Digitale ­Erleichterung

Digitalisierung
08.06.2022

Die Digitalisierung hat längst auch KMU erfasst. Es geht darum, dumme Arbeit abzuschaffen. Welche schlauen Systeme dabei helfen.
digtal ans ziel

Es ist Mittwoch. Herr Meier läuft durch die Büroräume. „Ich brauche Freitag bitte dringend frei. Geht das?“ Sorry, die zuständige Dame ist gerade nicht da. Sie ist selber unterwegs. Herr Meier probiert es später telefonisch und kommt noch einmal vorbei. Es ist Mittwochabend und er weiß immer noch nicht, ob er seiner Frau zusagen kann. Herr Meier ist aufgescheucht und hat das Personalbüro ebenfalls in Unruhe versetzt. Ein nicht unüblicher Zustand, wenn es keinen digitalen Gemeinschaftsurlaubskalender gibt.
Dann braucht es einen Urlaubsantrag. Schwerer, aber nicht unüblicher Fehler der Geschäftsführung in KMU: Sie stimmt zu, ohne dass die Vertretung geregelt worden ist. Damit bleibt die Vertretung bei der Geschäftsführung hängen. Wer „ja“ sagt, hat den schwarzen Peter.

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Max Raber, ELO

Szenenwechsel im Unternehmen. Zwei Teams sollen an einem Projekt zusammenarbeiten. Die Terminvereinbarung dauert und dauert und dauert. Da kommt der erste Anruf: „Du, wisst Ihr schon, wann der Workshop ist, weil ich hab dafür drei Tage geblockt, aber das kann ich ja nicht ewig machen.“ Unterschwelliger Vorwurf: wie geht Ihr mit meiner Zeit um? Banalitäten mit großen Auswirkungen! Da müssen Prozesse definiert und dann digitalisiert werden. Die Digitalisierungswelle hat auch die KMU und hier auch kleinere Betriebe erfasst. Es gibt einfach ständige Schmerzpunkte, die durch digitale Lösungen gelindert werden können. „Vor kurzem kam sich eine Dame vorstellen und meinte: Jetzt komme ich endlich zu einem Unternehmen, das meine Zeit nicht verschwendet“, lacht Max Raber. Er hat leicht lachen, denn er leitet die Österreich-Unit von ELO, einem deutschen Digitalisierungsunternehmen, das darauf spezialisiert ist, Geschäftsprozesse von der analogen Welt in Bits und Bytes zu übersetzen. Die Dame hatte bei ihrem vorigen Arbeitgeber gekündigt, weil sie „Excel-Listen warten musste.“ Sie wollte zu einem Unternehmen, wo „dumme Arbeit abgeschafft ist.“

„Darum geht es“, sagt Raber, „die Verwaltung schlank machen, um dann Mitarbeiter aufzunehmen, die nur das tun, wofür sie auch aufgenommen wurden. Zumal in Zeiten, wo Employer Branding so wichtig ist.“ Eben weil der Mensch im Unternehmen wichtiger wird, muss das Menschenunwürdige abgeschafft werden.
„Ich erlebe täglich, wieviel Erleichterung mir das neue digitale Ablagesystem bringt“, sagt Ingrid Meuer, Geschäftsführerin der 45 Personen starken Malerei Höhnel in Linz.  Die Dokumentenverwaltung des 1855 gegründeten Betriebs war historisch gewachsen. „Jeder hat das nach seinen eigenen Ablagekriterien geführt“, so Meuer, „aber nach einigen Jahren war das nicht mehr nachvollziehbar und der Suchaufwand war enorm.“ Aufgrund eines fehlenden Berechtigungsschemas konnte nicht mehr geprüft werden, wer wann auf welche Datei zugegriffen hatte. Unbeabsichtigt gelöschte Dokumente zeigten, dass es nicht nur eine bessere, sondern auch eine manipulationssichere Ablagestruktur braucht. Von Kunden gewünschte Sonderfarben müssen gefunden und auch in Erinnerung behalten werden. All das ist jetzt mit einem ELO-Digitalisierungspaket vorbei.

