Die Roboter kommen

Redaktion Die Wirtschaft
15.03.2016

Künstliche Intelligenz ist keine Science-Fiction mehr. Roboter und intelligente Maschinen sind schon jetzt im Einsatz. Was noch kommen wird, ist fantastisch, macht aber selbst ausgewiesenen Experten Angst.

Text: Alexandra Rotter
 

Selbst fahrende Autos. Durch Gedanken gesteuerte Prothesen. Nanopartikel, die Krankheiten in frühen Stadien erkennen. Algorithmen, die uns analysieren und manipulieren. Roboter, die unsere Hausarbeit erledigen, uns im Alter pflegen, die Drecksarbeiten in Fabriken und Atomkraftwerken übernehmen und in Erdbebengebieten nach Überlebenden suchen. Unsere Zukunft wird von Maschinen bestimmt sein, die über künstliche Intelligenz verfügen. Aber nicht nur die Zukunft: Künstliche Systeme, die lernfähig sind und fast wie Menschen agieren, sind längst schon Realität.

Im Alltag haben wir es noch selten mit Robotern, selbst fahrenden Autos und Ähnlichem zu tun. Künstliche Intelligenz (KI) befindet sich eher noch im Verborgenen – aber sie ist da. So arbeiten in immer mehr Fabriken Roboter. Produktionsabläufe und Lieferketten werden durch komplexe vernetzte Systeme unter dem Stichwort Industrie 4.0 automatisch gesteuert. Ärzte und Krankenhäuser bedienen sich elektronischer Assistenzsysteme. Und Algorithmen beeinflussen unser Verhalten im Netz – der Computer analysiert jeden unserer Klicks und entscheidet, welche Inhalte uns präsentiert werden. In einem Unternehmen in Hongkong sitzt KI sogar schon im Aufsichtsrat.

 

Anpassungsfähig werden

Künstliche Intelligenz ist faszinierend, und das Thema hat Hochkonjunktur – nicht zuletzt, weil jetzt wichtige technologische Voraussetzungen erfüllt sind, damit Computersysteme selbstständig Entscheidungen treffen und danach handeln können. Rechner sind heute fähig, Unmengen von Daten zu speichern und in kürzester Zeit zu verarbeiten. Und die Systeme werden jetzt selbst lernend – das geht so weit, dass sie ihre Aufgaben selbst finden. So schaffte es etwa kürzlich das künstlich neuronale Netz Deep-Q-Network, Atari-Computerspiele wie Pacman, Space Invaders oder Road Runner bis zum Ende durchzuspielen – und das, obwohl das System keinerlei Anweisungen erhielt. Durch Trial and Error fand Deep-Q, das ins Google-Imperium gehört, heraus, was zu tun ist. Das Bemerkenswerte an der Leistung dieses neuronalen Netzes sei „weniger die konkrete Leistung als vielmehr die hohe Anpassungs- und Lernfähigkeit“, schreibt dazu der Journalist Kai Schlieter in seinem 2015 erschienenen Buch „Die Herrschaftsformel – Wie Künstliche Intelligenz uns berechnet, steuert und unser Leben verändert“.

Diese Lernfähigkeit kann Angst machen. Kapazunder wie ­Stephen Hawking, Bill Gates und Tesla-Gründer Elon Musk und Tausende andere Menschen haben darum einen offenen Brief unterzeichnet, der KI als größte Gefahr der Menschheit bezeichnet und die Forschung auffordert, die Systeme robust und nutzbringend zu gestalten. Innerhalb der nächsten hundert Jahre, sagte Hawking, werden Menschen von Computern mit künstlicher Intelligenz überholt. „Wenn das passiert, müssen wir sichergehen, dass die Ziele der Computer mit unseren übereinstimmen.“ Angst vor Systemen und Robotern mit eigenem Bewusstsein und eigenem Willen, denen die Interessen der Menschheit herzlich egal sind, haben nicht nur Spinner, die nichts von der Materie verstehen, sondern auch ausgewiesene Experten.

 

Trainieren statt programmieren

Gleichzeitig werden die Chancen durch Künstliche Intelligenz als extrem hoch eingeschätzt. So ist im offenen Brief von Hawking & Co. auch zu lesen, „die möglichen Vorteile“ seien „riesig, da letztlich alles, was die Zivilisation anzubieten hat, ein Produkt menschlicher Intelligenz ist; wir können nicht abschätzen, was wir noch erreichen könnten, sobald diese Intelligenz durch die Werkzeuge der Künstlichen Intelligenz vergrößert wird“. Derzeit dient KI meist noch als Entscheidungshilfe. IBM entwickelte um mehr als eine Milliarde Dollar das kognitive System Watson. 2011 schlug es die besten menschlichen Kandidaten in der US-Quizshow Jeopardy. Das Prinzip dahinter: Kognitive Systeme werden nicht programmiert, sondern trainiert. Mit jeder Information, die sie erhalten, werden sie besser. Watson versteht natürliche Sprache und damit auch unstrukturierte Dokumente.

