anderem fürs Controlling zuständig ist. Sie und ihr Mann haben keine Kinder und sie denkt langsam über den Ruhestand nach, in dem sie vielleicht wieder Zeit hat, Möbel zu restaurieren – diese handwerkliche Aufgabe reizt sie noch immer. Kurz bevor sie Geschäftsführerin bei Kaun wurde, betrieb sie ein Antiquitätengeschäft in Linz, das auf das 18. Jahrhundert und früher spezialisiert war. Das Geschäft gibt es noch, doch weil Reischl-Kaun beide Aufgaben zu viel waren, übernahm eine Freundin das Geschäft ganz.

Durch die Corona-Zeit kam das Unternehmen auch dank der Kurzarbeit gut. Noch spürt Kaun auch nicht viel von der Krise in der Baubranche, was laut Ulrike Reischl-Kaun wohl daran liegt, dass Fenster und Türen immer das letzte ist, was auf der Baustelle montiert wird – somit kommen solche Marktentwicklungen meist mit rund einem Jahr Verzögerung an. Sie ist aber ohnehin der Meinung, dass der Baumarkt in den letzten zwei Jahren überhitzt war: „Wenn das auf ein gesundes Niveau wie vor Corona zurückgeht, passt es immer noch.“

Den Fachkräftemangel spürt auch die Tischlerin, vor allem Monteure und Handwerker sind schwer zu finden. Leichter ist es bei Bauleitern und Technikern. Man sorgt auch für den eigenen Nachwuchs und bildet jedes Jahr ein bis zwei Lehrlinge aus. Zum Glück gibt es nicht viel Fluktuation. Das könnte daran liegen, dass Ulrike Reischl-Kaun Wertschätzung und eine Beziehung auf Augenhöhe zu allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein Anliegen ist. Sie fragt ihre Leute auch um deren Meinungen und gibt selbst auch Fehler zu. Fast jeden Tag ist sie bei den Monteuren und in der Tischlerei-Werkstatt: „Da reden wir auch über private Dinge. Sie erzählen mir zum Beispiel, wie es ihren Kindern geht. Das taugt mir schon. Wir sind ein bisschen wie eine Familie.“ Gespür und Bauchgefühl gehören zu ihrem Führungsstil dazu, etwa beim Einstellen neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zwei Personen stellte sie trotz ihres schlechten Bauchgefühls ein – und in beiden Fällen stellte sich heraus, dass ihr Bauch recht hatte. Seither macht sie keine Kompromisse mehr mit ihrem Bauch.

Heute arbeiten übrigens um die zehn Frauen bei Kaun, die meisten davon im Büro. Der Name „Die Tischlerin“ passt aber trotzdem extrem gut: Im Tischler-Team gibt es nämlich seit einigen Jahren eine junge Tischlerin.