Thomas Körbler
Thomas Körbler, Treskon

Alle müssen mitspielen
„Es beginnt fast immer mit der Digitalisierung der Prüfprozesse für Eingangsrechnungen“, sagt Thomas Körbler von der Digitalisierungsfirma Treskon, „einfach, weil die Vorteile unmittelbar spürbar und messbar sind.“ Immer wieder kommt es vor, dass Rechnungen im ganzen Freigabe- und Buchhaltungsprozess ausgedruckt und wieder eingescannt werden. Bei einem größeren Unternehmen, wo täglich Rechnungen über Mail, oder vielleicht gar noch am Postweg hereinkommen, entstehen dadurch Papierberge und unnötige Arbeitsschritte. Die Einhaltung von Skontofristen und auch die rechtlichen Aufbewahrungsfristen können mit digitalen Systemen besser eingehalten werden. Der wichtigste Teil der Digitalisierung besteht allerdings darin, die Menschen zu überzeugen. „Es müssen alle mitspielen“, sagt Werner Kopatsch vom Bauunternehmen Wachberger Bau, „bei so vielen unterschiedlichen Altersstrukturen und Charakteren darf es keine unausgereiften Lösungen geben.“ Darum ist Digitalisierung für Thomas Körbler ein Prozess des Change Management, wo man jeden einzelnen Mitarbeiter überzeugen muss, dass jetzt alles besser sein wird. „Das ist eine ganz große Herausforderung“, sagt er, „bei so einem Digitalisierungsschritt kommt irgendwann der Big Bang. Das ist der kritische Moment, wo das System scharf gestellt wird.“ Ab heute läuft alles anders. Ab sofort gibt es kein Papier mehr und der ganze Prozess läuft digital. „Da sind wir mit unserem Team immer vor Ort“, so Körbler, „denn da darf nichts schiefgehen und nichts verloren gehen.“

Wenn der Big Bang gemeistert ist, wird es einfach. „Dann kommt die Kür“, so Körbler. Jeder weitere Digitalisierungsschritt fällt leicht. Die MitarbeiterInnen sind schon mit dem System vertraut, die Software ist installiert, die Infrastruktur ist angeschafft. Das erste Projekt finanziert die künftigen gewissermaßen mit. Dann kann man Vertragsmanagement, Personalakte und andere Tools leicht „dazustecken“. Wenn die Leute im digitalen System das erste Mal die Volltextsuche nutzen und merken, dass sie plötzlich alte Rechnungen und archivierte Daten finden, geht ein Ruck der Erleichterung durch das Unternehmen. Niemand muss mehr wegen eines Ordners in die Firma fahren.

Kopatsch Werner
Werner Kopatsch, Wachberger Bau

„Wir sind heute zu 90 Prozent papierlos“, sagt Kopatsch über sein Bauunternehmen, „bei einem größeren Bauvorhaben hatten wir früher bis zu zehn Ordner im Schrank stehen.“ Heute stehen die Ordner im Computer und da ist absolut jedes Schriftstück drin, das in einem Bauakt so anfällt. Wenn der Polier auf der Baustelle ein Foto macht, dann kann er das sofort in den richtigen Akt hineinspielen. Auch die Zeitabrechnung kommt via Handy automatisch in die Lohnverrechnung und zur Nachkalkulation. „Ich habe jetzt immer und von überall aus Zugriff auf alle Daten“, freut sich Kopatsch. Nicht nur der Firmenchef freut sich, „die jungen Mitarbeiter erwarten einfach, dass sie in der Firma Tools vorfinden, die sie auch privat gewohnt sind.“
Wichtig ist, dass alles einfach und verständlich ist. „Die Oberfläche für das Arbeiten unterwegs muss extrem simpel sein“, weiß Körbler, „ein Tool, das viel kann, hat auch viele Knöpfe, aber das verwirrt die Leute.“ Darum müssen digitale Lösungen gerade für KMUs so viel wie nur möglich können und so wenig „Knöpfe“ wie nur möglich haben.
Das entscheidendes Credo für Max Raber lautet: „Wenn man Geschäftsprozesse digitalisiert, dann müssen die Mitarbeiter und die Kunden nachher merken, dass sich irgendetwas zum Guten geändert hat.“