IBMs Künstliche Intelligenz ist schon in vielen Bereichen im Einsatz. Zum Beispiel gestaltete die österreichische IT-Beratungsfirma BIConepts mit der Technologie-Plattform Watson Explorer das Programm ICInvestigation (ICI) für Juristen. Rechtsabteilungen, Gutachter und Rechtsanwälte können mit ICI große Mengen verschiedener Unterlagen – E-Mails, Kontoinformationen, pdf-Dateien – durchforsten und alle relevanten Informationen zu einem Thema suchen. Werden etwa Informationen über Preise gesucht, werden sowohl die Stellen in Dokumenten gefunden, in denen das Wort „Preis“ vorkommt, als auch Zahlen, Währungskürzel oder Ausdrücke wie „Bestpreisgarantie“. Juristen müssen sich nur mehr die vorgefilterten Dateien ansehen. Der Eigenwerbung zufolge besitzen sie mit ICI „ein wirksames Werkzeug, um Big Data im rechtlichen Umfeld erfolgreich zu bewältigen“.

 

KI als Assistent

Eines der größten Einsatzgebiete Künstlicher Intelligenz ist die Medizin. „Die Möglichkeiten, die uns kognitive Systeme wie ­Watson in Zukunft bieten werden, können wir heute wahrscheinlich noch gar nicht abschätzen“, sagt Eva Deutsch, Leiterin des europäischen Watson Healthcare-Bereichs in der Beratungssparte von IBM. In der Medizin können schon jetzt vier typische Anwendungsfälle definiert werden: 1. Der Arzt, dem ein Assistenzsystem wie Watson hilft, schnell die relevanten Informationen zum Patienten in seinen Akten zu finden. 2. Die Auswertung vorhandener Gesundheitsdaten in Gesundheitsorganisationen für Qualitätsmanagement und Forschung. 3. Die Beschleunigung und Effizienzsteigerung von Routinetätigkeiten und administrativen Prozessen. 4. Patienten, die Informationen zum Thema Gesundheit einholen. Teilweise gibt Watson schon Behandlungsvorschläge, etwa in der Krebsbehandlung. Immer werden dabei die Quelldokumente angezeigt, auf die sich das System beruft – zum Beispiel Krankenakten, Behandlungs-Guidelines und wissenschaftliche Forschungsergebnisse aus Publikationen. Eine endgültige Entscheidung, betont man bei IBM, trifft aber immer der Arzt. In Österreich ist Watson projektweise bereits unter anderem in Krankenanstaltverbänden im Einsatz.

Viel utopischer klingt das, woran Google arbeitet. Längst sieht sich der Konzern nicht mehr als reiner Suchmaschinenanbieter. Kevin Kelly, einer der Gründer des Technologiemagazins Wired, prognostiziert, dass das wichtigste Produkt von Google bis 2024 nicht die Suche, sondern Künstliche Intelligenz sein wird. Googles Kontaktlinse, die den Blutzuckerspiegel misst, wird klinisch getes­tet und kommt wohl in den nächsten zwei Jahren auf den Markt. Noch aufregender ist Googles Nanopartikel-Forschung. Thomas Schulz, Spiegel-Korrespondent im Silicon Valley, erhielt tiefe Einblicke in die Konzerngeschäfte. Schulz berichtet davon in seinem im Oktober erschienenen Buch „Was Google wirklich will – Wie der einflussreichste Konzern der Welt unsere Zukunft verändert“. Das Projekt, bei dem Nanopartikel, also Minicomputer, die kleiner sind als Viren, mittels Tablette in die Blutbahn gelangen, hat Schulz besonders beeindruckt. Die Partikel sollen im Körper Gesundheitsdaten sammeln und geringste Abweichungen von der Norm melden. Denn diese könnten auf eine entstehende Erkrankung hinweisen. Krebserkrankungen etwa könnten dann in sehr frühen Stadien behandelt werden. Dahinter steckt viel mehr als Technologie: „Zunächst muss man herausfinden, was ein gesunder Mensch ist. Dazu wird eine Studie durchgeführt, die viele Jahre läuft“, sagt Schulz. Nicht nur Google, auch andere Labors weltweit setzen auf Nanopartikel – das geht teilweise so weit, dass sie kranke Zellen im Körper zerstören sollen.

 

Roboter im Katastropheneinsatz

Ein bedeutender Zweig von KI ist die Robotik. Hier wird geforscht, was das Zeug hält, auch in Österreich. Schließlich sollen uns mühsame Alltagsarbeiten abgenommen und bisher Unmögliches möglich werden. So wurden zum Beispiel Roboter ins radioaktiv verseuchte Kraftwerk Fukushima geschickt, um dort Daten zu sammeln. In Zukunft werden Roboter auch Aufräum- und Abbauarbeiten übernehmen und in Erdbebengebieten nach lebenden Personen suchen, sodass die Hilfskräfte gezielter vorgehen
können.

Ein Roboter der jungen österreichischen Firma Taurob unterstützt etwa auch die Wiener Feuerwehr. Er fährt wie ein Panzer auf Ketten und kann so Bilder und Messdaten aus einsturzgefährdeten Bauten an die Einsatzkräfte senden. Auch Stufen steigen ist für ihn kein Problem, allerdings wird er noch ferngesteuert. Im Einsatz war er etwa 2014 nach dem Einsturz eines Wiener Wohnhauses.

Die meisten Roboter müssen noch lernen, auf unerwartete Situationen zu reagieren. Michael Hofbaur, Direktor des Instituts für Robotik und Mechatronik an der Forschungsgesellschaft ­Joanneum Research in Klagenfurt, sagt: „Es ist schwierig, dem Roboter beizubringen, wie er auf alle möglichen Szenarien, auf die er treffen kann, reagieren soll.“ Das Ziel der Forschung ist es, Robotern nur zu sagen, was sie machen sollen, aber nicht wie – die Lösung müssen sie selbst finden.

Schaffen es Roboter, zuverlässig Hindernissen auszuweichen, steht auch selbst fahrenden Autos nichts im Wege. Einen Beitrag dazu leistet das Austrian Institute of Technology in Wien. Dort arbeiten Christian Zinner und sein Team an Bildverarbeitungs-Technologien für solche autonomen Systeme. Zum Einsatz kommen sie in Kürze in Straßenbahnen von Bombardier. Diese werden zwar noch von Fahrern gesteuert, die das System vor Gefahren warnt. Doch bald werden Straßenbahnen – wie heute bereits U-Bahnen – selbstständig fahren.

All diese Entwicklungen sind aufregend. Viele Unternehmen können davon profitieren, etwa um gezielt und in Sekundenschnelle ihre Daten zu durchsuchen und mehr über ihre Kunden herauszufinden. Routine-Tätigkeiten können von KI durchgeführt und ermüdende Prozesse automatisiert werden. Robert Trappl, Gründer und Leiter des österreichischen Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz (OFAI), sieht durch die alternde Gesellschaft großen Bedarf an Robotern in der Pflege und in der Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Die Kombination von Robotern und synthetischen Persönlichkeiten hält Trappl für besonders spannend. Aber: Je mehr Roboter und künstlich intelligente Systeme können, und je mehr sie uns ähneln, umso größer ist die Gefahr, dass Menschen unnötig werden. Was, wenn es keine Buschauffeure, Pfleger, Kinderbetreuer und Müllmänner mehr braucht? Wenn Künstliche Intelligenzen unsere Steuererklärungen machen, Gesetzestexte und Zeitungsartikel schreiben und Forschung betreiben?

„Schon heute haben es die weniger Qualifizierten schwer“, sagt Trappl und nennt ein Beispiel: Während früher 20 Menschen in einem Lager gearbeitet haben, braucht es jetzt nur noch einen Logistik-Spezialisten, der mit dem Computer umgehen kann. „Die gering qualifizierten Berufe sind also wirklich am Aussterben. Die Jugendlichen, die heute bei der Pisa-Studie schlecht abschneiden, die Grundrechenarten und Deutsch nicht beherrschen, werden schwer vermittelbar sein“, vermutet Trappl. ­Optimisten vertreten die Ansicht, dass wir bald so viel Freizeit haben werden wie nie zuvor und all das tun können, worauf wir Lust haben. Vielleicht aber, so scherzt Robert Trappl, „werden uns die Roboter in 30 oder 40 Jahren in Schönbrunn besuchen“. Eine Spende an den Zoo der Wahl zur rechten Zeit kann also nicht schaden.

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